Die Blüte des Speierlings sieht man im Wald leider viel zu selten. Dies könnte sich aber künftig ändern. © BFW
Hunderte Tierarten ernähren sich von Nektar, Pollen aber auch den Blättern der Wildobstarten. Ihre Früchte sind eine wichtige Nahrungsquelle für viele Säugetierarten und Vögel. Darüber hinaus beleben sie das Landschaftsbild durch ihre auffällige Blüte und Herbstfärbung. Die Wildobstarten sind außerdem wertholzfähig – das gefärbte Holz von Elsbeere, Speierling und Wildbirne gilt als hart und sehr gesucht. Darüber hinaus eignen sie sich natürlich für die Gewinnung von Nicht-Holzprodukten, vor allem der Früchte.
Die Wildobstarten sind sie zudem überaus trockenresistent – das Potenzial dieser Arten im Klimawandel und in Hinblick auf die Erhaltung und Steigerung der Biodiversität insgesamt wird daher als steigend eingestuft.
Unterliegen nicht dem Forstlichen Vermehrungsgutgesetz
Für die Ausweitung des Anbaues muss allerdings darauf geachtet werden, dass geeignetes klimafittes und genetisch-identifiziertes Pflanzgut zum Einsatz kommt, um die genetische Adaptivität dieser Baumarten auf Klimaänderungen langfristig zu erhalten. Derzeit sind die Vorkommen oft stark fragmentiert und möglicherweise bereits genetisch verarmt.
Dazu kommt, dass die Arten nicht wie die meisten anderen Waldbaumarten dem forstlichen Vermehrungsgutgesetz unterliegen. Das heißt, für Elsbeere, Speierling und Wildbirne gibt es keine gesetzlichen Vorgaben zur Gewinnung von Saat- und Pflanzgut (Qualität der Bestände; Anzahl der zu beerntenden Samenbäume); daher muss beim Kauf von Vermehrungsgut von diesen Arten besonders darauf geachtet werden, wo und von wie vielen Mutterbäumen Saatgut für die Anzucht gesammelt wurde.
Derzeit erfolgt die Kunstverjüngung dieser verstreut vorkommenden Arten oft mit Vermehrungsgut unklaren Ursprungs. So kann es vorkommen, dass nur einzelne Individuen beerntet werden und das da-raus erzeugte Pflanzgut eine entsprechend geringe genetische Vielfalt aufweist. Auf diese Weise verbreitetes Vermehrungsgut kann lokal sogar negative Effekte auf die genetische Vielfalt einer Population haben, wenn kleine Populationen damit „überschwemmt“ werden. Nur wenn Pflanzgut mit ausreichender Vielfalt verwendet wird, können sich diese Arten langfristig etablieren und Inzuchteffekte (wie sie etwa vom Speierling schon bekannt sind) sowie Enttäuschungen im Wuchsverhalten vermieden werden.
Durch die fortschreitende Zersplitterung der Vorkommen entsteht eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale der genetischen Vielfalt, die letztlich unweigerlich zum Aussterben von Vorkommen und sogar Arten führen kann: Im kleiner werdenden Vorkommen geht durch Paarungen zwischen verwandten Individuen genetische Vielfalt verloren, was das Aussterben beschleunigt – durch Inzuchteffekte sinkt zudem die Vitalität der Nachkommen.
Die Früchte der Elsbeere sind nicht nur bei Vögeln beliebt, sondern auch bei den Erzeugern von Edelbränden. © BFW
Erhaltung der genetischen Vielfalt
Das Waldfonds-Projekt Wildobst hat sich die Erhaltung der genetischen Vielfalt und Überlebensfähigkeit dieser Baumarten zum Ziel gemacht. Im Projekt sollen Verfahren zur Abschätzung beziehungsweise Messung der genetischen Variation dieser Waldbaumarten angewendet werden, um die zerstreuten Vorkommen hinsichtlich ihrer genetischen Variation sowie ihrer Eignung als Saatguterntebestände sowie als Generhaltungswälder zu bewerten und auch den Wissensstand über regional geeignete Provenienzen zu vergrößern.
Dies wird zunächst durch die Kartierung und Beprobung der größten verfügbaren Vorkommen erreicht. Ausgewählte Probebäumen werden anschließend mit molekulargenetischen Methoden untersucht, um die genetische Vielfalt der Ursprungsbestände zu beurteilen und den Austausch der genetischen Vielfalt zwischen den zerstreuten Vorkommen abschätzen zu können. Zusätzlich werden in die Untersuchungen auch zwei bestehende Saatgutplantagen einbezogen, um deren genetische Vielfalt ebenfalls zu erfassen und zu erforschen, ob dort die natür-liche Vielfalt ausreichend erfasst ist. Insgesamt wurden bisher etwa 1000 Elsbeeren, 250 Speierlinge und 400 Wildbirnen beprobt.
