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Wie nachhaltig ist die Jagd wirklich? © Pixabay

Wald und Wild

Wie nachhaltig ist Jagd?

Ein Artikel von Prinz Karl v. u. z. Lichtenstein | 03.08.2020 - 11:10

Erstmals wurde der Begriff im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft im
18. Jahrhundert verwendet, als der kursächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz von der „nachhaltenden Nutzung“ der Wälder schrieb. Seine für die damalige Zeit aufsehenerregende Forderung lautete: „Nicht mehr Holz ernten, als auch wieder nachwachsen kann.“

Es brauchte nahezu hundert Jahre, bis das Prinzip der nachhaltigen Forstwirtschaft auch wirklich umgesetzt wurde. Denn noch 1840 beschrieb Franz Xaver von Hlubek, Professor für Land- und Forstwirtschaft am Joanneum in Graz, das düstere Bild, das die entwaldeten Hänge der Gleinalpe, aber auch die Bereiche von Eisenerz und Admont boten. Rücksichtslos wurden die Wälder zur Gewinnung der Holzkohle in riesigen Schlägen abgetrieben, ohne dass sich jemand um die Wiederbewaldung kümmerte.

So ist es umso erfreulicher, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Stichwort im steiermärkischen Jagdgesetz darstellt. Im § 1 (3) heißt es, dass die Jäger zur „Erhaltung und Entwicklung eines gesunden, artenreichen, den Verhältnissen des Lebensraumes angepassten“ Wildbestandes verpflichtet sind. Die Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt müssen von uns Jägern ganzheitlich betrachtet werden und dürfen sich nicht auf einige wenige jagdlich interessante Tierarten beschränken.

Die Jagd greift mit außerordentlich starker Wirkung in das Ökosystem ein und kann, wenn sie nach wildbiologischen Erkenntnissen vernünftig ausgeübt wird, einen wesentlichen Beitrag zur Biodiversität, Artenvielfalt, aber auch zum Biotop- und Naturschutz leisten. Allerdings widersprechen so manche jagdlichen Gepflogenheiten, wie zum Beispiel die Überhege des Wildstandes, den vorgenannten positiven Ansätzen.

SIND TREIBJAGDEN NOCH ZEITGEMÄSS?
Wenn die Nachhaltigkeit der Jagd nicht nur ein Schlagwort sein soll, sondern auch ehrlich durchgeführt wird, müssen wir in Zukunft bescheidener werden und uns von verschiedenen Jagdmethoden verabschieden. Sie unterliegen und unterlagen, vor allem, wenn es sich bei der Jagd mehr um ein gesellschaftliches Ereignis denn um Hege und Pflege handelt(e), dem jeweiligen Zeitgeist und haben sich über die Jahrhunderte immer wieder geändert. Unvorstellbar für unsere Zeit wäre das in der Barockzeit beliebte „eingestellte Jagen“, als Wild in großer Zahl zusammengetrieben und dann nach und nach vor die Gewehre der gemütlich sitzenden Schützen getrieben wurde. Für uns heutige, nachhaltig denkende Menschen, eine unvorstellbar grausame und tierquälerische Jagdmethode.

Und noch ein Gedanke zu den Treibjagden auf Niederwild, die immer häufiger in Kritik gerät. Als nachhaltig kann man die Jagd (nicht die Treibjagd!) auf Fasane und Hasen nur dann bezeichnen, wenn der Lebensraum wildgerecht und somit der Zuwachs auf natürlichem Weg gesichert ist. Bedingt durch Lebensraumverlust, nehmen die Bestände von Fasanen, Rebhühnern und Hasen in dramatischer Weise ab. Unkrautmittel auf Äckern und Feldwegen vernichten die für die Ernährung unerlässlichen Wildpflanzen und Kräuter. Dazu kommen noch die flächendeckende Ausbringung von Gülle und die großflächige maschinelle Agrartechnik, die den Tieren zum tödlichen Verhängnis werden. Die bewunderungswürdigen Einsätze von Jägern, die dagegen arbeiten und Biotope und Blühstreifen anlegen sowie Hecken und Büsche pflanzen, sind bei Weitem nicht ausreichend. Wenn Fasane zur Bestandesstützung ausgesetzt werden müssen, hat die Jagd für einen angemessenen Zeitraum zu ruhen und nicht, wie im Jagdgesetz vorgesehen, nur für ein paar Wochen. Alles andere ist nicht nur unethisch, sondern fügt auch dem Ruf der Jagd und der Jäger schweren Schaden zu.

SCHUSS AUF UNBEWEGLICHES TIER UNWEIDMÄNNISCH?
Außerdem muss man erwähnen, dass Treibjagden immer mehr ins Visier einer kritischen Öffentlichkeit geraten. Es liegt in der Natur der Sache, dass Schüsse auf schnell fliegende Vögel oder laufende Hasen meist ungenau sind und die Tiere oft nicht auf der Stelle tot sind. Wir dürfen die Macht solch negativer Bilder nicht unterschätzen. Wenn dann Tierschützer aus sicherer Entfernung und völlig legitim dieses Schauspiel filmen, sind die Wut und der Jammer bei den Jägern groß.

