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Fernerkundungsflugzeug mit Vorrichtungen für hochmoderne Laserscanner und digitale Luftbildkameras. © FMM

Forsteinrichtung 4.0

„Die digitale Wahrheit im Wald“

Ein Artikel von Hermann Novak, FMM | 01.02.2021 - 17:21
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Standard-Orthofoto 2019 in RGB 20cm mit abgeleiteten Einzel­bäumen aus den True Orthofotos. © FMM

Forsteinrichter kennen das: Über Jahrzehnte und wurden Bestandesdaten erhoben – terrestrisch gemessen unter unterschiedlichsten Bedingungen und von unterschiedlichen Personen. Die Software Timbercontrol des Salzburger IT-Unternehmens FMM nutzt nicht nur erstmals den oft seit Jahrzehnten lagernden „Datenschatz“ zur Steigerung der Performance. Durch Abgleichalgorithmen gelingt es auch, mit hoher Wahrscheinlichkeit fehlerhafte Messungen dabei auszuscheiden. Nach Expertenmeinung scheint hier ein großer Schritt gelungen zu sein. Einige sollen hier zu Wort kommen.

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Viel höhere Auflösung desselben Bestandes im True Orthofoto 2020 mit CIR 10 cm von FMM © FMM

Otto Eckmüllner, Professor an der Universität für Bodenkultur:
Seit fast 40 Jahren beschäftige ich mich mit forstlichen Stichprobeninventuren. Darunter waren folgende Highlights:

  1. Etablierung der Einheitshöhenkurven
  2. Zuwachsbohrung am Zentralstamm (wissenschaftliche Grundlagen von Franz Andrae)
  3. Verwendung von Laserscanning-­Daten, Pilotprojekt mit Wolfgang Rieger
  4. Ein-Personen-Stichprobe mit entsprechenden Kontrollerhebungen im Auftrag vom Land Tirol

All diese Bemühungen dienten der Aufwands- und Kostenreduktion unter Berücksichtigung von Qualität und Genauigkeitsstandards, wobei dies bei etlichen Dienstleistern nicht unbedingt der Fall ist.

In der Zwischenzeit wurde für Österreich die alle drei bis vier Jahre wiederholte Befliegung zur Erstellung digitaler Luftbilder mit immer besserer Auflösung eingeführt, auch die Entwicklung der Kameras – etwa der Ultracam M3 – ging schnell und wird nach wie vor vorangetrieben. Im Fotobeispiel sieht man, dass eine Einzelbaumableitung nur aus einem hochauflösenden True Orthofoto möglich ist.

Die Kombination von sehr genauen und hochauflösenden digitalen Geländemodellen aus Laserbefliegungen mit digitalen Luftbildern sogenannten „True Orthofotos“ ermöglicht neue ungeahnte Möglichkeiten für die praktische Forsteinrichtung und stellt zusätzlich einen Fundus für die ertragskundliche Wissenschaft dar.

Im ersten Schritt werden die einzelnen Bäume automatisch detektiert und markiert (gelbe Punkte, Abbildungen rechts) und deren Baumhöhe wird bestimmt. Unter Verwendung eines Tools der künstlichen Intelligenz wird die Baumart semiautomatisch ermittelt. Zur Kontrolle werden Stichproben erhoben. Zuerst erfolgt eine visuelle Überprüfung, dann eine Erhebung im Gelände. Daraus ergeben sich Korrekturfaktoren für die Stammzahl, die Baumart und den BHD. Hat man nun ausgeschiedene Bestände aus einer alten Forsteinrichtung mit gegebenem Alter, so kann man sehr einfach aus den Einzelbaumdaten die Summen bilden und kann mit Oberhöhe und Alter bonitieren. Den Bestockungsgrad erhält man durch Vorrat je Hektar dividiert durch Ertragstafelvorrat. Bei der Erhebung der Kontrollstichproben sollte der Zuwachs am Mittelstamm gebohrt werden, somit erhält man auch den Zuwachs des Bestandes.

Da es sich bei dieser Methode um alle Bäume des Bestandes handelt, gibt es keinen Stichprobefehler und daher eine sehr hohe Genauigkeit. Hiebsätze lassen sich analog zur bestandesweisen Taxation aus den Teilflächendaten beziehungsweise den SAFIplus-Daten (semiautomatische Forstinventur von FMM) ermitteln.

