Deutschland

Sorgen um den Wald

Ein Artikel von Philipp Matzku (für Forstzeitung.at bearbeitet) | 09.03.2022 - 08:28

Die DLR-Forschungsgruppe des Earth Observation Center (EOC) hat Daten der beiden Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-2 und Landsat-8 im Zeitraum Januar 2018 bis April 2021 erfasst. Die Ergebnisse sind laut den Forschern alarmierend: In Deutschland gibt es 11,4 Mio. ha Wald. Bundesweit ist auf rund 501.000 ha der Kronenbestand aufgelichtet oder der Baumbestand verloren gegangen. Die starken Hitze- und Dürreperioden der vergangenen Jahre sowie die teilweise standortfremden Fichtenreinbestände gelten aus Hauptursachen, welche wiederum den Befall durch Schadinsekten begünstigten. Die gute räumliche und zeitliche Auflösung der Satellitenaufnahmen ermöglicht die Erfassung von großflächigen Verlusten im Oberstand der Wälder. Drastische Schäden sowie komplett abgestorbene Bestände sind sehr gut sichtbar. Die Satelliten liefern auch Daten in hoher zeitlicher Dichte.

Reinbestände, Extremwetter und Insekten

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Drastische Baumverluste: Der Wald­be­stand in Arns­berg 2017 und 2021 (v. li.) © Deutsches Zentrum- für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Der Blick aus dem All zeigt, dass überwiegend Nadelwälder in der Mitte Deutschlands betroffen sind. So wie beispielsweise das Sauerland, die Eifel, der Harz, die Sächsische Schweiz und der Thüringer Wald. Geschädigt sind nicht selten Fichtenwälder, welche nach biotischen und abiotischen Schadereignissen teilweise großflächig geerntet werden mussten.

Von den Folgen der Dürre sind nicht nur Fichtenwälder berührt: „Unsere Analysen zeigen, dass auch Eiche, Buche und Kiefer – neben der Fichte die häufigsten Baumarten in Deutschland – starke Schäden aufweisen. Dasselbe gilt für seltenere Arten, wie Bergahorn oder Lärche“, erklärt Dr. Frank Thonfeld vom EOC.

„Die jährlichen Waldzustandsberichte der Behörden machen bereits deutlich, dass sich der Zustand der deutschen Wälder schon seit längerer Zeit kontinuierlich verschlechtert. Aber die Schäden der vergangenen wenigen Jahre sind beispiellos.“

Das DLR-Forschungsteam identifizierte ferner dank der hochgenauen Satellitenaufnahmen neben dem Schädlingsbefall die Windwurfflächen in Deutschland. Die Auswertungen offenbaren unter anderem das Ausmaß von Sturmereignissen in Ostbayern, Sachsen-Anhalt und Sachsen.

Big Data zur Waldentwicklung

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Waldflächenrückgang in Deutschland: Vor allem Nadelwälder in der Mitte Deutschlands sind besonders betroffen © Deutsches Zentrum- für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Die Fernerkundungsexperten aus Oberpfaffenhofen werteten insgesamt mehr als 20.000 Datensätze aus. Auf diese Weise konnten sie die abgestorbenen und neu eingeschlagenen Waldflächen im Monatsrhythmus erfassen. Entstanden ist ein differenziertes Waldbild für ganz Deutschland mit einer Auflösung von 10 m. Die Verarbeitung der Datenarchive von Sentinel-2 und Landsat-8 erfolgte vollautomatisch. Das hochkomplexe Verfahren wurde am EOC entwickelt und wird für weitere Anwendungen optimiert.

Die Auswertungsmethode für den Waldbestand lässt sich laut DLR auch für andere Länder und Regionen anwenden. Mittelfristig könnten noch weitere Bestände verloren gehen. Es wird Jahrzehnte dauern, bis die wirtschaftlichen Schäden ausgeglichen sind. Bis sich das Ökosystem Wald erholt, kann es aus Sicht der Forscher noch länger dauern.

Für Deutschland und Europa sei es daher dringend notwendig, schnell effiziente Maßnahmen zum Schutz der Wälder zu ergreifen, betont man. Satellitengestützte Erdbeobachtung kann Forschenden und Entscheidungstragenden hierzu eine Datengrundlage bereitstellen. So wie das neue Verfahren nutzerspezifisch angepasst werden kann, lässt sich auch die neue Waldkartierung jederzeit aktualisieren.

Künftig könnte das DLR-Forschungsteam Forstbehörden im monatlichen Rhythmus Satellitendaten zu Waldgebieten liefern und damit den operationellen Forstbetrieb in allen Regionen nachhaltig unterstützen.