Florian Bayer,  Privatstiftung Esterházy

„Die Achse Forst-Kultur hat enorm viel zu bieten“

Ein Artikel von Robert Spannlang | 14.05.2018 - 17:21
Esterhazy_Dr.jpg

Florian Bayer lenkt seit 2009 die Geschicke der reichhaltigen 
Esterházy‘schen Historiensammlung
© Foto im Lohnbuero/Roland Schuller

Florian Bayer lenkt seit 2009 die Geschicke der reichhaltigen Esterházy‘schen Historiensammlung. Mit dem Ruf an die Ester-házy-Privatstiftung in Eisenstadt sei er an seine heimatlichen Wurzeln zurückgekehrt, verrät Dr. Florian Thaddäus Bayer. Und das fast wider Erwarten. Denn der Historiker und Ethnologe kam durch berufliche Tätigkeiten im Rahmen von Feldforschungen wie in Marokko und der Türkei sowie eine dreijährige Ausbildung zum Holzrestaurator in Florenz international weit herum. Im Interview spricht er über Herausforderungen und die fachliche Breite seiner außergewöhnlichen beruflichen Aufgabe.

Herr Dr. Bayer, Sie sind „Kustos der Sammlungen“ der Privatstiftung Esterházy. Was genau ist Ihre Aufgabe und wie lange tun Sie das schon?

Ich bin seit 2006 im Haus und seit 2009 verantwortlich für den materiellen Erhalt und die Pflege der Kunst- und Kulturobjekte. Wir haben eine wunderbare historische Sammlung zu betreuen, die das Ergebnis von fast 400 Jahren Familiengeschichte der Esterházys darstellt. Auf Schloss Esterházy und Burg Forchtenstein werden diese Sammlungsobjekte verwahrt und seit knapp zwei Jahrzehnten wieder gepflegt. Die wichtigsten Sammlungen sind zum einen jene repräsentativer Ahnengalerie- und Familienporträts, weiters von Jagdwaffen und Militaria, die Porzellankammer, die Silber-
kammer und schließlich eine Kunst- und Wunderkammer. Letztere enthält Kunstschätze von hohem Wert und auch Musik- und Spielautomaten sowie kuriose Dinge aus aller Welt. Sie ist weltweit die einzige Kunst- und Wunderkammer, die noch nahezu komplett am Originalschauplatz in originalen Schaukästen präsentiert wird. Aber auch Gegenstände des Alltags finden sich hier im Schloss in Eisenstadt, das von der Familie Esterházy bis zum Ende des Ersten Weltkrieges bewohnt war. Danach blieben die Gegenstände und Sammlungen hier aufbewahrt. Heute sind sie Zeugen dafür, wie sich das fürstliche Leben zwischen 1880 und 1920 am Hof abgespielt hat.

Wo ist die Familie Esterházy nach Aufgabe des Schlosses in Eisenstadt hingezogen?

In die Palais der Familie in den großen Städten der damaligen Monarchie. Denn das war auch die Zeit, in der Fließwasser und elektrischer Strom zum Beleuchten und Beheizen von Innenräumen in Gebäude Einzug gehalten haben. Die im Verhältnis kleinen Palais in den Städten ließen sich einfach leichter auf den modernen Lebensstandard adaptieren.

In einer Aussendung Ihres Hauses heißt es unter anderem, dass viele Entwicklungspotenziale im Bereich Forst und Kultur noch ungenutzt sind. Warum ist das so?

Wenn wir von Forst und Kultur bei Esterházy sprechen, dann sprechen wir auch von der Jagd. Die Jagd war ein sinnstiftender Faktor in der Familiengeschichte und die Wälder und Fluren waren auch einer besonderen Zuwendung in der Betreuung durch die Herrschaft ausgesetzt. Das ist auch jagdgeschichtlich interessant, denn die Arten der Jagd haben sich über die Zeit verändert und das kann anhand des Wandels der Jagdpraxis in der Familie Esterházy gut abgelesen werden. Es beginnt mit groß aufgezogenen Jagden, so genannten Parforcejagden, wo Wild quasi zum Abschuss zusammengetrieben wird. In einer nächsten Phase ab dem 17. Jahrhundert werden Tiergärten angelegt. Ein geschlossenes Jagdgebiet der Familie Esterházy befand sich südlich des Plattensees und umfasste alleine 75.000 ha Wald-, Wiesen und Sumpfgebiete. Zu Spitzenzeiten im 19. Jahrhundert wurden hier 1.000 Hirsche zur Strecke gebracht, ohne dass der Wildbestand gefährdet worden wäre. Wir wissen auch, dass namhafte Regenten in Europa hierher zur Jagd kamen – zum Beispiel der spätere König von England, George V., oder Prinz Leopold von Bayern. Das hatte also auch etwas Völkerverbindendes und war ein wichtiges Forum für Kommunikation der damaligen Herrscher in Europa.

Worin liegt die Bedeutung der thematischen Achse Forst-Kultur in der heutigen Zeit?

Die Themenachse Forst-Kultur hat bis heute enorm viel zu bieten. In den großen Waldbeständen im Besitz der Esterházy-Stiftung gibt es noch eine Fülle von Relikten und Zeugen von Kultur aus der damaligen Zeit. Das muss nicht unbedingt etwas mit Jagd zu tun haben. Neben Jagd- und Forsthäusern gibt es zum Beispiel Bildstöcke und Brücken. Das können aber auch Kirchen, Kapellen oder eine Klosterruine sein. Manchmal sind auch noch die Spuren landschaftsgestaltender Elemente in den Wäldern aus jener Zeit zu finden – etwa alte Alleen, die auf einen bestimmten Punkt zustreben. Oder es finden sich Hinweise auf historische künstliche Pflanzungen in den Wäldern zu einem vormalig ganz bestimmten Zweck.

