Das Wild findet im klassischen Altersklassenwald wenig bis geringe Deckung und bei entsprechendem Kronenschluss wenig Äsung am Boden. Es bevorzugt die Randbereiche und Randlinien, wo es auf der Freifläche Äsung findet, im Anlassfall aber rasch in die Deckung flüchten kann. Die Bejagung ist/war an diesen Randbereichen am erfolgversprechendsten, die Jagdstrategien (wie etwa Position und Lage der Ansitzeinrichtungen) haben sich also bislang danach ausgerichtet.
Der Weg zum klimafitten Wald
Im Wesentlichen gibt es zwei Szenarien für den Zukunftswald.
- Umbau des bestehenden Waldes: Durch verschiedene forstliche Eingriffe in den unterschiedlichen Altersklassen des Waldes wird die Naturverjüngung eingeleitet und gefördert sowie die Stabilität der Altbäume verbessert. Je nach Standort, Alter und bestehender Baumartenzusammensetzung ist der Umbau mehr oder weniger rasch zu erreichen.
Aus dem Blickwinkel des Wildes werden dadurch wichtige Strukturen geschaffen. Ein Mosaik aus Deckung und Äsung entsteht. Das Wild bewegt sich im Bestand. Allerdings werden meist die Baumarten am liebsten verbissen, die für einen klimafitten Waldumbau besonders wichtig sind, wie beispielsweise die Tanne oder Eiche.
- Umbau nach einem Schadereignis: Schadereignisse treten meist großflächig auf. Egal, ob Windwurf, Käferkalamität oder Schneebruch, es kommt plötzlich viel Licht auf den Boden und die gesamte Vegetation startet mehr oder weniger gleichzeitig. Je nach Standort und Vorbestand entfaltet sich das volle Potenzial der Naturverjüngung, für das Bestockungsziel fehlende Baumarten müssen ergänzt werden.
Aus dem Blickwinkel des Wildes wird flächig Deckung und Äsung – noch dazu auf engstem Raum – geschaffen. Diese optimalen Lebensbedingungen lassen ein starkes Ansteigen der Wilddichte befürchten. Insbesondere Konzentratselektierer wie das Reh können dann in aller Ruhe die schmackhaften, aber für die klimawandelbedingte Baumartenanpassung umso wichtigeren Mischbaumarten wie Tanne und Eiche so weit zurückbeißen, dass sie von den nicht verbissenen Baumarten überwachsen und letztendlich ausgedunkelt werden.
Es besteht Gefahr, dass dadurch der Umbau zu baumartenreichen Mischbeständen nicht geschafft wird und wieder labile Reinbestände entstehen, die eigentlich vermieden werden sollten. Selbstredend, dass die Folgen dieser Entwicklung im Schutzwaldbereich noch viel dramatischer ausfallen.
Der Weg zum klimafitten Jäger
Die jagdliche Konsequenz beider Szenarien ist im Endeffekt gleich: Die Sichtbarkeit des Wildes nimmt aufgrund der reichlich vorhandenen Deckung ab. Die Bedürfnisse nach Äsung und Sicherheit werden im unmittelbaren Umkreis gedeckt, ein Ausziehen des Wildes auf eine Freifläche (Wildwiese oder Ähnliches) ist nicht mehr notwendig. Somit ist ein Warten am Rande dieser Flächen für den Jagenden wenig erfolgversprechend – der Jäger muss in den Wald.
Will man zum Jagderfolg kommen, sind jagdstrategische Flexibilität, eine genaue Kenntnis der neuen Strukturen im Wald und ein „Hineinversetzen“ in das Wild gefordert. Der flexible Ansitz an Wechseln zu „Magneten“ (wie Wildwiesen, Salz, Wasser) beziehungsweise im „Warteraum“, wo das Wild auf den Austritt auf Freiflächen wartet, aber auch die Anlage von „Krähenfüßen“ und Jagdschneisen (etwa verbreiterte Rückegassen) an fixen Ansitzeinrichtungen scheinen hier vielversprechende Lösungsansätze.
Die Pirsch erlebt mit modernem Schießstock und Wärmebild-Spotter ein „Revival“ und verspricht bei geeignetem Wetter (vor allem Wind) intensive Jagderlebnisse. Der sinnvolle und überlegte Einsatz unterschiedlicher Arten von Bewegungsjagden (mit/ohne Hunden und/oder Treibern) ermöglicht die effiziente Bejagung von großen Revierteilen oder des gesamten Jagdgebietes. Die Organisation und sichere Durchführung erfordern allerdings viel Erfahrung und Disziplin sowie erfahrene und sichere Schützen.
Unabhängig davon, welche Jagdmethode oder -strategie mit welchen technischen Hilfsmitteln eingesetzt wird: Die Basis für den Jagderfolg bleibt das Verständnis von Wild und dessen Lebensraum in Verbindung mit einer ständigen Weiterentwicklung der persönlichen jagdlichen Fertigkeiten!
Aufgrund der reichlich vorhandenen Deckung nimmt die Sichtbarkeit des Wildes ab. Flexible Ansitze an Wechseln zu „Magneten“ sowie Anlagen von Schneisen an fixen Ansitzeinrichtungen scheinen vielversprechend. © Bernhard Funcke / ÖBf
Effizient jagen im Wald der Zukunft
Nach diesem Grundsatz motivieren und unterstützen die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) ihre Jagdkunden, sich weiterzuentwickeln. Neben der Vermittlung der waldbaulichen Ziele und Herausforderungen vor dem Hintergrund des Klimawandels werden eine jagdstrategische Unterstützung in Form von Aus- und Weiterbildung sowie die Betreuung durch ÖBf-eigenen Revierjäger immer wichtiger. Dazu bieten viele ÖBf-Forstbetriebe Workshops, Seminare oder Vorträge zu Themen an: etwa Klettersitz und „Saddle Hunting“, Anschuss erkennen, richtig pirschen und viele mehr.