Datenbasis schaffen
Für Wildobstarten sind bisher kaum Verbreitungsmodelle verfügbar. Ursache dafür ist vor allem das zerstreute Vorkommen dieser Arten und die daraus folgende geringe Datenbasis, die als Voraussetzung unabdingbar ist. Im vorliegenden Projekt sollen zur Erstellung der Modelle daher verschiedenen Datenquellen kombiniert werden. Diese sind:
- europaweit verfügbare Vorkommensdaten von Waldinventuren
- zusätzliche Daten der österreichischen Waldinventur
- Daten aus der Datenbank europäischer Generhaltungswälder (EUFGIS)
- Daten österreichischer Vegetationskartierungen der Bundesländer sowie des Umweltbundesamtes
- sowie eigene Kartierung im Rahmen des Projektes
Aus den bekannten beziehungsweise im Projekt neu erarbeiteten Verbreitungsdaten wird über Klima- und – soweit vorhanden – Standortsmodellierung, auch das künftig geeignete Anbaugebiet in Österreich bestimmt. Die gewonnenen Daten werden an die Praxis kommuniziert, um die Umsetzung der Ergebnisse zu beschleunigen. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu verwendet werden, eine Strategie zu entwickeln, um die bestehenden Populationen zu vernetzen und so nachhaltig abzusichern.
Das Holz des Speierlings hat eine sehr ansprechende Farbe und kann vielseitig verwendet werden. © BFW
Modellregion Wienerwald
Als Modellregion dafür wird der Biosphärenpark Wienerwald genutzt, da hier bereits ein größeres Vorkommen der Wildobstarten bekannt ist. Die Vorkommen sind allerdings auch dort zerstreut und unterschiedlich groß. Um die zukünftige Bereitstellung von hochwertigem Pflanzgut aus heimischen Quellen zu gewährleisten, werden zunächst Erntebestände basierend auf forstlichen Qualitätsmerkmalen und hoher genetischer Vielfalt ausgewählt. Zusätzlich wird aus den dokumentierten Probebäumen eine Selektion für die Erweiterung der bestehenden Samenplantagen und die Neuanlage von Saatgutplantagen getroffen. Saatgutplantagen sind besonders wichtig, da durch das zerstreute Vorkommen oftmals keine Erntebestände ausgewiesen werden können oder die Beerntung unrentabel ist. Die Saatgutplantagen sind als langfristige, nachhaltige Strategie zu sehen, während die Erntebestände sofort erntereifes Saatgut liefern.
Die Daten aus der Kartierung liefern uns auch wichtige Informationen über Populationen, die zwar die phänotypischen und genetischen Qualitätsanforderungen erfüllen, aber erst in Zukunft als Erntebestände infrage kommen. Gründe dafür könnten sein, dass zu wenige Bäume im fortpflanzungsfähigen Alter sind oder dass zuvor forstliche Pflegemaßnahmen durchgeführt werden müssten – etwa eine Kronenöffnung, um die Fruchtbildung zu fördern. Für diese potenziellen Erntebestände werden entsprechende Empfehlungen ausgearbeitet. Aus den Daten der genetischen Analysen können weiters besonders wertvolle und schützenswerte Vorkommen identifiziert und als Generhaltungswälder vorgeschlagen werden. Diese könnten in Folge auch für die Gewinnung von Saatgut genutzt werden, da die Widmung als Generhaltungswald die Nutzung als Erntebestand nicht ausschließt.
Zersplitterte Vorkommen wieder vernetzen
Ein weiterer Teil der Strategie ist die beispielhafte Entwicklung von Ausbreitungskorridoren für stark zersplitterte Vorkommen im Biosphärenpark Wienerwald. Zentrales Anliegen ist der Schutz von Einzelbäumen und kleinen Populationen, um den Genfluss zu erhalten und eine genetische Verarmung durch Inzucht zu verhindern. Dies soll durch die Planung und Anlage von Trittstein-Anpflanzungen, um fragmentierte Populationen wieder zu vernetzen, geschehen. Diese übernehmen die Funktion von „Zwischenstationen“ für bestäubende Insekten und samenvertragende Wirbeltiere und erleichtern so den genetischen Austausch und die Fruchtbildung. Besonders bei insektenbestäubten Baumarten wie dem Wildobst ist diese Art der Vernetzung sehr effektiv.
Alle diese Bemühungen laufen darauf hinaus, ausreichend hochwertiges Vermehrungsgut bereitzustellen, um die weitere Verbreitung dieser Baumarten auch durch entsprechende Wuchsleistung zu fördern und zu rechtfertigen. Dies soll langfristig dazu beitragen, die Folgen des Klimawandels abzumildern und den drohenden Biodiversitätsverlust aufzuhalten.
Wüchsiges Vermehrungsgut mit ausreichend genetischer Vielfalt ist beim Wildobst nicht selbstverständlich (hier: Keimlinge der Elsbeere). © BFW
Das Projekt wird aus Mitteln des Waldfonds der Republik Österreich gefördert. Projektpartner sind das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), der Verein Regionale Gehölzvermehrung, die Österreichischen Bundesforste (ÖBf), die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) und der Biosphärenpark Wienerwald.