Woher kommt das besondere Interesse an dem Themenkomplex Forst und Kultur heutzutage? Hat das auch mit neuen Arten der Freizeitgestaltung zu tun, die viele Menschen wieder in den Wald führen? Kann man hier von einem neuen Trend sprechen?

Auf jeden Fall! Wir haben das daran gesehen, dass Regelungen getroffen werden mussten, damit Holznutzung, Jagd und Sport im Wald nebeneinander existieren können. Damit ist auch ein neues Interesse an den kulturellen Relikten im Wald erwacht. Das hat heutzutage durchaus auch etwas Identitätsstiftendes. Vereine kümmern sich um den Erhalt solcher Stätten und die Aufarbeitung lokal- und regionalhistorischer Ereignisse. Namhafte HistorikerInnen nehmen sich auch immer mehr solcher Themen an. In der Archäologie gibt es neue Methoden, allen voran das flugzeuggetragene Laserscanning, womit Strukturen knapp unterhalb der Erdoberfläche sichtbar gemacht werden können. Die Esterházy-Stiftung steht solchen Phänomenen und Errungenschaften sehr offen gegenüber.

Welche praktischen Auswirkungen hat denn die Thematisierung wenig bekannter Kulturstätten in Ihren Wäldern durch die Medien in Ihrem Fall?

Dadurch, dass Beiträge über alte Baudenkmäler und kulturelle Stätten in unseren Wäldern publiziert werden, haben wir auch mit einem erhöhten Zustrom an Besuchern zu rechnen und es ergeben sich dabei logistische Fragen der Zugänglichkeit über Wege und Straßen, aber natürlich auch rechtliche Haftungsfragen. Wir haben die ehrenvolle Aufgabe, die nächste Forst Kultur Tagung auf Burg Forchten-stein auszurichten. Und wir werden dabei auch aus unserem Erfahrungsschatz zu diesen Themenfeldern berichten. Denn es ist auch klar, dass wir als Eigentümer etwas andere Blickwinkel und Interessen vertreten als etwa Vertreter der Tourismuswirtschaft.

Gab es in Esterházy’schen Wäldern auch handwerkliche Produktionsstätten – etwa Glasverhüttung?

Jawohl, gab es. Das ist ein spannendes Thema, bei dem noch viel Forschungsbedarf besteht. Es gab Glashütten in der Gegend um den Geschriebenstein im südlichen Burgenland, aber auch Kürschnerei fand in den Wäldern statt. Es gibt beispielsweise bis heute einen Ort im Leithagebirge, der der Ortsbevölkerung durchaus bekannt ist: die Kürschnergrube. Das ist immer noch ein spektakulärer Platz. Übrigens war auch die Köhlerei ein Thema.

Die Kürschnerei war natürlich im Zuge der jagdlichen Tätigkeit bei der Verwertung der Decken und Felle auch eine wesentliche Art der Wertschöpfung ...

Richtig. Dabei hat man das „unschöne“ Gewerk sozusagen in den Wald ausgelagert. Ähnlich war das bei der Köhlerei. Manche Bildstöcke mit unterschiedlichen Schutzheiligen deuten in ihren Inschriften darauf hin.

Esterhazy_Waffensammlung 5377neu.tif

Burg Forchtenstein diente den Fürsten Esterházy lange Zeit als Arsenal und Zeughaus. © webnfoto.com

Burg Forchtenstein diente den Fürsten Esterházy lange Zeit als Arsenal und Zeughaus.Könnten Sie sich vorstellen, dass man bei Esterházy einmal einen Kürschner- oder einen Glashütten-Themenweg eröffnen wird?

Das wäre eine durchaus reizvolle Idee! Dafür muss aber die Zeit reif sein, etwa wenn neue Erkenntnisse aus den Archiven der Stiftung ans Licht kämen. Und da gibt es wie gesagt noch viel zu erforschen. Es gab auch Bergbau am Gebiet der Fürstenfamilie Esterházy. Auch das könnte man publikumswirksam aufarbeiten.

Herr Bayer, was macht für Sie das Spannende an Ihrem Job aus?

Vielfältiger und fachlich abwechslungsreicher geht es eigentlich nicht mehr. Es ist erfüllend und auch fordernd zugleich. Der Job bedeutet eine große Verantwortung, die sich in ihrer ideellen Tiefe nicht auf Personen bezieht, sondern auf die Sache selbst: der Auftrag, etwas für die Nachwelt bestmöglich zu erhalten. Man muss das auch mit sehr viel Demut ausführen. In einem andauernden Entscheidungsprozess muss festgelegt werden, welche Objekte der sofortigen Zuwendung bedürfen, welche kontinuierlich gepflegt werden müssen und welche gelagert oder ausgestellt werden können. Man muss immer bedenken, dass die Sammlung lange Zeit weggesperrt war. Dadurch blieben ihr zwar Phasen der gut gemeinten, aber fachlich zweifelhaften Restaurierung erspart. Andererseits haben viele Objekte über die lange Zeit hinweg auch Schaden genommen, den wir nun nach allen Regeln der Kunst wieder beheben müssen.

Herr Dr. Bayer, vielen Dank für das Gespräch!