Der Naturpark Karwendel ist der größte Naturpark Österreichs und das älteste Schutzgebiet in Tirol. Aufgrund seiner Topografie – der Achensee liegt auf 926 m Seehöhe und die meisten Gipfel in der Umgebung sind über 2.000 m hoch – verfügt das Karwendel über einen überdurchschnittlich hohen Anteil an natürlichen Lebensräumen, ist geprägt von jahrhundertelanger Alm-, Forst- und Jagdwirtschaft und dem Alpentourismus mit mehr als 50 bewirtschafteten Hütten und Almen sowie zahlreiche Möglichkeiten für unterschiedliche Formen des Alpinismus.
Die Arbeitsschwerpunkte des Naturparks liegen in den Bereichen Naturschutz, Erholung und Tourismus, Umweltbildung, Wissen und Forschung sowie Regionalentwicklung. Bekannte Plätze sind unter anderem der Große Ahornboden Hinterriß und das Museum Holzerhütte in Scharnitz. Es gibt außer einer Mautstraße keine verkehrstechnische Erschließung und nur einen dauerbesiedelten Ort mit 30 Einwohnern. Die Hälfte des Gebietes ist bewaldet, davon fallen 70% ins Revier der Österreichischen Bundesforste (ÖBf), die 101 Almen sind beliebte Ausflugsziele.
Naturpark-Ranger seit 2010
Im Rahmen eines INTERREG-Projektes erfolgen Besucherzählungen durch Sensoren. Die 1,1 Millionen Gäste verteilen sich recht unterschiedlich, führt Sebastian Pilloni, Naturpark-Ranger (Naturpark Karwendel), aus. So gibt es Orte im Naturpark, an denen die Mountainbiker überwiegen und kaum Wanderer hinkommen und umgekehrt. Diese Erhebungen stellen die Basis für die Darstellung der Nutzungsunterschiede auf großflächigen Karten und in der Folge für Managementpläne sowie den Einsatz der Ranger. Dieses Naturpark-Ranger Team wurde im Naturpark Karwendel 2010 entwickelt und besteht heute aus acht Personen. Deren Aufgaben liegen vor allem in der Besucherlenkung, sie werden als Experten, als Informanten und Bindeglied wahrgenommen.
Das Forstrevier Achensee erstreckt sich von der bayrischen Grenze im Norden über die Forstreviere östlich und westlich vom Achensee und im Süden bis zur Wasserscheide zum Inntal, Stanser Joch. Die Jahresniederschlagmenge beträgt 2.000 mm – gut nachvollziehbar, wenn man bei der Exkursion im strömenden Regen steht, die Landschaft rundum ein wunderbar sattes Grün zeigt und die Berge in Nebel verhüllt unsichtbar sind. Revierleiter Klaus Teveli (ÖBf) erzählt vom Windwurf 1955 in Pertisau, wo 155.000 Efm Holz lagen und von Weihnachten 2017, wo dieselbe Fläche wiederum betroffen war. Der Einschlag im Revier beträgt 7.000 Efm, wovon 4.000 Efm aus Vornutzungen stammen. Die Bewirtschaftung der Wälder ist jagdlich ebenso herausfordernd wie in erntetechnisch. Nur in kurzen Zwischensaisonen – beispielsweise das Zeitfenster zwischen dem Ende der touristischen Wintersaison bis zur Öffnung der Almen Ende April – können die Straßen zur Holzabfuhr gesperrt werden. Die Jagd wiederum ist abgestimmt auf die touristische Nutzung sehr früh am Morgen oder sehr spät am Abend möglich. Das lernfähige Wild findet sich beispielsweise in der Brunft auf den Wiesen neben den Hotels und kann nur beim An- und Abwechseln bejagt werden. Insgesamt gibt es wenig Rotwild, viele Rehe, gute Gamsreviere, Gämsen – auch bis in die Tallagen – und Steinböcke.
Diskussion im Regen: ehemalige Weidefläche, genutzt, eingezäunt – wie kann es weitergehen? © Simon Kätzler
Drei unterschiedliche Flächen
Bei der Besichtigung von drei sehr unterschiedlichen Flächen im Forstrevier Achensee wird auch die Unterschiedlichkeit von Standorten sowie die Bedeutung der diversen Bewirtschaftung rasch und deutlich sichtbar.
