Der Buchdrucker graviert bei Fortpflanzung, Eiablage und bei dem Fraß der Larven unter der Rinde kunstvolle Muster. © ÖBf
Wie der Name bereits verrät, graviert dieser Winzling bei der Fortpflanzung, Eiablage und dem Fraß der Larven unter der Rinde kunstvolle Muster, die man an der Innenseite herabgefallener Rindenstücke häufig finden kann. Er bevorzugt Fichten, aber auch Lärchen, Kiefern oder Douglasien werden befallen.
Leider ist dieser Käfer ein soziales Tier: Bohrt er sich erfolgreich in eine Fichte ein, sendet er Lockstoffe –sogenannte Pheromone – an seine Artgenossen aus, die dann denselben Baum befallen. Es kommt in Folge zu einem Massenbefall. Die hübschen Gravuren unter der Rinde werden dabei so zahlreich, dass die lebensnotwendige Wasser- und Nährstoffversorgung von der Baumkrone zu den Wurzeln unterbrochen wird. Wie auch das Immunsystem beim Menschen, kann der Baum die unerfreulichen Mitbewohner mit seinem Harz abwehren, wenn es ihm gutgeht.
Unter der Klimaerwärmung ist der Stresslevel der Bäume jedoch erhöht und ausgerechnet die häufigste Baumart Österreichs, die Fichte, leidet inzwischen vielerorts massiv unter Hitze, Trockenheit und Stürmen.
Bei dem Einbohren in den Baum wird vom Käfer rostbraunes Bohrmehl produziert, ein frühes Anzeichen eines Borkenkäferbefalls. © ÖBf
Der Buchdrucker ist ein Klimawandelgewinner
Aus diesem Grund ist der unscheinbare Käfer in der Forstwirtschaft in den letzten Jahrzehnten zum meistgefürchteten Tier geworden. Die Förster suchen bereits vom Frühling bis zum späten Herbst intensiv nach rostbraunem Bohrmehl, einem frühen Anzeichen eines Borkenkäferbefalls. Die befallenen Bäume werden schnellstmöglich aus dem Wald gebracht oder vor Ort entrindet, um eine lokale Massenvermehrung der Käfer (Gradation) zu verhindern. Sind die Buchdrucker einmal zahlreich genug, können diese auch gesunde Bäume befallen und potenziell Nadelwälder ganzer Landstriche und Berghänge zum Absterben bringen. Die Käfer tragen im Verdauungstrakt oder am Außenskelett zumeist Bläuepilze mit sich (zumeist aus den Schlauchpilz-Gattungen Ophiostoma und Ceratocystis oder aus den Gattungen Leptographium bzw. Pesotum), die beim Einbohren in den Stamm gelangen und den Preis des Holzes wirtschaftlich gesehen zusätzlich stark vermindern. Das Zusammenleben mit den Pilzen ist symbiotisch und bringt somit den beiden assoziierten Arten einen Überlebensvorteil (Kirisits 2005).
Es ist eine Detektivarbeit, diese kleinsten Anwesenheitsspuren der Borkenkäfer im unwegsamen Gelände, bei wechselnden Witterungsbedingungen und auf großer Fläche ausfindig zu machen, wie der langjährige Forstmeister Johann Kammleitner des Nationalparkbetriebs Kalkalpen der Österreichischen Bundesforste zu berichten weiß. Die aufwendige Suche beginnt daher zumeist an bereits bekannten Befallsorten der Vorjahre, die regelmäßig zumindest im Abstand von zwei Wochen gezielt von Förstern aufgesucht werden, und weitet sich dann stückweise über die Fläche aus, erklärt er. Auf einer Karte des Nationalparks zeigt er, dass nur die Randbereiche des Schutzgebietes nach Buchdruckern abgesucht werden, um die an den Nationalpark angrenzenden Wirtschaftswälder vor den emsigen, kleinen Tieren zu schützen. In diesem Jahr wurden etwa 10.400 Efm vom Nationalparkbetrieb Kalkalpen in dieser Zone vor Ort entrindet oder entnommen. Dies ist, wie der Forstmeister ausführt, eine wichtige gesetzliche Verpflichtung von Schutzgebietsverwaltungen.
Borkenkäfersituation in Schutzgebieten
Doch wie ist die Borkenkäfersituation im Inneren eines Schutzgebietes zu beurteilen? Jeder Nationalpark dient der Forschung, Bildung und dem Biodiversitätsschutz gleichermaßen. Anders als in einem Forstbetrieb wird dort kein Holz produziert und die Wälder werden nicht aktiv für diesen Zweck bewirtschaftet. Hat der Borkenkäfer hier seinen Platz gefunden? Im Nationalpark, speziell in den innen liegenden Bereichen (Kern- oder Naturzonen), sollen die natürlichen, dynamischen Abläufe in der Natur sichtbar werden (Prozessschutz) und dazu gehört in unseren Breiten auch das flächige Absterben von Fichten nach Hitzesommern und Stürmen.
Die dabei entstehende, große Menge an Totholz führt dazu, dass seltene Arten wie der Dreizehenspecht, die prächtigen Bockkäfer, der Weißrückenspecht, der Luchs und viele Fledermausarten in Nationalparks wieder ein Zuhause gefunden haben. Zudem beherbergen diese silberfarbenen, ausgebleichten Wälder eine große Anzahl an Pilzen, Käfern und Schnecken. Es handelt sich zumeist um hoch spezialisierte Arten, die im Wirtschaftswald selten geworden sind. Unter den abgestorbenen Bäumen sind im Sommer zahlreiche Blütenpflanzen, Schmetterlinge, Eidechsen und Insekten aller Art zu finden. Der Anblick der abgestorbenen „Silberwälder“, die teilweise wie Mikadostäbchen in alle Richtungen verteilt liegen, ist nichtsdestotrotz für viele Menschen zunächst gewöhnungsbedürftig.
Die streng geschützte Waldfläche Österreichs beträgt aktuell 0,8% der Landesfläche und besteht zudem nicht ausschließlich aus Fichtenwäldern. Der Borkenkäfer führt in eben jenen jedoch ungefragt einen natürlichen Waldumbau nach seinen Vorstellungen aus. Dabei findet auch eine Klimawandelanpassung der Wälder statt.
Beispielsweise ist im Nationalpark Kalkalpen der Laubholzanteil nach Borkenkäferbefall und Windwurf seit 1992 um 25% gestiegen, wobei allein der Buchenanteil um gut 23% gewonnen hat. Die Fichte ist mit insgesamt –10% im Nationalpark vor allem unter 1.000 m Seehöhe stark rückläufig. Trotz eines unregulierten Borkenkäferbefalls in der Naturzone liegt der Vorratsaufbau auf der gesamten Fläche seit 1992 bei 400.000 Vfm. Nach der letzten, starken Gradation der Buchdrucker zwischen den Jahren 2009 und 2011 konnte in der Prozessschutzfläche des Nationalparks ein natürlicher Einbruch der Buchdruckerpopulation beobachtet werden, dessen Ursache wissenschaftlich bisher noch nicht eindeutig geklärt werden konnte.
Festzuhalten bleibt, der Borkenkäfer ist auf diesen Flächen ein guter Freund und Helfer, zudem Grundlage einer komplizierten Nahrungskette und hilft dem Artenschutz. Jedoch ist und bleibt das nur die eine Seite der Medaille.