Vor allem kann man diese Form der Jagd nicht als nachhaltig bezeichnen und daher ist sie nicht zu rechtfertigen. So ist der Bestand der Feldhasen seit der Mitte der 1980er-Jahre in Österreich um 60 % zurückgegangen. Schuld daran tragen hauptsächlich der Straßenverkehr und der früher angesprochene Verlust des Lebensraums durch die intensive Landwirtschaft. Umso weniger ist die Treibjagd auf Feldhasen zu rechtfertigen. Völlig unverständlich ist mir in diesem Zusammenhang die Aussage des steirischen Landesjägermeisters Franz Mayr-Melnhof, der in einem Kronen Zeitung-Interview auf die Frage, ob Treibjagden noch zeitgemäß seien, antwortete: „Ja. Bei gewissen Wildarten, wie dem Hasen, ist das die einzige Möglichkeit, den Bestand zu dezimieren. Und das müssen wir, wir haben zum Abschuss ja Vorgaben.“(Krone online, 7.11.2019) Womit ist diese Antwort zu begründen? Erstens gibt es keine Abschussvorgaben für den Feldhasen und zweitens gibt es noch weniger einen vernünftigen Grund, weswegen der Bestand des immer seltener werdenden Feldhasen auch noch dezimiert werden soll. Nachhaltigkeit sieht anders aus.

DAS PROBLEM DER ÜBERHEGE
Ein weiteres Problem und dem Prinzip der Nachhaltigkeit zuwiderlaufend ist die Überhege von Wildarten, um eine hohe, für den Jäger interessante Populationsdichte zu erreichen und starke Trophäen abzuernten. Diese Überhege geht zulasten anderer Teile des Ökosystems und ist kein zeitgemäßer Umgang mit Wildtieren. Daher sind Fütterungen außerhalb echter Notzeiten abzulehnen. Mittlerweile gibt es in der Steiermark zusätzlich zu unzähligen freien Fütterungen etwa 130 Rotwildwintergatter, in denen Tiere bis zu neun Monate im Jahr hinter Zaun gehalten werden. Gatter wurden ursprünglich nur als kurzzeitige und ausnahmsweise Notmaßnahme begründet, um Wildschäden zu reduzieren. Inzwischen sind sie – weniger, um den Forst zu schützen, sondern aus jagdlichen Gründen – die Norm geworden. So werden in der Steiermark mittlerweile jeden Winter Tausende Stück Rotwild in Gattern mit nicht artgerechtem Kraftfutter gemästet, mit dem Ziel, möglichst starke Trophäen zu produzieren.

Nachhaltig und ethisch gerechtfertigt ist eine Wildfütterung nur dann, wenn sie artgerecht und jahreszeitlich begrenzt erfolgt. Das Ziel muss die schadensfreie und eine dem Lebensraum zahlenmäßig angepasste Population in freier Wildbahn sein. In der österreichischen Zeitschrift Weidwerk 9/1987 schrieben die Wildbiologen Friedrich Reimoser und Kurt Onderscheka, dass „Wintergatterung einen künstlichen Eingriff in die Umweltsituation des Wildes darstellt und kritisch zu beurteilen ist“. Das haben die beiden angesehenen Wissenschaftler vor 33 Jahren festgehalten, die Jäger haben die Worte weder wahrgenommen noch darauf reagiert. Diese Form der Rotwildbewirtschaftung widerspricht den Grundsätzen einer nachhaltigen Bejagung und verursacht zusätzlich ökologische Probleme. Mit dem Fokus auf diese eine jagdlich besonders interessante Wildart wird die Biodiversität insgesamt geschädigt. Solche Fütterungen ziehen – wie in einer umfangreichen Studie der polnischen Akademie der Wissenschaften in Krakau zu lesen ist – Raubtiere und Nesträuber, wie Eichelhäher, Dachs, Fuchs und Rabenvögel, an, wodurch es zu einem massiven Rückgang an bodenbrütenden Vögeln im Umkreis von bis zu einem Kilometer kommt.

In einem Urteil des Verfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 zum Thema Jagdfreistellungen hielt der Oberste Gerichtshof fest: „In Österreich ist die Schalenwilddichte im europäischen Vergleich am höchsten. Nach dem Protokoll zur Durchführung der Alpenkonvention im Bereich Berglandwirtschaft und dem Protokoll Bergwald ist die Republik Österreich völkerrechtlich verpflichtet, den Wildstand zu regeln, sodass nicht tragbare Schäden vermieden und die Schalenwildbestände auf jenes Maß begrenzt werden, welches eine natürliche Verjüngung standortsgerechter Bergwälder ohne besondere Schutzmaßnahmen ermöglicht.“ Von einer natürlichen Verjüngung der meisten Bergwälder sind wir weit entfernt und die Waldschäden in der Steiermark sind, wie man dem Waldschadensberichten der vergangenen Jahre entnehmen kann, österreichweit die höchsten. Der Zeitpunkt wird kommen, an dem der Forstbehörde keine andere Möglichkeit bleibt, als zum Schutz des Waldes die obgenannte völkerrechtliche Verpflichtung der Republik durchzusetzen.

Einem Jäger sollte der ethische Umgang mit Wildtieren Verpflichtung und Herausforderung sein. Wenn wir die Jagd weiterhin selbstbestimmt und mit Freude ausüben wollen, ist ein Umdenken dringend angesagt. Voraussetzungen dafür wären eine nachhaltige Nutzung von Wildtieren und eine zeitgemäße Form der Bejagung. Mit leeren Worthülsen wie „der Natur verpflichtet“ wird man nichts erreichen.

Die Erstveröffentlichung dieses Artikels erfolgte in Der Steirische Aufsichtsjäger, Ausgabe 21, Frühling 2020, S. 4. Nachdruck nach Erlaubnis von Autor und Verlag