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Waldbrandfläche in Saubersdorf 2020 © M. Müller

Feuer

Waldbrände: unterschätzte Gefahr?

Ein Artikel von Mortimer M. Müller, Ao. Univ.-Prof. Dr. Harald Vacik, Inst. für Waldbau, Universität für Bodenkultur Wien | 05.05.2020 - 14:48
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Abbildung 1: Anzahl der Waldbrände und Waldbrandflächen in Österreich von 1993 bis 2019 © M. Müller

Die Waldbrandforschung hat sich im vergangenen Jahrzehnt laufend weiterentwickelt. Ein Ziel ist es, das österreichische Waldbrandregime zu erfassen, um wichtige Fragen zur Prävention, Vorhersage und Behandlung von Waldbrandflächen zu beantworten. Im Jahr 2008 startete am Institut für Waldbau, Universität für Bodenkultur Wien, die durch den FWF geförderte österreichische Waldbrandinitiative AFFRI (Austrian Forest Fire Research Initiative), welche gemeinsam mit mehreren Folgeprojekten die Grundlage für eine umfassende und österreichweite Waldbrand-Dokumentation gelegt hat.

AUFTRETEN VON WALDBRÄNDEN
Die jährliche Anzahl an Waldbränden in Österreich beträgt zwischen 150 und 300 Feuern (Abbildung 1). Der Verlauf der meteorologischen Bedingungen innerhalb eines Jahres zeigt sich in der Anzahl der aufgetretenen Brände. Dabei gibt es erhebliche Schwankungen bei der jährlichen Gesamtsumme der Brandflächen. Während in den vergangenen Jahren im Schnitt rund 20 ha betroffen waren, sind 2015 etwa 150 ha und 2003 knapp 200 ha Waldfläche in Brand geraten (Abbildung 1). Es werden drei Brandtypen unterschieden: Schwelbrand (auch Humusbrand), Bodenfeuer (auch Lauffeuer) und Kronenfeuer. Kronenfeuer treten fast immer gemeinsam mit einem Bodenfeuer auf und werden dann als Vollbrand bezeichnet. Während Schwelbrände und Bodenfeuer geringer Intensität kaum zu Schäden am Waldbestand führen, können insbesondere Kronenfeuer zu einem großflächigen Absterben vorhandener Gehölze führen. Allerdings sind Vollbrände in Österreich selten – weniger als 5 % der jährlichen Brände fällt in diese Kategorie. Am häufigsten sind Bodenfeuer von geringer Intensität, wobei hier nur die oberflächennahe Streu- und Grasschicht verbrennt. Dieser Brandtyp tritt besonders häufig bei Trockenperioden im Frühjahr auf. Die geringere Anzahl an Feuern vor dem Jahr 2003 dürfte auf eine noch nicht vollständige Dokumentation von Kleinbränden zurückzuführen sein.

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Abbildung 2: Monatsverteilung der Waldbrände in Österreich von 1993 bis 2019 © M. Müller

In einem durchschnittlichen Waldbrandjahr werden die meisten Brände im April verzeichnet. Dahinter folgen mit recht ähnlichen Brandzahlen die Monate Juli, August und März, womit sich ein Höhepunkt im Frühjahr und einer im Hochsommer ergibt. Am wenigsten Waldbrände werden in den Herbst- und Wintermonaten verzeichnet (Abbildung 2). Über das Jahr verteilt treten generell mehr Waldbrände an Wochenenden und Feiertagen auf. Dies ist ein starker Hinweis auf den Einfluss des Menschen bei der Entzündung von Waldbränden. Zeitlich werden am mittleren Nachmittag die meisten Waldbrände registriert, was – neben verstärkten Freizeitaktivitäten der Bevölkerung – mit der höchsten Temperatur und geringsten Luftfeuchtigkeit zusammengehängt.

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Abbildung 3: Anzahl der Waldbrände nach Bundesländern in Österreich von 1993 bis 2019 © M. Müller

Bei der räumlichen Analyse der Waldbrände in Österreich zeigen sich große regionale Unterschiede. Die meisten Waldbrände werden in Niederösterreich verzeichnet – mit einer Häufung von Bränden in Schwarzkiefernwäldern –, gefolgt von Tirol, Kärnten und der Steiermark. Zusammengenommen treten in diesen vier Bundesländern mehr als 75 % aller Waldbrände auf. Die geringste Zahl an Waldbränden weist Wien auf (Abbildung 3). Ein überwiegender Teil der Waldbrände in Österreich – mehr als 90 % – tritt in Nadelwäldern (inklusive Latschenflächen) auf. Dabei werden im Gebirgsraum die meisten Waldbrände auf südexponierten Flächen beobachtet, am seltensten brennt es auf Nordhängen. Besonders häufig treten Waldbrände auf Hängen mit einer Neigung um 40 Grad auf. Hier werden, bedingt durch die Topografie, auch besonders große Brandflächen verzeichnet.

URSACHEN VON WALDBRÄNDEN 
85 % aller Waldbrände in Österreich werden direkt oder indirekt durch den Menschen ausgelöst. Die häufigste Ursache sind Zigaretten. Unter Berücksichtigung einer vermutlich hohen Dunkelziffer dürften rund 20 % aller Waldbrände auf achtlos weggeworfene Zigaretten zurückzuführen sein. Fast ebenso relevant sind geplant angelegte Feuer, die außer Kontrolle geraten – etwa im Zuge von Abbrennarbeiten oder bei der Beseitigung von Schlagabraum oder Schadholz. Weitere wichtige anthropogene Brandursachen in Österreich sind das Entsorgen von heißer Asche, Brandstiftung (bis zu 10 % aller Waldbrände), Waldarbeiten, gerissene Stromleitungen, Funkenflug von Eisenbahnen, die Selbstentzündung von Munitionsresten, Feuerwerkskörper, Lagerfeuer sowie traditionelle Feuer (z. B. Oster- und Sonnwendfeuer). Die einzige relevante natürliche Ursache von Waldbränden in Österreich sind Blitzschläge. Im Schnitt sind sie für 15 % aller Waldbrände verantwortlich, wobei ihr Anteil in den Sommermonaten bis zu 50 % betragen kann. Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist eine Brandauslöse durch Glasscherben sehr unwahrscheinlich. Auch Blechdosen und dgl. können keine Vegetationsbrände auslösen.

