Green Deal 1.jpg

Mit der EU-Waldstrategie wurde der Forstsektor auch in den Green Deal mitaufgenommen. © Pixabay

Europäische Union

Green Deal: Was heißt das für den Wald?

Ein Artikel von Dr. Bernhard Wolfslehner | 05.02.2020 - 08:55
Green Deal 2.jpg

Nachhaltigkeit ist in der neuen EU-Kommission ein wichtiges Thema, das durch den Green Deal auch seine Anwendung finden soll. © Pixabay

Die breite Wahrnehmung ist, dass das Programm ambitioniert, aber zeitgerecht ist angesichts der sichtbaren Urgenz der Bekämpfung des Klimawandels. Europa positioniert sich damit international als Vorreiter, es bedarf jedoch eines gesunden Mix aus Regulation, Anreizsystemen und Finanzinstrumenten. Gerade dieser Tage wurde ein Investitionsplan über 1 Brd. € für den Abgang aus der fossilen Ära vorgestellt.

BEDEUTUNG FÜR DEN FORSTSEKTOR
Was aber bedeuten die neuen Pläne für den Forstbereich? Tatsache ist, dass in den anfänglichen Konzeptionen der Wald kaum Erwähnung fand. Erst spät wurde mit einer neuen EU-Waldstrategie ein bewährtes, aber verbesserungswürdiges Instrument doch noch in den Green Deal aufgenommen, anstatt, wie bereits kolportiert, im Rahmen der Biodiversitätsstrategie abgehandelt zu werden. Allgemein kann aber festgestellt werden, dass der Wald mehr und mehr die Rolle eines „Problemkindes“ aufgedrängt bekommt. 

Während der Sektor unermüdlich die Bedeutung des Waldes für eine zirkuläre Bioökonomie, für ländliche Entwicklung und das Wohlbefinden der Menschen betont, wird der Wald im Green Deal eher reaktiv behandelt. „Hauptziele der neuen EU-Forststrategie werden die wirksame Aufforstung sowie die Erhaltung und Wiederherstellung der Wälder in Europa sein, um die Absorption von CO2 zu erhöhen“, wie der Green Deal sagt. Gemeinsam mit einem starken Fokus auf Biodiversität werden dem Wald die beiden in der öffentlichen Wahrnehmung großen Krisen, die Klimakrise und die Biodiversitätskrise, in großem Maße zuteil und zukünftig wesentliche Treiber der Forstpolitik sein.

Hauptziele der neuen EU-Forststrategie werden die wirksame Aufforstung sowie die Erhaltung und Wiederherstellung der Wälder in Europa sein, um die Absorption von CO₂ zu erhöhen.


Auszug aus dem Green Deal, EU-Kommission

EINGESCHRÄNKTE SICHTWEISE
Damit handelt es sich um eine sehr eingeschränkte Sichtweise auf Waldressourcen, die bisher auf dem Konsens von multifunktionaler und umfassend nachhaltiger Waldbewirtschaftung fußten. Wald als reiner Karbonspeicher entspricht weder dem Konzept der vielfältigen Ökosystemleistungen des Waldes, der Rolle von Biomasse im Übergang von fossilen zu erneuerbaren Rohstoffen noch der Realität, in der Waldökosysteme gegenwärtig großem Druck durch Klimaextreme ausgesetzt sind. Karbonmaximierung ist in feuerbedrohten Wäldern in Südeuropa (Stichwort: fuelwood) genauso wenig sinnvoll wie sie in mitteleuropäischen Wäldern, die durch Borkenkäfer und Stürme gebeutelt sind, derzeit realistisch ist. Wichtig sind hier vor allem Maßnahmen zur Adaptation von Wäldern und Steigerung ihrer Resilienz – ein Punkt, der im Green Deal als „qualitativ verbesserte“ Wälder erwähnt wird, gleichwohl die Zielsetzung dahinter undefiniert bleibt. Die Instrumente zur Aufforstung werden vor allem in waldreichen Gebieten, wie Österreich, kaum auf Anklang stoßen, wie auch das letzte Forstprogramm der Gemeinschaftlichen Agrarpolitik zeigte. Ein weiterer Punkt ist die soziale und wirtschaftliche Komponente. Rund 16 Mio. Waldbesitzer in Europa wird man nicht mit Top-down-Instrumenten steuern können. Hier wird ein Ansatz nötig sein, der die Interessen der gesamten Wertschöpfungskette berücksichtigt, sei es das Einkommen aus der Waldbewirtschaftung für Forstbetriebe oder die Versorgungssicherheit der Holzindustrie. Langlebige Holzprodukte, etwa im Bausektor, als Substitution für nicht erneuerbare Materialien und Innovationsbasis für den Sektor finden derzeit keine Beachtung im Green Deal.

FAZIT
Der Green Deal für Europa ist ein paradigmatisches Programm und für die zukünftige Wirtschaft in Europa weichenstellend. Aufgrund der selbst auferlegten Eile, innerhalb von 100 Tagen nach Amtsantritt das Programm vorzulegen, ist vieles noch nicht ausgegoren oder mit Stakeholdern akkordiert. Es ist positiv, dass Waldthemen explizit angesprochen werden, auch wenn die Rolle des Waldes nicht ausreichend balanciert reflektiert ist. Hier werden zusätzliche Anstrengungen notwendig sein, um eine ausgleichende Diskussion über Waldressourcen führen zu können, die alle Dimensionen des Waldes unter Abwägung von Nutzen, Interessen und wissenschaftlichen Erkenntnissen berücksichtigt.