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Forstökonomische Tagung 2020

Am Sand oder unter der Erde?

Ein Artikel von Robert Spannlang | 30.10.2020 - 11:10

In ihrer Marktdynamik hätten sich der Rundholz- und der Schnittholzmarkt spätestens heuer voneinander entkoppelt, war der Tenor. Aus Europa seien die Rundholzströme nach Süd-Ost-Asien ebenso angeschwollen wie die Schnittholzströme in die USA. Während einzelne Player der mitteleuropäischen Holzindustrie ihre Kapazitäten deutlich erweitern, riet der einleitende Referent, Univ.-Prof. Walter Sekot, den nach Luft ringenden Forstbetrieben: „Holzmarketing dauerhaft verbessern, Kosten dauerhaft senken, Nebeneinkünfte nachhaltig steigern und Nebenbetriebe auf Gewinnträger beschränken.“ So sehr dies gedanklich nachvollziehbar ist, so schwierig wird es gerade für kleinere Forstbetriebe in der Praxis nachzuvollziehen sein. Für viele von ihnen waren die vergangenen Monate charakterisiert von einem massiven Substanzabbau – sie führen quasi ein „Leben unter dem Existenzminimum“. Sekot machte dies dann auch an der durchaus provokanten Frage fest, ob die forstliche Erwerbswirtschaft wohl irgendwann zu einer Art Liebhaberei werden könnte.

Billiger Rohstoff ermöglicht Schnittholz-Fernexporte
Des einen Leid, des anderen Freud – nicht nur in Österreich, sondern in Mitteleuropa generell: „Niedrige Nadelrundholz-Preise sind die Grundlage für starke Exportzuwächse von deutschem Nadelschnittholz in die USA“, konstatierte Lukas Freise von der deutschen Arbeitsgemeinschaft Rohholz (AGR). Dieser Push-Effekt hüben wird noch verstärkt durch einen Pull-Effekt drüben. Denn wie dem Referat von Holzkurier-Chefredakteur Gerd Ebner zu entnehmen war, erzeugten einerseits Rundholzverknappung in Westkanada sowie die Waldbrände im Westen und Wirbelstürme im Süden der USA einen gewaltigen Sog bei US-Schnittholzimporten. Andererseits ist es der boomende Bausektor, der sich dort wacker gegen den allgemeinen konjunkturellen Abschwung stemmt und einen enormen Holzbedarf erzeugt. In Zeiten der Pandemie-Beschränkungen gebe es einen „Run“ auf Eigenheime sowie auf Grund und Boden.

Deutschland verlor 13% seiner Fichte
Aber wie lange kann diese Umverteilung zulasten des Waldes in Mitteleuropa noch weitergehen? Freise betonte, dass Deutschland in der jüngsten Kalamitätsphase seit 2018 rund 13% seines Fichtenvorrates eingebüßt habe, besonders stark im Westen des Landes. Laut Martin Fojt vom tschechischen Verband der Forstbetriebe SVOL habe sich in Tschechien der Einschlag von 2015 auf 2020 von nachhaltigen 15 Mio. fm auf 33 Mio. fm mehr als verdoppelt. Die von Trockenheit, Käfer und Stürmen besonders betroffene Fichte sieht Fojt in seinem Heimatland von knapp 50% Baumartenanteil 2019 mittelfristig auf 11% abstürzen.

Hilfspakete - Erste Hilfe, aber keine Therapie
Allenthalben werden nationale Hilfspakete für ums Überleben kämpfende Forstbetriebe geschnürt: Deutschland 1,5 Mrd. €, Tschechien 345 Mio. €, Österreich 350 Mio. €. Je nachdem, ob damit wie in Tschechien die Aufarbeitung von Schadholz pro Festmeter unterstützt oder, wie in Österreich, vor allem waldbauliche Maßnahmen für Wiederbewaldung und den klimafitten Wald gefördert werden, könnte dies mehr oder weniger weiter auf den Rundholzpreis drücken. Aber wenn durchdachte Regelungen zur Einleitung eines Bestandesumbaus klug begleitet werden und man dem Forst wieder Luft zum Atmen gibt, kann auch dort die Not zur Tugend werden. Dr. Alexander Petutschnigg von der FH Salzburg in Kuchl verwies auf vielversprechende Holzprodukte auch abseits der Fichte. Kasimir Nemestóthy von der Landwirtschaftskammer Österreich konnte der Tatsache einiges abgewinnen, dass der Anteil von Energieholz am Gesamtsortiment steigen wird. Ebner gab einen Lichtblick einer Trendumkehr nach oben beim Fichten-Rundholzpreis in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg „am Ende eines irren Jahres“. Und reflektierte über ein Zitat aus der Nadelschnittholzkonferenz von Anfang Oktober: „2020 wird uns wohl ewig in Erinnerung bleiben“.