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Wild kann besonders im Schutzwald verheerende Schäden anrichten. © Pixabay

Schutzwald

Schutzwald und Wild

Ein Artikel von Dr. Florian Rudolf-Miklau, Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, Abteilung III/4 Wildbach- und Lawinenverbauung und Schutzwaldpolitik | 30.06.2020 - 19:05

Schutzwaldflächen sind oft in steilen und labilen Lagen und daher auch wichtige Ruhezonen und Rückzugsgebiete für das Wild. Lange Verjüngungszeiträume und hohe Projektkosten verlangen strategische Maßnahmen für einen ökologisch nachhaltigen Wildstand. Besonders in diesen Schutzwaldbereichen, oft Objektschutzwälder, sind zielund zukunftsorientierte Aufforstungs-, Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Stabilisierung der Schutzwirkung unerlässlich. Es stellt sich daher die Frage, wie die bestehenden Ziel- und Interessenkonflikte ausgeglichen und nachhaltige, abgestimmte Programme für ein Wildtiermanagement im Einklang mit der Resilienz der Schutzwälder etabliert werden können. Dazu bedarf es nicht nur technischer Konzepte, sondern auch eines Dialoges und gemeinsamer Lösungen der Betroffenen und Akteure in der Region.

ZUKUNFTSSTRATEGIEN
Das vom Bundesministerium für Landund Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLRT) initiierte Aktionsprogramm Schutzwald gibt folgende Antworten auf diese Herausforderungen:
▶ Enge strategische Zusammenarbeit mit dem „Forst & Jagd Dialog“.
▶ Berücksichtigung von wildökologischen Konzepten bzw. Wildtiermanagement im Schutzwald. Die Erkenntnisse aus bisherigen wissenschaftlichen und praktischen Arbeiten und Studien werden genutzt und umgesetzt.
▶ Entwicklung und Umsetzung mit lokalen und regionalen Stakeholdern und Betroffenen von Nutzungs- und Lenkungskonzepten für Freizeitnutzung und Tourismus in Gebieten mit großer Bedeutung der Schutzwälder. Die Konzepte nehmen Rücksicht auf natürliche Ressourcen, Wildtiere und die Jagd. Sie basieren auf dem Dialog aller Akteure und werden von Gemeinden und Regionen gesteuert.
▶ Ein österreichweites Projekt zur Etablierung von Wildruhezonen im Winter mit einem Betretungsverbot im Einklang mit einer wildökologischen Raumplanung wird umgesetzt.
▶ Schaffung eines Fördersystems mit gebündelten Instrumenten für die regionale Planung von Maßnahmen aus den Bereichen Schutzwald, Naturschutz, Wildökolsogie, Wildtiermanagement, Wasserhaushalt, Infrastruktur und Erholung. Expertinnen und Experten sehen die im Aktionsprogramm erarbeiteten Ansätze als zukunftsweisend und vielversprechend für intakte und resiliente Schutzwälder. Durch ein Problembewusstsein der forstlichen und jagdlichen Akteure, einen gemeinsamen Diskurs sowie gemeinsame Umsetzungsschritte können lokale und regionale Erfolge erzielt werden.

PLANUNGEN DER FACHABTEILUNG IM BMLRT
Seit 2018 liegt die Schutzwaldpolitik im Zuständigkeitsbereich der Abteilung III4 (Wildbach- und Lawinenverbauung und Schutzwaldpolitik) im BMLRT. Diese Zusammenführung von Politikfeldern mit langer gemeinsamer Tradition macht Sinn, wenn der Schutz vor Naturgefahren als gesamtheitliche Aufgabe gesehen wird. Die Stärke der Naturgefahrenprävention heute ist das Konzept des „integralen Risikomanagements“, ein Governance-Ansatz, der auf die Reduktion von Risiken durch optimale Kombination verschiedener Maßnahmen und die Einbeziehung von Betroffenen abzielt. Das Konzept steht im Gegensatz zu sektoralem Denken und Handeln, die bisher oft einer umfassenden Schutzwaldpolitik in Österreich im Weg standen. Wildbach- und Lawinenverbauung prägt die Naturgefahrenvorsorge auf regionaler und lokaler Ebene, dabei hat auch die Kooperation von Gemeinden lange Tradition. Dieses Modell sieht im Sinne der Partizipation und der finanziellen Lastenverteilung standardmäßig die Beteiligung der Begünstigten an der Schutzwirkung vor.

