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Fuß der Rutschung Hochreute, Gemeinde Hörbranz © Valentin Stilc / BML

Österreich

Jahresbilanz der Naturereignisse

Ein Artikel von Valentin Stilc, Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BML), Abt. III/4 Wildbach- und Lawinenverbauung und Schutzwaldpolitik | 13.05.2024 - 11:19
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Abgebrochene Konglomeratblöcke in Steyr © die wildbach

Wie schon 2022 startete auch das Jahr 2023 für die Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) ruhig. Die Temperaturen nach dem Jahreswechsel waren deutlich zu warm und der Niederschlag blieb weitestgehend aus. Mitte Januar zeigte sich dann aber ein meteorologischer Trend, der sich das ganze Jahr fortsetzen sollte: Trockenheit an der Alpennordseite und eine niederschlagsreiche Alpensüdseite.
In Vorarlberg, dem Tiroler Oberland, in Kärnten, der West- und Oststeiermark und im Burgenland wurden bis zu 35% mehr Niederschlag gemessen, im Klagenfurter Becken bis in die Karawanken sogar bis 50 % mehr. Vom Tiroler Unterland bis Wien wurden Anomalien bis +20% aufgezeichnet. In der Obersteiermark und Teilen von Ober- und Niederösterreich entsprachen die Niederschläge dem Klimamittel (GeoSphere Austria, Klimarückblick 2023).
Während sich im Januar die permanente Lawinenverbauung langsam füllte, waren es dann die Niederschläge im Februar, die zu aufgezeichneten Lawinenabgängen im Tätigkeitsbereich der WLV führten. Besonders betroffen war die Steiermark. Insgesamt konnten 2023 50 Lawinenabgänge (11,5% der Gesamtereignisse) von der WLV dokumentiert werden. Mehr als die Hälfte dieser Lawinen wurde als „Extrem“ eingestuft.

Steinschläge und Rutschungen
Am Beginn des Jahres 2023 verzeichnete die WLV nicht nur Lawinenabgängen, auch Steinschläge und Rutschungen (gravitative Massenbewegungen) waren aktiv. Besonders tragisch war das Ereignis am 8. Februar 2023. Nachdem an einer Konglomeratwand in Steyr-Unterhimmel Risse entdeckt wurden, die auf die Destabilisierung mehrerer 1.000 m3 Fels hindeuteten, übernahm ein Kärntner Spezialunternehmen den Felsabtrag. Mit dem kontrollierten Abtrag sollten die Häuser unterhalb geschützt werden. Kurz nach dem Beginn der Abtragsarbeiten brach die Felsnase im oberen Bereich ab. Rund 2.000 m3 Konglomerat stürzten in die Tiefe. Große Blöcke streiften die Häuser unterhalb, zerstörten eine Gartenhütte und beschädigten eine Garage. Tragischerweise wurden zwei Baggerfahrer unter den Felsmassen begraben. Beide konnten nicht lebendig geborgen werden.

Über ganz Österreich gesehen, spielten gravitative Massenbewegungen eine überdurchschnittlich große Rolle im Kompetenzbereich der WLV. Es konnten 51 Steinschläge (11,7% der Gesamtereignisse) und 55 Rutschungen (12,6% der Ereignisse) aufgezeichnet werden. Beispielsweise wurde durch die lang anhaltenden Niederschläge im April eine Großrutschung in der Gemeinde Hörbranz, Vorarlberg, aktiviert. Dabei konnten über mehrere Tage Bewegungsraten von etwa 1,5 m/Tag gemessen werden. Zwei Wochen nach Beginn der Rutschbewegung wurden bereits massive Schäden an fünf Gebäuden festgestellt. Ende August 2023 mussten drei Wohngebäude und ein Wirtschaftsgebäude abgerissen werden und zwei weitere Gebäude standen vor dem Abbruch. Mit einem Projekt der WLV wird nun versucht, die drei verbleibenden Gebäude im Einflussbereich der Rutschung erhalten zu können.

Ein weiteres Beispiel im Feuersbergerbach in der Gemeinde Globasnitz, Kärnten, zeigte einen zukünftig vermutlich häufiger auftretenden „Kaskadeneffekt“. Mit dem Starkregenereignis (etwa 300 mm) vom 4. bis 6. August kam es im Einzugsgebiet des Feuersbergerbachs nicht nur zu einem erhöhten Abfluss (HQ25 bei der Mündung). In einem Zubringer wurde eine 9 ha große Rutschung aktiviert und führte zu einem vorübergehenden Aufstau des Bachs. Der Rutschkörper konnte in weiterer Folge dem steigenden Wasserdruck nicht standhalten. Das aufgestaute Wasser setzte sich dammbruchartig in Bewegung. Gerinnesteilheit und Geschiebeverfügbarkeit bedingten daraufhin einen Murgang, der in Richtung Siedlungsbereich strömte und erhebliche Mengen Grünholz aus den Einhängen mit sich riss. Im Gerinne wurde entlang einer Strecke von 2.500 m Geschiebe bis zu 7 m hoch abgelagert. 

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Österreich: Jahresbilanz der Naturereignisse 2023 © die wildbach

Überdurchschnittlich viele Steinschläge
Insgesamt wurden 2023 von der WLV 435 Ereignisse dokumentiert:

  • 279 Wasserereignisse (64 %)
  • 55 Rutschungsereignisse (13 %)
  • 51 Steinschlagereignisse (12%)
  • 50 Lawinenereignisse (11 %)

Die registrierten Steinschlagereignisse sind auch unter langjähriger Betrachtung eine überdurchschnittlich hohe Beobachtung. Zur Bewältigung der Unwetterschäden führte die WLV 2023 140 Sofortmaßnahmen mit einem Gesamterfordernis von rund 12,5 Mio. € durch. Die größten Investitionen in diesem Bereich wurden in Tirol (4,3 Mio. €), dicht gefolgt von Kärnten (4,1 Mio. €) getätigt.

Investitionen und Maßnahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung
2023 wurden vom Forsttechnischen Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung 192,2 Mio. € in insgesamt 852 Baufeldern umgesetzt. Die Gesamtinvestitionen des Bundes für den Bereich Wildbach- und Lawinenverbauung betrugen einschließlich der Planungsleistungen (Gefahrenzonenplanung, Projektierung) 105,2 Mio. €. Der Schwerpunkt der Investitionen lag mit 64,0% wie in den Vorjahren in der Wildbachverbauung. Investitionen in den Lawinenschutz (6,4%) stiegen leicht und in Steinschlagschutz und Rutschungssanierung (4,4%) wurde gegenüber dem Vorjahr weniger investiert. Im Bereich der Flächenwirtschaftlichen Projekte, bei denen der Fokus auf nachhaltige Investitionen in den Objektschutzwald liegt, machten 2023 8,8% des gesamten Bauvolumens aus. In sonstige Projekte wurden etwa 16,4% investiert.
Der mittlere Bundesbeitrag an den Maßnahmen der Wildbach- und Lawinenverbauung lag bei 54,8%, jener der Länder bei 18,9% und die Interessenten (Gemeinden, Wassergenossenschaften, Wasserverbände und andere) finanzierten im Schnitt 26,3%.

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Österreich: Jahresbilanz der Naturereignisse 2023 © die wildbach