Jagd-Hochstand.jpg

Jagd-Hochstand © Pixabay

MARION KRANABITL-SARKLETI IM INTERVIEW

Jagen – für heute und morgen

Ein Artikel von Robert Spannlang | 18.10.2024 - 10:13
Marion_Kranabitl-Sarkleti.jpg

Marion-Kranabitl-Sarkleti © Steirische Landesjägerschaft

Frau Kranabitl-Sarkleti, seit wann jagen Sie und wie ist Ihr Zugang zur Jagd?
Ich komme aus einer nicht jagdlichen Familie, die Jagd war mir also nicht in die Wiege gelegt. Ich bin über einen Jugendfreund zur Jagd gekommen. Das erste Interesse meinerseits war, den Fachjargon zu erlernen. Es hat mich geärgert, dass da eine Sprache gesprochen wurde, die ich als Mädel vom Land nicht verstand. Man hat über Tiere gesprochen, für die mir der Blick gefehlt hat. Das hat mich in den Jungjägerkurs geführt. Mein anfängliches Interesse war es tatsächlich nur, eine Bildungslücke zu füllen. Aber als ich die Jagdprüfung in der Tasche hatte, war es für mich sonnenklar, dass ich aktiv jagen würde. Das tue ich seither mit Begeisterung. Ich jage privat sehr viel – natürlich mit Pausen, schließlich habe ich zwei Kinder und einen verantwortungsvollen Job. Nun, die Kinder sind jetzt schon groß, und jetzt dreht sich mein Leben fast 24 Stunden am Tag um die Jagd.

Ganz abgesehen von Jagd als Hobby: Was war dann die erste Funktion, die Sie in der Jagd bekleideten?
Die einer Hegemeisterin in meiner
Heimatregion Bruck/Mur – als erste Frau Österreichs. Bei meiner ersten Abschussplanbesprechung war es so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Es war herausfordernd damals, ja, und es hat mich gut vorbereitet für meine  gegenwärtige Aufgabe. Ich habe dann die Aufsichtsjägerprüfung gemacht. Die Jagd erfordert lebenslanges Lernen – nicht nur draußen im Revier, sondern auch beim Sich-am-aktuellen-Wissenstand-Halten in der Theorie. Deshalb bin ich derzeit im Lehrgang zum akademischen Jagdwirt.

Wie tut man sich als Frau in dieser Branche, die immer noch sehr männlich geprägt ist?
Der Anfang war nicht leicht. Mein Vorgänger als Hegemeisterin hat seine sämtlichen Unterlagen an das Bezirksjagdamt geschickt, als er erfuhr, dass ihm eine Frau nachfolgen würde. Eine persönliche Einführung in mein Amt hat es nie gegeben. Das war am Anfang schon einmal ein Erstaunen. Aber Dinge haben sich seither zum Glück verändert. Männer sind es in vielen Sparten zunehmend gewohnt, dass sie mit gut ausgebildeten Frauen zusammenarbeiten. Männer, die das althergebrachte Frauenbild haben, werden sich auch künftig schwertun, Frauen in der Jagd zu akzeptieren. Ich bin es gewohnt, mit Männern zusammenzuarbeiten. Es kommt auch immer darauf an, wie man auf Menschen zugeht. Ich poche jetzt nicht auf dieses Frausein. Das mag ich umgekehrt auch nicht. Es soll Sachkompetenz und Hingabe zählen, und dabei ist das Geschlecht völlig irrelevant. Das erlebe ich jedenfalls so. Wir haben jetzt auch eine weitere Jägerin in unserem Vorstand. Manche Kollegen finden es sogar angenehm, wenn Frauen dabei sind, denn manche Dinge, die der Jagd auch sonst nicht guttun, passieren in der Gegenwart von Frauen weniger oft. Der Ton ist vielleicht auch etwas weniger rau.

Das kann nur positiv sein, denn heute hat die Jagd auch mehr öffentliche Aufmerksamkeit als früher, nicht wahr?
Ich bin davon überzeugt, dass das insgesamt der Jagd guttut, ja! Ich glaube auch, dass Frauen das Jagen ganz anders nach außen kommunizieren können. Ich habe festgestellt, dass die Akzeptanz durch Mitglieder der Gesellschaft steigt, wenn ihnen eine Frau die Anliegen der Jagd näherbringt.

