INTERVIEW RAOUL NARODOSLAVSKY

Smarte Reifen reifen lassen

Ein Artikel von Robert Spannlang | 19.09.2023 - 12:27

Herr Narodoslavsky, Nokian stellt erstmals einen „smarten“ Reifen vor, der den Sensor „Intuitu“ in sich trägt und auch für forstliche Zwecke einsetzbar ist. Was bedeutet das für den Anwender?
Raoul Narodoslavsky (RN): Nun, „smart“ bedeutet beim Intuitu, dass ein Sensor-Chip in den Reifengummi eingebettet ist, der die Daten für Reifendruck, Temperatur und Profilhöhe im Minutentakt auf die Anwender-App am Handy spielt und bei Auffälligkeiten Alarm schlägt. Dadurch ist man quasi permanent über die wichtigen Reifenparameter informiert. Die Daten für die Profilhöhe sind jedoch nur Rechengrößen, die sich aus den Arbeitsstunden und etwa aus den Reifenumdrehungen ermittelt werden. Wichtig ist jedoch, dass es sich beim Nokian Intuitu um einen schlauchlosen Reifen handelt.

Wird der Intuitu bald auch bei Harvestern und Rückezügen Einzug halten? Die werden ja vorwiegend mit Schlauchreifen bestückt.
RN: Ja, es gibt vielerorts noch Vorbehalte gegenüber den Schlauchlosen bei CTL-Maschinen (Harvester und Forwarder, Anm.). Auch, wenn diese Meinung ein wenig irrational ist: Tatsache ist, dass ein elektronisches Kontrollsystem, wie es jetzt unser Intuitu-Reifen hat, die Lebenszeit extrem erhöhen kann, weil er etwa einen Druckabfall – selbst einen schleichenden – anzeigt. Ein Walken des Reifengummis bei zu geringem Luftdruck – immerhin trägt ja die Luft und die Felge das Fahrzeuggewicht, nicht der Reifen – könnte bald der Vergangenheit angehören.

Kann der Sensor-Chip bei bestehenden Reifen nachgerüstet werden?
RN: Nein, die Intuitu-Ausstattung muss bei einem neuen Reifen gleich dazubestellt werden. Der Mehrpreis wird bei 200 €/Stück – eigentlich eine Bagatelle bei etwa 4.200 € Neupreis.

Warum hält Nokian jetzt die Zeit für einen smarten Reifen für gekommen?
RN: Die Arbeit mit Maschinen wird generell zunehmend digital. Das fängt an bei der Fernwartung der Erntemaschinen und endet bei Erfassung des Holzvolumens und der Stammausformung. Nur die Reifen waren bisher „unsichtbar“.  Dabei sind sie ein ganz entscheidender Faktor in einem sicheren, effizienten und ökonomischen Holzernteprozess. Denken Sie nur daran, dass über den Austausch eines kaputten Reifens rasch ein Arbeitstag verloren gehen kann. Übrigens wurde der Intuitu für den AUSTROFOMA-Innovationspreis 2023 nominiert.

Sie werden auf der AUSTROFOMA auch den TR Forest 2 vorstellen ...
RN:
Genau. Immerhin haben wir das Vorgängermodell 40 Jahre verkauft – und das sehr erfolgreich! Da darf man dann schon einmal ein aktualisiertes Modell auf den Markt bringen. Der TR Forest 2 baut auf den Stärken des Vorgängers auf und bringt einige Produktverbesserungen.

Welche Stärken hatte der Vorgänger und welche Verbesserungen sind das konkret?
RN:
Nun, der TR Forest ist ein Forstreifen diagonaler Karkassenbauart. Bei diesem sind – im Unterschied zur parallelen Karkassenanordnung etwa eines Pkw-Reifens – nicht nur die Laufflächen, sondern auch die Flanken durch eine mehrlagige Karkassenschicht geschützt. Es gibt für den neuen Reifen jetzt auch unsere stärkere Schulterpanzerung. Durch alle diese Maßnahmen steigt die Langlebigkeit des Forstreifens erheblich. Beim TR Forest 2 wurde die Tragfähigkeit auf einen Wert angehoben, der 16 Baumwolllagen entspricht. Zudem sind alle TR Forest 2 nunmehr für 50 km/h Dauerbelastung freigegeben. Schließlich sind alle Angaben bezüglich Abmessungen sowie Gewichts- und Geschwindigkeitskategorien jetzt zeitgemäß in metrischer Form angegeben. Die Größenangabe in Zoll steht auch klein darauf.
Was wird man sonst noch auf dem Nokian-Stand am Stuhleck bewundern können?
RN: Etwa den Forstreifen TRS2+, der Spezialist für 6-rädrige CTL-Maschinen. Dieser Reifentyp weist für das Single-Rad am Vorderwagen charakteristische Einkerbungen auf, damit Ketten oder Bänder besser sitzen. Gerade im Norden werden zur Bodenschonung immer häufiger Bänder verwendet. Das Band am Singlereifen sorgt nun dafür, dass die Traktionseigenschaften besser mit den bebänderten Reifen der Doppel-Bogieachse hinten übereinstimmen.

Was genau können die Einkerbungen leisten?
RN:
Gerade bei Lastfahrten bergab gibt es bei normalen Reifen mit Band oder Kette – durchaus beabsichtigt – zwar weniger Schlupf zwischen Rad und Untergrund, dafür aber zwischen Band bzw. Kette und Reifen. Das hatte in der Vergangenheit ziemliche Verspannungen und Verschleißerscheinungen am Reifen zur Folge. Die Einkerbungen sorgen dafür, dass die Kette oder das Band besser am Reifen sitzt und Schlupf kaum mehr möglich ist. Auch das erhöht die Lebensdauer der Reifen.

Auf der Swedish Forestry Expo in Stockholm war auch ein Niederdruckreifen zu sehen gewesen ...
RN:
Ja, das ist ein Reifen mit maximierter Lauffläche, der sich noch im Versuchsstadium befindet und noch länger nicht erhältlich sein wird. Derzeit laufen einige Testmaschinen in ganz Europa damit.

Die wie vielte AUSTROFOMA wird die kommende am Stuhleck für Sie
sein?

RN: Die zwölfte, denke ich. Mehr AUSTROFOMAS hat kaum wer anderer in der Forstbranche am Buckel (lacht).

Herr Narodoslavsky, besten Dank für das Gespräch!