Österreichische Forsttagung

Dauerpatient oder Problemlöser?

Ein Artikel von Stephan Rechberger, Landwirtschaftskammer Ried-Schärding; Franz Reiterer, Reiterer Forstbüro | 16.08.2024 - 10:17
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Weißtanne folgt auf Fichte – ein Beitrag zur Klimaanpassung im Forst- betrieb Redltal. © Eckart Senitza

Trotz mannigfachem Nutzungsdruck durch Siedlungswesen, Landwirtschaft und Bergbau blieb im Hausruckgebiet samt angrenzendem Kobernaußerwald auf 25.000 ha ein zusammenhängendes Waldgebiet erhalten – ein Glücksfall für den regionalen Landschaftshaushalt, wie wir heute feststellen. Das Fornacher Redltal ist Teil dieser ausgedehnten Waldregion. Es liegt am Südhang der west-ost-verlaufenden Hügelkette des Hausrucks im Grenzgebiet der Bezirke Vöcklabruck, Braunau und Ried im Innkreis in einer Seehöhe von 500 – 700 m. Von Natur aus würden hier in der sub- bis tiefmontanen Höhenstufe (Fichten-)Tannen-Buchen-Wälder und bodensaure (Tannen-)Buchen-Wälder vorkommen. Durch die intensive Waldnutzung über Jahrhunderte sind vielfach fichtendominierte Ersatzgesellschaften entstanden. Diese sind zunehmend Kalamitätsrisiken ausgesetzt.

Risiken minimieren
1200 mm Jahresniederschlag, 7,5°C Jahresdurchschnittstemperatur, moderates Gelände sowie die Nähe zu Holzverarbeitungszentren waren lange Zeit die Zutaten einer ertragreichen Waldbewirtschaftung. Mit einer jährlichen Produktivität von 11,5 Vfm ist Vöcklabruck laut Österreichischer Waldinventur (ÖWI) der Bezirk mit dem höchsten durchschnittlichen Zuwachs je Hektar in Österreich. 
Diese forstwirtschaftliche Gunstlage wurde auch im Forstbetrieb Redltal für eine fichtendominierte Bewirtschaftung genutzt. Nach mehreren größeren Schneedruck- und Sturmschadensereignissen wird in dem 1230 ha großen Betrieb der Eigentümerfamilie Limbeck-Lilienau und Wirth nunmehr seit rund zehn Jahren ein Konzept zur Risikominimierung umgesetzt. Die Naturverjüngung wird hier als zentrales Instrument zur Risikovorsorge betrachtet. Durch zeitgerechte und dosierte Vorlichtung kann sich die Verjüngung etablieren. So werden bei Schadenseintritt großflächige Schlagblößen und teure Wiederaufforstungen vermieden. Durch die konsequente Bejagung von Rot- und Rehwild verjüngt sich Tanne durchwegs gut. Doch auch die Weißtanne hat zu kämpfen: Dem Befall von Tannentrieblaus wird durch langsames Abdecken der Naturverjüngung erfolgreich entgegengewirkt. 
„Der Dauerwald wird bei uns als weitgehend kahlschlagfreie Bewirtschaftung verstanden“, erläutert Förster Anton Weiglhuber, der seit 2007 den Betrieb im Team mit den Eigentümern führt. Dennoch auftretende Blößen und Freiflächen werden zur Anreicherung mit weiteren Mischbaumarten genutzt. „Auf labilen Feuchtstandorten praktizieren wir den Kurzumtrieb mit anschließender Aufforstung, etwa mit Schwarzerle“, führt Weiglhuber aus. Der zentrale Aspekt der Klimaanpassung sei somit die kleinflächige, standortsangepasste Waldbewirtschaftung. Risiken zu minimieren helfe, den Wald vom Dauerpatienten zu einem möglichst leistungsfähigen, klimarobusten Ökosystem weiterzuentwickeln, schildert der Förster die Strategie zur Klimaanpassung.

Die mittelfristige Erfolgssteuerung muss mit dem Waldbaukonzept abgestimmt sein.


Christian Huber, Ziviltechniker für Forstwirtschaft

Transformation braucht Information
Das kleinteilige standörtliche Mosaik ergibt sich in diesem Teil des Alpenvorlandes vorrangig durch die Geologie. Tertiäre Quarzschotter sind der Süßwassermolasse aus tonigen Schichten aufgelagert. An der Kontaktzone dieser geologischen Einheiten kommt es häufig zu Hangwasseraustritten. Dadurch entsteht ein engräumiger Wechsel aus trockenen Oberhängen, tiefgründigen Mittel- und Unterhängen sowie Flächen mit Wasserüberschuss. Das betriebliche Waldbaukonzept baut im Betrieb Redltal auf diesen drei standörtlichen Einheiten auf. Folglich ist die betriebliche Rahmenplanung nach Standortsbetriebsklassen gegliedert.
Die mittelfristige Erfolgssteuerung muss mit dem Waldbaukonzept abgestimmt sein, schildert Christian Huber. Er hat maßgeblich am aktuellen Wirtschaftsplan mitgewirkt. Die Forsteinrichtung nach Standortsbetriebsklassen hat bei unseren deutschen Kollegen eine lange Tradition, führt der Ziviltechniker aus. Für betriebliche Inventuren werden zunehmend vorhandene Fernerkundungsdaten einbezogen. Die vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) mittels künstlicher Intelligenz generierten Flächeninformationen hinsichtlich Baumarten und Holzvorräte sind in der praktischen Forsteinrichtung bereits gut nutzbar. Vor allem bei verfeinerten Waldbauverfahren ist eine Information über die Stärkeklassen unerlässlich. Daher gibt es im Betrieb Redltal eine permanente Stichprobeninventur.