Wie haben Sie sich als Juristin nach sieben Jahren als Geschäftsführerin der Steirischen Landesjägerschaft „eingelebt“?
Sehr gut, würde ich sagen. Man würde nicht so eine große Bandbreite an Tätigkeiten hinter dieser Funktion vermuten. Neben dem Regelbetrieb, der sich aus unseren Aufgaben als Körperschaft öffentlichen Rechts ergibt, war die Errichtung der Naturwelten eine besondere Aufgabe, aus der ich auch viel gelernt habe. Die steirische Landesjägerschaft hat viele jagdpolitische Belange, die zu berücksichtigen sind. Die Schießstätte im Zangtal, die sich in einem ehemaligen Bergbaugebiet befindet, wirft auch immer wieder neue Themen auf, die der Aufmerksamkeit bedürfen. Bis man da wirklich überall „drinnen“ ist, dauert es sicher ein bis zwei Jahre.

Wie viel „Juristerei“ ist in Ihrer Aufgabe enthalten? In welche Bereiche haben Sie sich einarbeiten können?
Sehr viel, da es wichtig ist, alle Vorgänge, die die Jagd berühren, auch aus dem juristischen Blickwinkel zu betrachten. Die Tätigkeit selbst ist ein interessanter Mix aus Managementaufgaben und vielen und vielen unterschiedlichen rechtlichen Aspekten. Meine juristische Ausbildung hilft mir dabei, möglichst frühzeitig zu erkennen, woraus sich juristische Themen für die Jagd entwickeln können. Das gilt es, möglichst frühzeitig zu erkennen. Mein Tag beginnt daher mit dem Überfliegen von vier Tageszeitungen. Rechtzeitiges Reagieren über Stellungnahmen, Presseaussendungen oder auch die österreichweite Abstimmung über die Landesjagdverbände oder Jagd Österreich sind wichtig. Zudem bieten wir auch Rechtsberatung für unsere Mitglieder an. Wir sind ja eng in die einschlägigen Gesetzgebungsprozesse eingebunden oder stoßen sie selbst an. Aber auch das sorgsame Beobachten, wenn Gesetze und Verordnungen in Begutachtung gehen – egal, ob auf Landes-, Bundes- oder europäischer Ebene – und die Abgabe von Stellungnahmen dazu zählen zu unseren Aufgaben. Hier haben wir die Jagdseite zu vertreten und dafür zu sorgen, dass jagdliche Belange berücksichtigt werden und in Gesetze Eingang finden.

So wie der Forstmann seine Z-Stämme und seinen Wald der Zukunft im Kopf haben muss, so ist es gesellschaftlich nicht vertretbar, Wildarten in einen völlig zusammengeschossenen Zustand zu bringen.


Marion Kranabitl-Sarkleti, Geschäftsführerin Landesjägerschaft Steiermark

Die 22. Jagdgesetznovelle ist seit Februar in der Steiermark in Kraft. Was hat sie an Neuerungen gebracht?
Die 22. Jagdgesetznovelle ist in großen Teilen von der steirischen Landesjägerschaft angestoßen worden. Hier mussten dringende Themen, die sich in unserem Jagdausschuss als Problemfelder herauskristallisiert haben, einer Lösung zugeführt werden. Auch von der Fachabteilung, vom Landesverwaltungsgericht und vom Naturschutz wurden Themen aufgegriffen, die in dieser Novelle Niederschlag gefunden haben. Wir haben jetzt einen neu geschaffenen Paragrafen 1a, der den Hegebegriff konkretisiert und auch moderner interpretiert im Sinne eines Wildmanagements. Hier wird genau definiert, was alles zur Jagd und zur Hege gehört. Unter „Hege“ wird landläufig allzu oft „Aufhege“ verstanden. Es galt, den Begriff „Wildmanagement“, den es zweifellos in der Kulturlandschaft braucht und der ein Teil der jagdlichen Leistung ist, zu konkretisieren. Sehr wesentlich war auch die Ausweitung von Wildschutzgebieten. In unseren Wildlebensräumen tummeln sich viele Erholungssuchende und Sporttreibende. Nirgends haben wir eine so hohe Dichte an Freizeitnutzern wie in den Alpen. Hier brauchen Wildtiere einfach Rückzugsgebiete. Hier haben wir schon vor fünf Jahren damit begonnen, um das Verständnis der alpinen Vereine dafür zu werben; erstens, dass es diese Wildschutzgebiete braucht – für frei überwinterndes Rotwild, für frei überwinterndes Gams- und Steinwild, aber auch für Auer-, Birkwild, Schnee- und Steinhuhn. Das konnten wir jetzt im Gesetz verankern. Das halte ich für eine ganz wesentliche Errungenschaft. Zweitens – auch im Sinne des Forst & Jagd-Dialogs – gibt es jetzt eine verpflichtende Besprechung des Bezirksjägermeisters mit der Bezirksverwaltungsbehörde inklusive der Bezirksforstinspektion im Vorfeld der Abschussplanung, um gemeinsam Trends zu evaluieren und Ziele festzulegen. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die bei Ausweitung des Jagdzeitraumes im Rahmen jagdlicher Sondermaßnahmen erlangten Trophäen sind abzugeben. Das soll kein rechtsfreier Raum werden. Schließlich schuf die Novelle auch die Möglichkeit, Nachtzieltechnik bei der Schwarzwildbejagung auf landwirtschaftlichen Flächen einzusetzen.