SCHUTZWALDBEWIRTSCHAFTUNG ATTRAKTIV MACHEN
Die Waldeigentümer sind die wichtigsten Akteure im Schutzwald. Die Aufgaben des Staates sind das Stärken der Rahmenbedingungen für intakte und stabile Schutzwaldflächen und die Unterstützung der Waldeigentümer. Die Wildbach- und Lawinenverbauung verfügt gemeinsam mit den Landesforstdiensten mit den flächenwirtschaftlichen Projekten (FWPs) über ein starkes und etabliertes Instrument für die Stärkung der Schutzwälder. Mit diesen Projekten und Investitionen werden primär Infrastrukturen geschaffen, die eine wirtschaftliche und risikoakzeptable Bewirtschaftung der Schutzwälder erst ermöglichen. Forstliche Erschließung, Schutzinfrastrukturen oder Aufforstungen von Extremstandorten (auch und insbesondere an der Waldgrenze) gehören zum Portfolio der Projekte.

JAGDLICHE MASSNAHMEN IN FLÄCHENWIRTSCHAFTLICHEN PROJEKTEN
Die Jagd war und ist immer ein Teil dieser FWPs, meist als Voraussetzung für den Erfolg schutzwaldwirtschaftlicher Maßnahmen. In diesem Bereich denken die Wildbach- und Lawinenverbauung und die Landesforstdienste über einige gemeinsame Änderungen und Anpassungen nach.

Flächenwirtschaftliche Projekte sollen zukünftig jagdbetriebliche Maßnahmen als integrale Bestandteile umfassen und im erforderlichen Ausmaß auch in diese investieren. Dazu gehört eine Vielzahl an Maßnahmen von Monitoring für Wildstand und Wildschäden über die Erstellung von Konzepten für Wildtiermanagement und jagdbetriebliche Maßnahmen im Sinne der Schutzziele bis hin zur Schaffung jagdwirtschaftlicher Infrastruktur (Personal, Wegenetz, Jagdausübung, Verlegung von Fütterungen). In den FWP-Bedingungen werden schon jetzt Jagdvereinbarungen zwischen Eigentümern und Jagdpachtenden zur Forcierung der Naturverjüngung, wenn notwendig Schwerpunktbejagung, Monitoring/Weiserflächen und Bejagungskonzepte, eingefordert. Dadurch soll die Kooperation in Forst und Jagd im Rahmen des Projekts gestärkt bzw. darin integriert werden. Selbstverständlich sind bei Nichterreichung der Schutzziele bzw. fehlendem Erfolg der jagdwirtschaftlichen Maßnahmen für die nachhaltige Sicherung der Schutzwälder auch Einschnitte mitzudenken, bis hin zur Nutzung aller rechtlichen Instrumente und Sanktionen.

GEMEINSAME GOVERNANCE IM SCHUTZWALD
Angewandte Schutzwald-Governance im Verständnis der Wildbach- und Lawinenverbauung basiert zukünftig auf Dialog, Interessenausgleich und Kooperation. Dafür braucht es eine starke Partnerschaft und das Bewusstsein der Jägerschaft: Schutzwald braucht Jagd, die Jagd braucht den Schutzwald. Im Schutzwald gibt es keine schnellen Lösungen, der Weg zum stabilen Schutzwald ist lang und wird von vielen Involvierten gegangen.