Österreichweit werden rund 85% der ÖBf-Fläche über Verträge durch Personen verwertet, die die Jagd in ihrer Freizeit ausüben. In der „Work-Life-Hunt-Balance“ ist für die Jagd oft wenig Zeit reserviert, wodurch Angebote um ein zeiteffizientes, aber nicht minder erlebnisreiches und weidgerechtes Jagen gerne angenommen werden.
Der aktuelle Schwerpunkt liegt in der (Weiter-)Entwicklung von Jagdmöglichkeiten mit räumlicher Flexibilität. Die Jagd im Bestand entlang von sogenannten „Dunkelbrücken“ (dunkle, dichte Bereiche, die besonders gute Deckung bieten), ist am erfolgversprechendsten. Fixe Ansitzeinrichtungen werden für das Wild durchschaubar und verlieren rasch an Wirkung. Die Lösung liegt in leichten, mobilen Sitzen, die nach Wildwechsel, Vegetationsentwicklung und vorherrschenden Wetterbedingungen zum jagdlichen Einsatz kommen.
Seit Jahren beschäftigen sich die ÖBf intensiv mit dem Klettersitz und sind von den Vorteilen überzeugt (mehr und früher Wild sehen und selbst nicht bemerkt werden, Sicherheit durch Kugelfang, räumlich mobiler Einsatz – siehe Klettersitz-Video im ÖBf-YouTube-Kanal). Durch einen intensiven fachlichen Austausch mit Anwendern aus dem In- und Ausland, aber auch mit Ausrüstungsproduzenten habe man sich eine Themenführerschaft in Österreich erarbeitet und treibe dieses Thema bei verschiedenen Veranstaltungen, wie etwa mit einem eigenen Stand bei der Hohen Jagd 2024 in Salzburg oder bei Seminaren in der Försterschule Bruck und der FFS Traunkirchen, weiter voran, so die ÖBf.
Klettersitz
Bei einem international besuchten ÖBf-Expertenworkshop im August im Forstbetrieb Waldviertel-Voralpen lag der Fokus neben dem Erfahrungsaustausch interner und externer Klettersitz-Anwender auf neuer sowie sicherer Ausrüstung, dem Entwickeln einer Kameradenhilfe und dem Kennenlernen des „Saddle Hunting“. Die Ausrüstung zur Selbstsicherung und Selbstrettung beim Klettersitz ist dank der engen Zusammenarbeit mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), der Firma Petzl und deutschen Experten mittlerweile optimiert und fixer Bestandteil jeder ÖBf-Klettersitzschulung.
Um im Falle eines Unfalles gewappnet zu sein, fanden heuer bereits Fremdrettungs-Trainings mit den Profis der NÖ-Bergrettung und mit Höhenrettern vom Notruf NÖ statt. Ergänzend dazu wurde beim diesjährigen ÖBf-Klettersitz-Experten-workshop auch eine einfache Methode für die schnelle Kameradenhilfe mit einem zweiten Klettersitz entwickelt. Diese Methode sowie der paarweise Einsatz von Klettersitzen werden künftig auch Bestandteil des ÖBf-Klettersitz-Schulungsprogramms sein.
Saddle Hunting
Zweiter Schwerpunkt des diesjährigen ÖBf-Klettersitzexperten-Workshops war das „Saddle Hunting“. Diese Methode wurde vor mehr als 30 Jahren im Rahmen der Bogenjagd in Amerika entwickelt. Kernstück ist eine sitzgurtartige Vorrichtung, die in Verbindung mit einem um den Baum geschlungenen Seil als Klettervorrichtung und Sicherung dient. Als Kletterhilfen fungieren Leitersegmente, die mit Reepschnüren am Baum befestigt werden. Um eine Vorstellung zu bekommen, empfehlen wir die YouTube-Videos vom „Jagdkollektiv“.
Durch das geringe Gewicht, das kleine Packmaß und die Möglichkeit, auch dicke oder gezwieselte Bäume zu nutzen, ist „Saddle Hunting“ beim Pirschen, vor allem aber im Gebirge, eine sehr interessante Möglichkeit, flexibel von Bäumen aus zu jagen. Die ÖBf-Experten sind in die Entwicklung einer entsprechenden Ausrüstung involviert, die auch den Anforderungen des Arbeitnehmerschutzes entspricht.
Fazit
Sollen die Grundfunktionen des Waldes auch im Klimawandel erhalten bleiben, sind Anpassungen in der Waldbewirtschaftung wie auch in den Jagdstrategien unabdingbar. Am Weg zu widerstandsfähigen, arten- und strukturreichen Wäldern ist die Jagd ein entscheidender Faktor. Durch den Waldumbau erhöht sich das Deckungs- und Nahrungsangebot im Wald, die bislang erfolgreiche Jagdstrategie an der Feld-Wald-Randlinie muss überdacht werden, da das Wild seltener auf Freiflächen austritt.
Die bisherigen Erfahrungen mit Klettersitz und „Saddle Hunting“ haben die Eignung als effiziente, räumlich flexible Ansitzeinrichtungen bestätigt. Im Sinne des Selbstschutzes sind Kurse zum richtigen Einsatz und sicheren Anwendung unbedingt zu absolvieren.