Gleichzeitig gibt es in benachbarten Bundesländern ebenfalls Jagdgesetznovellen. Warum sind da bei manchen Themen – etwa Kirrung, Rotwildfütterung, Nachtabschuss Rotwild – Ihrer Meinung nach so unterschiedliche Ansätze erkennbar?
Österreich bietet von Seewinkel bis zum Bodensee sehr unterschiedliche Kulturlandschaften, Wildlebensräume, Wildarten und Wilddichten. Es braucht daher auch unterschiedliche jagdliche Ansätze. Über allem steht natürlich das wildbiologische Wissen, der aktuelle Wissensstand im Fokus der Landesjagdverbände und der Gesetze. Unterschiedlichkeiten sind oft nur auf den ersten Blick tatsächlich welche. Die Steiermark ist das wald-, aber auch das rotwildreichste Bundesland Österreichs. Man hat hier einen Weg gefunden, das Thema Wirtschaftswald und angepasste Lebensräume für unser Rotwild zu verknüpfen. Das gilt auch im Winter. Deshalb gibt es bei uns dieses System von Wintergattern und Fütterungen. Dabei ist ein Drittel der Landesfläche rotwildfreie Zone. Das ist ein Zugeständnis an die Landwirtschaft und an den Verlust des Lebensraumes durch die dichte Besiedelung. Die Ziele sind ein Interessenausgleich und möglichst geringe Schäden.

Aber gerade bei der Rotwildfütterung gehen die Steirer andere Wege als Nieder- oder Oberösterreich, nicht wahr?
Die Situation in den jeweiligen Bundesländern ist auch unterschiedlich zu betrachten. Die Topografie und die Berücksichtigung vieler Interessen haben im Umgang mit unserer größten heimischen Säugetierart dazu geführt, Rotwild im Winter möglichst in Rückzugsgebiete mit Fütterungen – mit oder ohne Zaun – zu lenken. Dieses System bewährt sich nach wie vor. Wir sind in der Steiermark gerade in einem Dialogprozess einer Wildökologischen Raumplanung, die für großräumig lebende Wildarten auch eine großräumige Betrachtung im Management dieser Wildarten gewährleisten soll. Auf Bundesebene gibt es die Möglichkeit, Konflikte über den engen Zusammenschluss der Jagd Österreich abzubauen. Die Abstimmung unter den Landesjagdverbänden war noch nie so eng wie jetzt – auf den Ebenen der Landesjägermeister wie auch der Geschäftsführer.

Stichwort Wildökologische Raumplanung: Warum ist das übersektorale Zusammenwirken von Experten in der Wildfrage gerade jetzt so notwendig?
Weil die Interessen an unserer Kulturlandschaft immer massiver aufeinanderprallen. Damit steigen auch die Anforderungen an eine zeitgemäße Jagd, die in dieser Kulturlandschaft nicht nur Wild erlegt, sondern auch Wild lenkt. Dazu kommt, dass nach einem jagdlichen Eingriff eine Wildpopulation mit einer artgerechten Alters- und Sozialstruktur zurückbleiben muss, damit es dieser Wildart auch in Zukunft gutgeht. Nur dann können innerartliche Unruhe und Stress vermieden werden, aber auch erhöhte Reproduktions- oder Wildschadensraten. Die Wildökologische Raumplanung hat ihren Blick auf Populationen und Teilpopulationen im gesamten Gebiet, in dem sie sich bewegen. Wenn ich etwa auf Schadflächen auf Rotwild durch Reduktionsabschuss Druck mache, dann wird es reagieren und großräumig ausweichen. Ich muss also vorausschauend auch weiter entfernt liegende Reviere in die Überlegungen miteinbinden. Weiters garantiert eine Wildökologische Raumplanung auch den Blick auf FFH-Richtlinienarten wie Gamswild und Raufußhühner. Denn es soll das, was draußen im Revier jagdlich passiert, genau diesen Anforderungen entsprechen.

