Nutzung und Verjüngung im Steilgelände sind seit jeher eine Herausforderung für die Waldbewirtschaftung. Wenn man ausschließlich die Hangneigung als Abgrenzungskriterium für die verschiedenen Erntetechnologien heranzieht, dann sind rund 25% der österreichischen Waldfläche funktional als Seilgelände auszuscheiden. Steilhangharvester mit Raupenfahrwerken oder Windenunterstützung können im Übergangsbereich zwischen befahrbaren Lagen und Seilgelände (31-60% Hangneigung) zwar fahren, allerdings gibt es aufgrund der verfügbaren Harvesteraggregate Grenzen bei der Baumbearbeitung (BHD <50 cm) und auf sensiblen Böden ist eine Befahrung generell nicht erlaubt. Deshalb spielen für Verjüngungsmaßnahmen im Gebirgswald auch in dieser Hangneigungsklasse seilgestützte Holzerntesysteme eine bedeutende Rolle.
Traditioneller Planungsansatz
Seilsysteme sind in der Installationsphase sehr zeitaufwendig, weshalb zur Kostendeckung Mindestnutzungsmengen pro Trasse notwendig sind. In der Endnutzung wurde in der Vergangenheit als wirtschaftliche Mindestmenge für die Rückerichtung bergab ein Holzanfall von 1 fm je lfm Seiltrasse gefordert. Dies hat zur weitverbreiteten Praxis geführt, Endnutzungen im Altersklassen-System in Saumschlägen oder Kahlschlägen umzusetzen.
Die Verjüngung erfolgt mittels Aufforstung. Als eine Variante des Saumschlags ist auch ein Vorgehen mit Vorlichtung und im anschließenden Folgeeingriff Räumung in Verwendung. Eine fallweise vorhandene Naturverjüngung wird mittels Aufforstung ergänzt.
In der Zwischenzeit hat sich die Seiltechnologie weiterentwickelt. Die Mechanisierung der Aufarbeitung und Automatisierung von Teilprozessen bei der Seilrückung waren die wesentlichen Treiber für diese Entwicklung. Aber auch der Einsatz von neuen Hilfsmitteln wie etwa der von Kunststoffseilen haben die Installationszeiten deutlich verkürzt und auch ergonomisch verbessert. Moderne Seilsysteme können nicht nur effizient eingesetzt werden, sondern sind auch besonders boden- und bestandespfleglich. Neben der Rückung im Sortimentsverfahren ist die Seilrückung im Baumverfahren mit nachfolgender Aufarbeitung der Bäume mit dem Prozessor eine weitere Option, auch kleinflächige Nutzungen mit geringen Nutzungsmengen wirtschaftlich durchführen zu können.
Permanente Funktionserfüllung in Schutzwäldern
Auf 26,4% der österreichischen Waldfläche ist die Schutzfunktion laut Waldentwicklungsplan (WEP) als prioritär eingeschätzt. Soll Schutz vor gravitativen Naturgefahren (Lawine, Steinschlag, Erosion, Hangrutschung) erbracht werden, ist permanente Wirkung erforderlich. Diese Erwartung an die Ökosystemleistung „Schutzwirkung“ ist mit flächigen Nutzungen nicht zu erfüllen. Es besteht daher Bedarf an alternativen Nutzungs- und Verjüngungsmethoden. Auch in Standortschutzwäldern ist eine Dauerbestockung zur Erhaltung des Standortes anzustreben.
Baumartenvielfalt und -mischung im Klimawandel
Standortsangepasste Baumartenvielfalt und -mischung stellt den wichtigsten Hebel dar, um zukunftssichere Wälder unter Klimawandelbedingungen zu schaffen. In den österreichischen Bergwäldern ist der Anteil der Flächen mit aktuell drei oder mehr Baumarten zwar relativ gering, umso wichtiger ist jedoch der Erhalt und Ausbau dieser Baumartenvielfalt. Auch nur geringe Anteile von Mischbaumarten bieten zumindest das Potenzial bei der Etablierung einer weiteren Folgegeneration auf Naturverjüngung zurückgreifen zu können.
Durch schematische und homogenisierende Nutzungskonzepte wird jedoch oftmals die Baumartenvielfalt bei der Bestandesverjüngung reduziert. Was in solchen Situationen leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird, ist dann in späterer Folge nur mehr mit großem Aufwand mittels künstlicher Verjüngung zu sanieren.
Besondere ökologische Bedingungen auf Gebirgswaldstandorten
Licht ist einer der wesentlichen ökologischen Faktoren für die Bestandesverjüngung. Während in Tieflagen und auf gemäßigten Fichten-Tannen-Buchen-Bergwaldstandorten diffuse Strahlung für die Einleitung der Verjüngung ausreicht (Auflichten des Kronendachs, Seitenlicht), ist in Gebirgslagen direkte Einstrahlung erforderlich, um das für Wachstumsprozesse erforderliche Wärmeangebot zu sichern. Gleichzeitig werden Faktoren wie Schneeschub und -kriechen beziehungsweise Schneeschimmel zu möglichen begrenzenden ökologischen Faktoren. Hier sind gezielte Öffnungen des Kronendachs zur Steuerung von Einstrahlung, Schneeakkumulation und Ausaperung erforderlich. Auf südseitig exponierten trockenen Standorten sind Wasserversorgung und Feuchteverhältnisse zu berücksichtigen und zu große, der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzte Bestandesöffnungen zu vermeiden.
Angesichts der Anforderungen an Gebirgswälder und deren ökologischen Besonderheiten ist es notwendig, den waldbaulichen Handlungsspielraum bei Nutzung und Verjüngung von Bergwaldbeständen zu vergrößern.
