Tschechien

Tschechiens Wäldern läuft die Zeit davon

Ein Artikel von Aleksandra Fedorska und Tadeusz Rawa | 07.04.2020 - 08:14

Hier hat er sich eingefressen“, sagt Förster Miroslav Matoušek und zeigt auf die kleine Öffnung in der Rinde einer Fichte. Rund um sie liegt ein Teppich aus Nadeln. „Das ist ein klares Zeichen dafür, dass dieser Baum keine Chance mehr hat und so schnell wie möglich gefällt werden sollte.“
Das 5700 ha große Waldgebiet liegt in der Nähe von Žďár nad Sázavou in Tschechien. Die Wälder befinden sich hier in Privatbesitz des Grafen Constantin Kinský. Der Vater des Grafen, Radslav Kinský, kam 1994 aus Frankreich zurück und erhielt die Burg, die Ländereien und Wälder, die seiner Familie gehörten – bis diese durch die Kommunisten enteignet worden waren. Seit dem Tod seines Vaters im Jahr 2008 setzt Constantin Kinský die aufwendige Renovierung der Burg fort. Das Gebäude gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ansonsten führt der Graf das Landwirtschaftsunternehmen, das neben den Wäldern aus 210 ha Ackerflächen und einer Fischzucht besteht, die sich auf eine Wasserfläche von 750 ha erstreckt.

„Im Jahr 2018 mussten wir 40.000 fm abholzen, davon waren 10.000 fm vom Buchdrucker befallen. 2019 begannen wir mit einem 10-jährigen Zyklus mit einer Genehmigung für die Abholzung von 60.000 fm. Etwa die Hälfte davon war befallen. Dabei waren es 2017 nur etwa 2 bis 3% der Bäume gewesen“, sagt Graf Kinský.

Für die tschechische Forstwirtschaft waren die vergangenen zwei-drei Jahre katastrophal. Üblicherweise werden in diesem Land jährlich 20 Mio. fm abgeholzt. Im Jahr 2019 waren es aber 40 Mio. fm, da dies wegen des Borkenkäfers notwendig geworden war. Die Preise für das Fichtenholz fielen daraufhin um 60%. „Das gilt sowohl für uns als auch die anderen Waldbesitzer, die Forstwirtschaft bringt nur Verluste mit sich und frisst im rasenden Tempo unsere Reserven auf“, meint Tat’ána Šebastová, die Finanzleiterin des Forstbetriebes von Constantin Kinský. Langfristig muss der Betrieb die auf Fichten ausgerichtete Monokultur aufgeben und diese durch andere Baumarten ersetzen. Zu empfehlen sind vor allem Laubbäume, wie Buche, Eiche, Birke und Ahorn.

Wie kann es unter diesen Bedingungen weitergehen?
„Wir bereiten uns auf drei mögliche Alternativen vor,“ sagt Con­stantin Kinský. „Wir machen weiter wie bisher und holzen ab und verlieren so bis zu 20% unseres Waldes, was sehr kostspielig ist. Oder wir verlieren die Hälfte unseres Baumbestandes und hoffen einfach zu überleben. Ebenso gut könnten wir alles verlieren und würden dann wiederaufforsten, sodass unsere Enkel was davon haben werden. Bis jetzt hat der tschechische Staat, der rund die Hälfte der Wälder des Landes besitzt, wenig für uns getan,“ meint Graf Kinský. „Es werden mehr Probleme geschaffen, als gelöst.“ Kinský macht darauf aufmerksam, dass sich der Borkenkäfer gerade in den staatlichen Wäldern besonders gut entwickle und vermehre, da die Reaktion dort nicht professionell und schnell genug erfolge. Eine mögliche Lösung und eine tatsächliche Unterstützung können darin bestehen, dass die Forstwirtschaft etwas von den Einnahmen für die CO2-Zertifikate erhält. Schließlich sorge sie dafür, dass die Emissionen absorbiert werden und frischer Sauerstoff bereitsteht.

Die Rolle der Kirchengüter
Die Kirchen haben in Tschechien ihre Waldbestände vom Staat erst im Jahr 2013 zurückerhalten. Das katholische Erzbistum in Olmütz besitzt 42.000 ha Wald und ist damit der größte private Waldeigentümer. Rund die Hälfte des zum Erzbistum gehörenden Waldes liegt in den Bergen von Jeseníky im Nordosten des Landes, wo die Grenze zu Polen verläuft. Dort hat der Borken­käferbefall begonnen und ist die Situation heute am schlimmsten. Einzige Ausnahmen sind Wälder, die über 1000 m liegen.
„Dort ist es kühler und die Sommersaison kürzer, deshalb ist der Buchdrucker da weniger aktiv und hat weniger Fortpflanzungszyklen“, erklärt Petr Skočdopole. „Es besteht die Chance, dass es uns gerade dort gelingt, einen Teil unserer Fichtenwälder zu retten und sie durch andere Baumarten zu bereichern.“ Die Fichtenwälder sind nach Meinung des Experten nicht mehr zu retten. Momentan gehe es eigentlich nur noch darum, den Prozess der Wiederaufforstung so nachhaltig wie nur möglich zu gestalten. „In den höher gelegenen Abschnitten setzen wir zur Hälfte Fichte und Buche, während weiter unten Tannen und andere Laubbäume gepflanzt werden,“ erzählt Petr Skočdopole.
„Die niedrigen Preise für das Fichtenholz führen dazu, dass unser Betrieb nichts mehr abwirft. Ich und die anderen tschechischen Waldbesitzer warten darauf, dass da oben mal was geschieht,“ beschwert sich Kinský.

Aleksandra Fedorska und Tadeusz Rawa veröffentlichen regelmäßig in deutschen, schwedischen, finnischen und polnischen Fachmedien: aleksandra.fedorska@onet.pl