Deutschland

50 Jahre Sturm „Quimburga“

Ein Artikel von Philipp Matzku (für Forstzeitung.at bearbeitet) | 16.11.2022 - 14:49

Für die Forstleute stellten die Beseitigung der Sturmschäden und die Wiederaufforstung von rund 10% der Waldfläche Niedersachsens eine Mammutaufgabe dar. Gleichzeitig markierte der „Jahrhundertsturm“ auch den Anfang grundsätzlicher Überlegungen, die Jahre später in das „Programm zur Langfristigen ökologischen Waldentwicklung“ (Löwe) mündeten. Die hierin entwickelten Grundsätze wurden bundesweite Wegbereiter für eine naturnahe, auf ökologischen Grundlagen fußende Bewirtschaftung und sind bis heute im Wald der Niedersächsischen Landesforsten maßgeblich.

Wiederaufforstung mit System

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Dem Jahrhundertsturm „Quimburga“ fielen große Waldflächen, vor allem im niedersächsischen Flachland, zum Opfer © Niedersächische Landesforsten

Obwohl bei der damaligen Wiederaufforstung abermals großflächig Kiefern und Fichten gepflanzt wurden, kamen auch immer mehr Laubhölzer, vor allem Eichen, zum Einsatz. Entscheidend für die Wahl der Baumart war neben der Verfügbarkeit entsprechender Setzlinge vor allem die Bodenbeschaffenheit – umfangreiche Kartierungen gingen den Pflanzarbeiten voraus und die dabei festgestellte Nährstoff- und Wasserversorgung war für die Baumartenwahl entscheidend. Heute liegen für jeden Hektar der Landesforsten detaillierte Informationen über den Boden, Wasserhaushalt und sogar die sich für einzelne Baumarten ergebenden Risiken des Klimawandels vor. „Damit hielt das systemische Denken, das Waldboden und Bäume als Einheit mit gegenseitigen Wechselbeziehungen versteht, endgültigen Einzug in die forstliche Praxis“, erklärt Dr. Hans-Martin Hauskeller, Leiter der Abteilung Wald und Umwelt in der Zentrale der Landesforsten in Braunschweig.

„Die damals bei der Wiederaufforstung eingesetzten Verfahren sind nicht mehr Stand der Technik. Oftmals wurden die Flächen vollständig geräumt, Wurzelstöcke mit schwerem Gerät entfernt und zusammen mit dem gesamten Humus zu Wällen aufgetürmt. Nicht selten wurde der Waldboden auch mit schweren Pflügen vollständig umgebrochen und anschließend maschinell bepflanzt“, blickt Hauskeller zurück. Derartige Verfahren gehören aufgrund ihrer negativen Folgen insbesondere für den Nährstoffhaushalt der Waldböden mittlerweile der Vergangenheit.

Einsatz moderner Technik

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Die rasche Aufarbeitung gelang auch dank des erstmaligen Einsatzes von Vorläufern heutiger Holzerntemaschinen  © Niedersächsische Landesforsten

Die Lehren aus dem Sturm beschränkten sich jedoch keinesfalls auf Rückschlüsse für die Entwicklung künftiger Wälder. Vor allem im Bereich der Forsttechnik bedeutete der Sturm einen Quantensprung: Die Aufarbeitung der Schäden im Bereich der heutigen Landesforsten konnte nicht nur dank des Einsatzes zahlreicher Waldarbeiter aus dem europäischen Ausland bereits nach anderthalb Jahren abgeschlossen werden. Auch bis dahin in Niedersachsen weitgehend unbekannte Holzerntemaschinen aus Skandinavien kamen erstmalig zum Einsatz. „Die tragisch hohe Anzahl von 22 bei der Aufarbeitung der Schäden tödlich verunglückten Waldarbeitern markierte ebenfalls einen Wendepunkt: Bis dahin kaum eingesetzte Sicherheitskleidung wurde zur Pflicht, Arbeitsschutz zur Priorität“, erklärt Klaus Jänich, Vizepräsident der Niedersächsischen Landesforsten. Mit Blick auf den Holzmarkt, der binnen kürzester Zeit Holzmengen aufnehmen musste, die sonst über Jahre verteilt anfielen, kamen erstmalig Nasslagerplätze zum Einsatz. Andere Teile des angefallenen Schadholzes wurden nach Süddeutschland oder Skandinavien transportiert.

Die damals geschädigten Wälder heute

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Etwa 50-Jähriger Bestand aus Wiederaufforstung nach 1972 © Niedersäsische Landesforsten

Bereits Mitte der 1970er-Jahre waren – auch dank finanzieller Unterstützung des Bundes – die Wiederaufforstungen im Bereich der heutigen Landesforsten weitgehend abgeschlossen. Den Startschwierigkeiten der jungen Setzlinge zum Trotz, die auf großen Freiflächen unter Trockenheit, zu starker Sonneneinstrahlung, Frost oder Wildverbiss litten, haben sich die damals aufgeforsteten Flächen mittlerweile zu geschlossenen Wäldern entwickelt.

In den damaligen Schadschwerpunkten in der zentralen Heide oder im Oldenburger Land erfolgten bereits mehrfache Pflegeeingriffe, bei denen nutzbare Holzsortimente angefallen sind. „Wir sehen heute, welche damaligen Entscheidungen zum Erfolg geführt haben. Dort, wo man differenziert vorging, finden wir heute viele Waldbilder, die uns auch für die aktuelle Wiederbewaldung nach Schadensereignissen, wie beispielsweise im Harz, Hoffnung geben“, so Hauskeller abschließend.