Beispiel 1: Die Hiebsflächen werden als Schlitze ausgeführt, in der linken Trasse quer über das gesamte Trassenfeld, in der rechten Trasse jeweils einseitig versetzt. Die über das gesamte Trassenfeld gezogenen Schlitze bieten bei entsprechender Orientierung und Breite geeignete Bedingungen für Lärche und Kiefer. In den Folgeeingriffen werden die initialen Hiebsflächen hangunterseits erweitert. Das Beispiel ist auf drei Eingriffe ausgelegt, es würden also je Eingriff rund ein Drittel der Trassenfläche genutzt werden.
Beispiel 2: Ein teilflächiges Nutzungs- und Verjüngungskonzept, das buchtig ausgestaltete Hiebsflächen wechselseitig links und rechts der Trasse nutzt und ebenfalls auf drei Eingriffe ausgelegt ist.
Die Seiltrassen werden in den Folgeeingriffen wieder benutzt. Es ist auch möglich, für Folgeeingriffe eine neue Seiltrasse an der Rückegrenze der ursprünglichen Trassen anzulegen (Trasse C). Je nach Exponiertheit und Größe der zu verjüngenden Fläche können zwei bis vier Trassen gemeinsam bearbeitet werden. Die Intervalllänge hängt von der Verjüngungsgunst des Standorts und/oder der angestrebten Ungleichaltrigkeit des Folgebestandes bzw. der maximalen (wirtschaftlichen) Lebensdauer des zu verjüngenden Altbestandes ab und können zwischen rund 10 bis 15 Jahren und bis zu 30 bis 40 Jahren liegen.
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Grundlegende Überlegungen und Zusammenhänge
Hiebsmaßnahmen in Baumholzbeständen im Seilgelände müssen folgende Anforderungen erfüllen:
- Sicherung der geforderten Ökosystemleistungen (wie Schutz vor gravitativen Naturgefahren)
- Verjüngung eines möglichst breiten Baumartenportfolios
- effiziente und sichere Holzernte mit möglichst geringen Schäden an verbleibendem Bestand und bestehender Verjüngung
Die wesentlichen Einflussgrößen auf die Produktivität bei der Seilrückung (immer unter der Voraussetzung von zeitgemäßer Technologie sowie gut ausgebildeter und motivierter Waldarbeiter) sind:
- Baumvolumen (Stückvolumen)
- Fuhrbildung und -größe
- Trassenlänge (Rückedistanz)
- seitlicher Zuzug
- Rückerichtung (bergauf – bergab)
- waldbauliche Eingriffsart und -stärke
- Arbeitsverfahren (Baum- versus Sortimentsverfahren)
In Kenntnis dieser Zusammenhänge lässt sich für Nutzungs- und Verjüngungskonzepte in Gebirgswäldern folgender Rahmen ableiten:
- Nutzung erfolgt konzentriert auf Kleinflächen entlang der Seiltrasse (Seiltrassenabstand 50 m)
- Größe, Form und Ausrichtung der Hiebsflächen gestalten ökologische Bedingungen (direkte Strahlung, wärme, Feuchtigkeitsregime, Schnee) und sind entscheidend für den Verjüngungserfolg
- keine verbleibenden in Folgeeingriffen zu nutzenden Stämme auf kleinflächigen Hiebsorten vermeidet Schäden und steigert Systemeffizienz (höhere Stückmasse, konzentrierter Holzanfall, bessere Fuhrbildung)
- die räumliche Anordnung der Hiebsflächen erfolgt derart, dass bei Folgeeingriffen kein Zuzug zur Seiltrasse durch bereits bestehende Verjüngungskerne erfolgt (Rückegrenze)
- keine Einzeltrassen, wenn möglich mindestens drei bis vier Trassen pro Einsatzort (hat deutliche Auswirkungen auf die Montagezeit je Trasse)
- schräge Seiltrassen sind in der Praxis nicht sehr weit verbreitet, aber sie hätten zwei große Vorteile: bei einer Bergabrückung keine Gefahr durch abrollende Steine in Richtung Maschine (Arbeitssicherheit), außerdem entsteht keine direkt in der Falllinie verlaufende Erosionsrinne, die zu einer Wasserkonzentration führen kann (Ausgangspunkt für Rutschungen auf Forststraßen)
Unkritisch übernommene technische Vorgaben oder die Vorgabe von Mindesteingriffsmengen können Gefahren in sich bergen. So kann durch die Vorgabe von Mindestmengen für eine Seilrückung bei einem geringen Bestandesvorrat zu überstarken Eingriffen bis hin zum Kahlschlagzwang führen.
Deshalb sollen außer kostenorientierten Nutzenüberlegungen auch mögliche negative Auswirkungen und Risiken in die Entscheidungsfindung einbezogen werden. Formale Ansätze einer Technikfolgenabschätzung, wie sie in anderen Fachgebieten schon seit längerem eingesetzt werden, fehlen in Bezug auf Maßnahmen in der Waldbewirtschaftung allerdings weitgehend. Zur Beurteilung der Gesamteignung einer mehrdimensionalen Handlungsalternative (waldbauliche Eingriffsart und –stärke, eingesetztes Holzerntesystem, konkreter Lage der Seillinien vor Ort), sollten neben der Wirtschaftlichkeit des eigentlichen Nutzungseingriffes die Auswirkungen einer Alternative in Bezug auf die zu erbringenden Ökosystemleistungen, zu erwartende Schäden an Bestand, Boden und bestehender Verjüngung sowie Risken wie etwa Störungen durch Sturm, Schnee oder Borkenkäfer berücksichtigen.
Um für den Einzelfall zu einer guten Lösung zu gelangen, müssen die waldbauliche Leistungsspezifikation und die forsttechnische Erstellungsspezifikation unter Berücksichtigung von Risken aufeinander abgestimmt werden.