Wie begegnen Sie der von Forstseite häufig geäußerten Klage über zu hohe Wildstände?
Einerseits verwundern mich diese Aussagen immer wieder, denn sie gehen von den Abschusszahlen aus. Die hohe Leistungsbereitschaft der Jagd zeigt sich in höheren Abschusszahlen. Zweitens haben wir bei den Wildarten Klimagewinner – etwa das Rotwild. Das ist aber nicht der Jagd anzulasten, sondern hat viele Ursachen – vom Stickstoffeintrag in unsere Landschaft bis hin zur Schaffung von mehr idealem Wohnraum für den Randlinienbewohner Reh durch zunehmende Aufschließung der Wälder. Kalamitäten lassen Wildtierbestände anwachsen, weil das Äsungsangebot anwächst. Wildstände sind also ein sehr komplexes Thema. Die Jagd versucht hier, lenkend einzugreifen. Aber die Zeiten sind vorbei, in denen regional Wildstände hochgehalten wurden. Denn die forstlichen Interessen finden über den Forst & Jagd-Dialog schon lange Eingang und zeigen Wirkung. Gerade in der Steiermark wird dieser Dialog regional sehr intensiv geführt. Der Jagd ist ihre hohe Verantwortung auch bewusst. Es wird in die laufende Weiterbildung auch unserer Funktionäre bis runter zum Hegemeister, aber auch in den einzelnen Jäger bzw. in die einzelne Jägerin investiert. Eine der Hauptinteressen der Jagd ist es heute, Wildbestände nicht weiter anwachsen zu lassen. Was man nicht vergessen darf: So wie der Forstmann seine Z-Stämme und seinen Wald der Zukunft im Kopf haben muss, so ist es gesellschaftlich nicht vertretbar, Wildarten in einen völlig zusammengeschossenen Zustand zu bringen. Das zu fordern und dann der Jagd den Schwarzen Peter zuzuschieben, wird die Jagd nicht mit sich machen lassen. Wir haben es mit hoch entwickelten Säugetieren zu tun, denen wir mit Respekt, Verantwortung, Ethik und viel Know-how begegnen müssen.

Was hat die Steirische Landesjägerschaft in der Vergangenheit erreicht? Was sind künftige Projekte bzw. Herausforderungen?
Uns war es wichtig – und hier spreche ich auch für LJM Franz Mayr-Melnhof sowie den vorigen und jetzigen Vorstand –, die Jagd als zeitgemäße Organisation immer weiterzuentwickeln. Wir haben uns mittlerweile zu einem Ansprechpartner entwickelt bei Themen wie Natur, Wildtiere, Lebensräume – und zwar für Politik, Medien und die allgemeine Bevölkerung. Diese Kompetenz haben wir versucht, hinauszutragen. Weiters war uns wichtig, den Jägerinnen und Jägern auch zeitgemäße Medien zur Verfügung zu stellen – über unsere Jagd-App und unsere wöchentlichen Newsletter. Dort geben wir eine Übersicht über die Themen, die uns über Landes-, Bundes- oder Europaebene bewegen, um zu informieren oder auch nur, um Verständnis zu schaffen für ein weiteres Monitoring, bei dem wir von den Mitgliedern erfragen: Wo kommt eine Wildart vor und in welcher Struktur? Sie sollen spüren, dass sie sich auf juristisch sicherem Boden bewegen, wenn sie zum Jagen rausgehen. Und wir sichern für sie auch die Jagd in Zukunft, damit wir dort argumentativ gut aufgestellt sind, wo wir angegriffen werden. Das Großprojekt der vergangenen Jahre waren freilich die Naturwelten Steiermark. Ein derartiges Projekt gibt es im gesamten deutschsprachigen Raum nicht. Es hat drei Säulen: die grüne Akademie für die Jägerinnen und Jäger für eine zeitgemäße Weiterbildung mit namhaften Vortragenden; das Dialogzentrum rund um die Natur in Mixnitz, wo wir mit der nichtjagenden Bevölkerung und auch mit unterschiedlichsten Organisationen im Austausch sind. Es hat sehr mutige Funktionäre gebraucht, diese Entscheidung zu treffen. Die dritte Säule sind 30 pädagogisch aufbereitete Erlebnisstationen, über die wir uns an Schulen, Familien und naturinteressierte Personen wenden. Die Besucher verlassen die Naturwelten mit einem anderen Blick auf die Jagd, die Land- und Forstwirtschaft.  

Vielen Dank für das Gespräch!