Die erste Fläche ist eine ehemalige Windwurffläche (Föhnsturm) aus dem Jahr 1955, die mit Zug- und Stangensägen aufgearbeitet wurde. Die Rückung erfolgte mit Pferden, beschäftigt waren insgesamt rund 300 Personen. Die Wiederaufforstung erfolgte mit Schneesaat. Da es damals noch keine anerkannten Saatgutbestände gab, wurde die japanische Lärche eingebracht. Diese bereits durchforsteten Bestände wurden 2017 wiederum durch einen Föhnsturm stark durchrissen. Die Naturverjüngung kommt gut – Ahorn, Vogelbeere, Buche und Fichte, die Tanne fehlt, die Lärche ist die japanische. Diese ist stabil und wächst gut, wirtschaftlich jedoch uninteressant wegen Schlangenwuchs und unbrauchbarem Holz. Eingebracht wird Tanne, nachgebessert mit Lärche und Fichte. Zusammenfassend: Das Laubholz kommt gut, die Tanne fehlt oder benötigt viel Hilfe. „Was kommt, das wächst, die bringt man nicht weg“, antwortet Egon Fritz, Forstbetriebsleiter Oberinntal (ÖBf), auf die Frage nach dem Umgang mit der japanischen Lärche. „Fehler, die passiert sind, bleiben.“
Es folgt eine Versuchsfläche – ein Weideboden, der nach einer Harvesternutzung 2012 gemeinsam mit den Weideberechtigten eingezäunt wurde. Die Naturverjüngung sind Vogelbeeren und Fichte, später gefolgt von Lärchen, auch Tannen sind sichtbar, die Buche fehlt. Eine starke Bejagung ist notwendig, Vogelbeeren und Tannen sind verfegt und verbissen. Auf die Frage nach der Zukunft der Fläche, erläutert Walter Amann, Vortragender vom Vortag, Obmann Waldverein Vorarlberg, seinen naturnahen Ansatz. Förderung der Hauptbaumarten hin zu einem Mischbestand mit Tanne, Lärche, Ahorn und wenn möglich auch Buche, wobei bei der Tanne auch ein größerer Arbeitseinsatz berechtigt ist. Das bedeutet gezielte Dickungspflege und Mischbaumartenregulierung. Die Maßnahmen widersprechen nicht dem Schutzstatus eines Landschaftsschutzgebiets, wo die Kulturlandschaft erhalten werden soll.
Spannend ist der Blick von dieser Fläche auf den Gegenhang zu den sogenannten „Gamsschlägen“, die 2001 abgedeckt wurden. Dort ist der Laubholzanteil sehr hoch – Ahorn und Buche, wächst rasch und gut, die Buche extrem stark. So wurden auf dieser Fläche zuerst Fichte, Tanne und Lärche priorisiert und 2017 noch Lärchen nachgesetzt. Ohne die aktive Freistellung von Tannen und ohne das Zurückdrängen der Buchen wäre dort kein Mischbestand möglich. Angesichts dieser beiden so nahen und sich so unterschiedlich entwickelnden Standorten verweist Egon Fritz auf den Vortragenden vom Vortag Ulrich Schraml, Präsident des Deutschen Forstvereins, und betont die Notwendigkeit von „mehr Freiheit und weniger Regulation“ für die Forstarbeit. „Jeder Standort ist anders. Es ist unsere Aufgabe in der Forstwirtschaft und immer auf die natürlichen, gegebenen Bedingungen einzustellen.“
Naturschutz und Waldbewirtschaftung: Forstrevier Achensee und Naturpark Karwendel zugleich © Simon Kätzler
Vogelwelt im Karwendel
In diesem Sinne gilt auch das Praxishandbuch „Vogelschutz im Wald“ als Vorzeigeprojekt, das Anton Heufelder, Geschäftsführer des Naturpark Karwendel, vorstellt. Anstatt Managementpläne seitens Natura 2000 vorzugeben, wurden in Zusammenarbeit mit den ÖBf auf Basis der bestehenden Operate 2014 eine vogelkundliche Karwendel-Kartierung vorgenommen. Die zwölf Zielvogelarten, da-runter das Birk-, Hasel- und Auerhuhn, sowie zwei Kauz- und vier Spechtarten, der Vogelschutz- und FFH-Richtlinie entsprechend, fanden Eingang in die Operate. Die Praxishandbücher für „Schutz, Erhalt und Verbesserung der Vogellebensräume im Karwendel – Praxishandbuch für forstliche Maßnahmen ÖBf-Revier Inntal“ wurden auf die Reviere zugeschnitten. Im Handbuch finden sich Vogel- und Lebensraumbeschreibungen, Maßnahmen zur Förderung sowie Revierkarten mit Habitatsflächen. Ergänzend fanden praxisorientierte Fachexkursionen in den Wald statt. „Integrativer Naturschutz durch den Förster“, so betont Egon Fritz, „ist gut möglich und machbar.“
Die Schönheit des Naturpark Karwendels und gleichzeitig des Forstreviers Achensee zeigt sich beim Spaziergang zum Wasserfall, wo eine wunderbare Pflanzenwelt die Wege säumen, der Pfad durch einen Spirkenwald führt und nach Ende des Regens und Durchbruch der Sonne ein abschließender Blick auf die Gipfel möglich ist.