Zur Erstellung eines Ertragsmodells (z.B. einer Ertragstafel) braucht es die Höhenentwicklung über dem Alter. Diese kann mittels Stammanalysen anhand gefällter Bäume ermittelt werden (ein 3 Personen-Trupp benötigt ca. 90 Minuten pro Stammanalyse). Hat man nun aber ein True Orthofoto vergleichbarer Qualität, das vor drei Jahren erstellt wurde, so kann man von allen Bäumen, die heute vorhanden sind, den dreijährigen Höhenzuwachs automatisch berechnen. Trägt man nun die Höhenzuwächse über dem Alter auf, dann erhält man ein sogenanntes Richtungsfeld und somit reicht es, die sich daraus ergebende Differenzialgleichung zu lösen. Als Zweites benötigt man die Durchmesser-Dichte-Funktion (CD-Regel). Diese kann am einfachsten aus alten Inventurdaten hergeleitet werden, aber natürlich auch aus den Kontrollstichproben. Die Informationen über den ausgeschiedenen Bestand erhält man aus dem Vergleich mit dem älteren Luftbild. Es benötigt also keine eher suspekten Annahmen über die Durchforstungsart und die Margin-Formel. Hat man True Orthofotos mit Oberflächenmodell aus mehreren Jahren zur Verfügung, wird die Qualität der Modelle dadurch stark erhöht.

Hermann Novak, Geschäftsführer FMM
Als Dienstleister im Forst sowie in der Luftbilderstellung kam mir die Idee, diese Sparten zu verbinden, um dafür die Grundlage zu ermöglichen, den digitalen Wandel auch im Forstbetrieb sinnvoll zu nutzen. Durch die Einbindung von Forstbetrieben und die Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Otto Eckmüllner gelang es uns nun, eine Lösung zu finden, die den Anforderungen einer modernen Forstwirtschaft in einem digitalen, dynamischen Umfeld ermöglicht.

Die aus den True Orthofotos und Laserscanning gewonnenen Daten ermöglichen uns, Einzelheiten im Wald zu erkennen und auszuwerten. Die Verwendung von künstlicher Intelligenz erlaubt es uns weiters, diese Daten weiterzuverarbeiten und zu klassifizieren (z.B. Baumartenerkennung). Die Qualität der da­raus automatisiert abgeleiteten Daten übertraf alle unsere Erwartungen.

Eine laufende Aktualisierung aller Veränderungen – etwa der Nutzung, Schadensereignisse – ist mit TimberControl möglich. Die Software wurde für einen einfachen Ablauf aller notwendiger Schritte für eine automatisierte Datenableitung entwickelt. Besonderer Dank seitens FMM und aller mitwirkenden Forst­betriebe gilt Herrn Prof. Dr. Otto Eckmüllner.

Für die Mitarbeit und praktische Anwendung möchten wir folgenden Betrieben unseren Dank aussprechen: Bistum Gurk, Erzbistum Wien, Lichtenstein Kalwang, LeobenReal, Forstbetrieb Schenker. Gemeinsam konnten wir im vergangenen Jahr ca. 40.000 ha mit dieser Methode erfolgreich abwickeln.

Kunde Christian Berner, Erzbistum Wien:
Ziel aller Überlegungen ist die Ertragsregelung im Forst: Wie sieht es mit End- und Vornutzungsmengen aus? Welche Überlegungen kann man auf Vorratsentwicklungen, Umtriebszeiten und Stammzahlhaltungen vor allem mit Blick auf den Klimawandel vornehmen (weniger Stammzahlen, weniger Vorrat, kürzerer Umtrieb)?
Darüber hinaus ergeben sich Fragen und Antworten zur Bestandesbehandlung, die mit der Kontrolle und Entwicklung der Stammzahlhaltung verbunden mit den HD-Werten einhergehen. Damit kann der optimale Erstdurchforstungszeitpunkt je nach Behandlungsmodell festgestellt werden.

Auch Eingriffsnotwendigkeiten beim Unterschreiten kritischer Grundflächen (bedingt durch zu starke Eingriffe oder Kalamitäten) bei ausbleibender Verjüngung lassen sich leichter identifizieren. Da der Zieldurchmesser (ev. Zielhöhe, Zielvorrat) in den Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns rückt, gibt es das Endnutzungsalter nicht mehr und dies lässt ein dynamisches Nutzungsgeschehen zu (auch bei dauerwaldähnlichen Strukturen).Darüber hinaus wird eine dynamische flächenbezogene Forsteinrichtung realistisch.

Kunde Georg Rösslhuber, Bistum Gurk:
Als Endergebnisse stehen ein Ertragsmodell und eine Hiebsatzberechnung mittels SAFIplus zur Verfügung, maßgeschneidert und genau, da die Ableitung ja immer vom tatsächlich vorhandenem und gemessenen/berechneten Einzelbaum ausgeht. Diese Daten stellen ein exaktes Steuerungselement und Planungselement zur zukünftigen Bestandesbehandlung dar, mit exakten Ist-Werten und tatsächlichen Zuwächsen der Bestände.