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Pro Silva-Geschäftsführer Stefan Heuberger begrüßt die Exkursionsteilnehmer.. © Eckart Senitza

Lernen am Objekt
Eine weitere Möglichkeit zur Informationsgewinnung bieten Weiserbestände. Zum Monitoring der Dauerwaldbewirtschaftung dient das Projekt ReSynatWald – ein Referenzflächenprojekt von BFW und Pro Silva Austria zur langfristigen Dokumentation genutzter Dauerwälder.
Anhand eines rund 7 ha großen Beispielbestandes wurden vor Ort die Inhalte erörtert. Strukturreiche, bereits mehrschichtige Dauerwälder seien in Österreich jedoch noch selten, führten die Projektverantwortlichen Georg Frank (BFW) und Eckart Senitza (Pro Silva) aus. Am Objekt sowie anhand ökonomischer und ökologischer Fakten zu lernen seien wesentliche Ziele dieses Forschungsprojekts.

Systemversagen
Im zweiten Teil des Exkursionstages ging es um Abgeltung und Vermarktung von Waldleistungen. In Impuls-Statements fasste Franz Reiterer (Reiterer Forstbüro) die Ausgangslage zusammen. Hohe Schadholzquoten seien leider forstliche Realität. Sägerundholz hat in den vergangenen 50 Jahren real mehr als die Hälfte seines Wertes eingebüßt. Vielfach hat die Sorgfältigkeit der Waldbewirtschaftung darunter gelitten.
Lange Zeit hat das forstliche Konsensmodell gut funktioniert. Der Schutz vor Übernutzung des Waldes war vor 170 Jahren das zentrale forstgesetzliche Leitmotiv. Lange Zeit konnten forstgesetzliche Regelungen die Balance zwischen intakten Waldökosystemen, gesellschaftlichen Nutzungsansprüchen und auskömmlichen Erträgen sicherstellen. Mit zunehmender Globalisierung der Holzmärkte sei dieses System ins Wanken geraten. Holzerträge allein können ein harmonisches Zusammenwirken der Systeme (Ökosystem, Eigentümer, Gesellschaft) nicht mehr sicherstellen. Es offenbart sich ein forstliches Marktversagen. Neue Herausforderungen wie die Klimaanpassung können über die bisherigen forstlichen Märkte nicht finanziert werden. In der Klimakrise sollte der Wald vielmehr Problemlöser sein. Neue Lösungsansätze sind gefragt, wenn es um die Abgeltung von Ökosystemleistungen geht. 

Carbon-Credits
Der Ersatz fossiler Quellen durch nachwachsende Rohstoffe muss zentrales Ziel bleiben. Einige Betriebe sind mittlerweile in den CO2-Markt eingestiegen. Die LULUCF-Verordnung (Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft) der EU-Kommission reguliert allerdings die Anrechenbarkeit. Am Beispiel des Exkursionsbetriebes wurde über die Frage der geforderten „Zusätzlichkeit“ anschaulich diskutiert: Wären hier die Modelle „Vorratsaufbau“ und „Vorratserhalt“ möglich? In einem Diskussionsbeitrag schilderte Andreas Schreyer, Forstverwaltung Greinburg und Ingenieurbürobetreiber, dass bei passenden betrieblichen Rahmenbedingungen Carbon-Credits bereits ein interessantes Geschäftsmodell sein können. Überdies sei nach seiner persönlichen Erfahrung das deutsche Prämienmodell zur Abgeltung von Ökosystemleistungen in Höhe von 50 € pro Jahr und Hektar für Forstbetriebe durchaus interessant. 

Biodiversität 
Die Biodiversität im Wald ist zu einer zentralen Frage im forstpolitischen Diskurs geworden. „Greenwashing“ und Ökopopulismus sind längst Teil des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kräftemessens zwischen Waldbewirtschaftern und Wildnisbefürwortern geworden. Über die Biodiversität, deren Messbarkeit und Abgeltung wurde rege und kontroversiell diskutiert.

Wälder entwickeln nach dem S-Kurvenkonzept 
Die Schadensanfälligkeit vieler Wälder zeigt schon jetzt die Leistungsgrenzen des Systems auf: Kalamitäten nehmen zu, Erträge schwinden. Klimaanpassung erfordert ein adaptives Waldmanagement. Die Walderhaltung muss das zentrale Ziel sein. Es reicht nicht mehr, an bestehenden Schrauben zu drehen. Das S-Kurvenkonzept ist ein Instrument des strategischen Innovationsmanagements.
Laut Reiterer könne dieser Ansatz auch im Wald angewandt werden: Wenn das bestehende System an die Leistungsgrenzen stößt, muss zeitgerecht ein neues System aufgesetzt werden. Im forstlichen Kontext ist ein systemischer Lösungsansatz mit gesellschaftlicher Abgeltung von Ökosystemleistungen unerlässlich. Am Beispiel des Vertragswasserschutzes wurde ein konkreter Lösungsvorschlag präsentiert. Die Wälder im Redltal sind überdies Sinnbild für das S-Kurvenkonzept: Bevor es zu flächigen Waldverlusten kommt, wird die neue Waldgeneration aufgebaut. Sie ist arten- und strukturreicher und somit auch leistungsfähiger. (Über das S-Kurvenkonzept wird in einer der nächsten Ausgaben der Forstzeitung berichtet.)