WALDBRAND-DOKUMENTATION 
Mit Stand April 2020 enthält die Waldbrand-Datenbank mehr als 6.700 Datensätze, wovon ein Großteil auf die vergangenen zwölf Jahre entfällt. Im Jahr 2013 erfolgte die Umstellung auf eine Online-Datenbank. Diese besteht aus einer internen Datenbank zur Administration sowie einem zweisprachigen und frei zugänglichen Web-GIS-Interface (https:// fire.boku.ac.at). Hier können interessierte Nutzer die vorhandenen Informationen der vergangenen Jahre abfragen, Grafiken und Statistiken erstellen sowie Waldbrände selbstständig melden.

Ein Waldbrand in der österreichischen Datenbank wird definiert als unkontrolliertes Feuer, das zumindest teilweise eine Waldfläche (lt. Forstgesetz) erfasst, unabhängig von der Brandart (Schwelbrand, Bodenfeuer, Kronenfeuer) oder Brandfläche (auch brennender Einzelbaum durch Blitzschlag). Bei der Dokumentation von Waldbränden werden folgende Daten festgehalten oder über den Verschnitt mit Vegetations- und Topografiekarten erhoben: Datum, Alarmierungszeit, Dauer, Ort, GPS-Koordinaten, Brandart, Brandursache, Brandfläche, Brandverhalten und -intensität, betroffene Vegetation, Hangneigung, Seehöhe und Exposition, eingesetzte Feuerwehren, Helikopter und Einsatzkräfte, Quellen und Fotomaterial. Die Erhebung von Waldbränden erfolgt derzeit mangels vollständiger Dokumentation auf Länderoder Bundesebene weitgehend manuell über die Auswertung von Feuerwehreinsätzen, Medien- und Polizeiberichten. Ebenso existieren Kooperationen mit einigen Landesfeuerwehrverbänden und Abschnittsfeuerwehrkommandos. Vereinzelt konnten Waldbrände bis zurück ins 18. Jahrhundert aufgearbeitet werden. Seit dem Jahr 1993 ist die Dokumentation von Waldbränden ab einem Hektar, seit 2003 ab 0,1 ha nahezu vollständig. Neben Waldbränden werden auch größere Flurbrände (Feld-, Wiesen- und Schilfbrände) sowie Mischformen erfasst.

ZUKÜNFTIGE ENTWICKLUNG
Derzeit gibt es noch keine eindeutige Entwicklung in Richtung eines intensiveren Waldbrandregimes in Österreich, was unter anderem an der hohen Effektivität der Freiwilligen Feuerwehren liegt. Zahlreiche Studien zeigen aber, dass die Wahrscheinlichkeit für Dürren und Hitzeperioden im Zuge des Klimawandels zunehmen wird. Der Alpenraum dürfte dabei besonders betroffen sein. Schon jetzt befindet sich das Temperaturniveau rund zwei Grad über dem vorindustriellen Wert, doppelt so hoch wie global gesehen. Klimaszenarien zeigen überdies eine Abnahme der mittleren Regenmengen, wodurch die Auswirkungen von Trockenperioden und Hitzewellen stärker ausfallen können. Zudem führt Dürre im Sommer zu einem erhöhten Risiko von Blitzschlagbränden, die durch ihre abgeschiedene Lage die Brandbekämpfung vor Herausforderungen stellen. Neben Borkenkäfern und Sturmereignissen wird die heimische Hauptbaumart Fichte in Zukunft vermehrt durch Waldbrände gefährdet sein, wobei die Kombination von Störungen kaskadenartige Auswirkungen haben kann. In nadelholzdominierten Schutzwäldern können Kronenfeuer die Gefahr von sekundären Naturgefahren wie Lawinen, Steinschlag, Muren und Erosion erhöhen. Neben der Klimaveränderung tragen die erwartete Zunahme von Freizeitnutzern und ein verändertes Waldmanagement zu einem verstärkten Auftreten von Waldbränden bei. Ebenso wird die Gefahr intensiver Brände entlang des sogenannten Wildland Urban Interface, also dort, wo urbane Räume direkt an Wälder grenzen, ansteigen. Es ist daher davon auszugehen, dass der im Vergleich zu anderen Störungen noch unbedeutende Faktor Waldbrand in heimischen Wäldern an Bedeutung gewinnen wird. In diesem Zusammenhang kommt der engen Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Waldbau an der BOKU Wien, dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (Abteilung III 5) und den Landesforstdirektionen eine hohe Bedeutung zu. Durch das gemeinsame Engagement in überregionalen Netzwerken (EUSALP – makroregionale Strategie für den Alpenraum) und die Beteili gung von Interessenvertretern aus den Bereichen Einsatzwesen, Forst und Infrastruktur soll ein integriertes WaldbrandManagement für Österreich abgeleitet werden. Auf diesem Weg können die unterschiedlichen Akteure vernetzt und deren Handlungsoptionen abgestimmt werden, um die negativen Auswirkungen von Waldbränden in Österreich zu minimieren.