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Eicheln

ACORN

Lokales Eichensaatgut: fit für den Klimawandel?

Ein Artikel von Dr. Simon Jansen, Dr. Charalambos Neophytou | 31.05.2021 - 08:05

Das aktuelle Tempo des Klimawandels stellt die Waldbäume und damit die Forstwirtschaft vor große Herausforderungen. Trockenereignisse rufen zunehmend Waldschäden bis hin zu großflächigem Waldsterben hervor und werfen die Frage auf, ob sich die heimischen Waldbaumarten den sich ändernden Umweltbedingungen anpassen können. Pro­gnostizierte Klimaänderungen haben eine Verschiebung von Standorteigenschaften zur Folge und resultieren somit potenziell in einer Verminderung der lokalen Anpassung derzeit stockender Bestände. Der oft zitierte Leitspruch, dass lokales Vermehrungsgut am besten für Bestandesbegründungen geeignet ist – „Local is the best“ –  wird somit wissenschaftlich vermehrt infrage gestellt und der Transfer von forstlichem Vermehrungsgut (Stichwort: assistierter Genfluss, eng. Assisted Gene Flow; AGF) als Alternative diskutiert. Die Grundidee besteht darin, durch die Verwendung von Saatgut aus Beständen, die aktuell trockenere Umweltbedingungen im Vergleich zum Anbauort aufweisen, zukünftige Wälder fitter für den Klimawandel zu machen.  Als Ursprungspopulationen für solches Vermehrungsgut könnten Waldbestände aus niedrigeren geografischen Breiten oder aus ariden Standorten innerhalb einer Region dienen. Trotz dieser Problematik sind die aktuellen Herkunftsempfehlungen immer noch stark auf regionale Saatgutquellen aus meist gut wasserversorgten Standorten, fokussiert.

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Alle drei ACORN-Eichenarten weisen eine breite ökologische Amplitude auf und wachsen sowohl auf trockenen wie feuchten Standorten. Hier Traubeneichen-Bestände in Staufen (Baden-Württemberg, Deutschland) an einem trockenen Standort.

Stiel-, Trauben- und Flaumeichen
Mit ACORN hat nun ein internationales Forschungsprojekt gestartet, das mit genetischen und genomischen Ansätzen versucht, Populationen der Stiel-, Trauben- und Flaumeiche zu identifizieren, die ein hohes Anpassungspotenzial an einen klimabedingt erhöhten Trockenstress aufweisen. Alle drei untersuchten Eichenarten weisen in Europa ein großes Verbreitungsareal auf und wachsen sowohl auf trockenen als auch auf gut wasserversorgten Standorten, die sich auch in räumlicher Nähe befinden können. Unter der Hypothese, dass natürliche Auslese zum Etablieren der trockentolerantesten Genotypen in Lagen mit ausgeprägtem Wasserdefizit beitrug, könnten die Eichen auch kleinräumig eine Widerstandsfähigkeit gegen Dürre entwickelt haben.

Um dies zu überprüfen, wurden in ACORN zwei Untersuchungsgebiete festgelegt, in denen alle drei Eichenarten natürlich vorkommen: Mitteleuropa (einschließlich Deutschland, der Schweiz und Österreich) und Ostmittelmeer (Griechenland, Türkei). Das Forschungsteam, bestehend aus mehreren wissenschaftlichen Institutionen der beteiligten Länder (siehe: beteiligte Partner, S. 12), wählt nun innerhalb der beiden Untersuchungsgebiete Bestandespaare der Stiel-, Trauben- und Flaumeiche aus, die aus jeweils einem trockenen und einem gut wasserversorgten Standort in räumlicher Nähe bestehen. 

Alle im ACORN-Projekt ausgewählten Bestände werden mittels Zellkern- und Chloroplasten-DNA-Markern genetisch analysiert. Diese Ergebnisse können bei der Arterkennung helfen, da morphologische Merkmale bei den untersuchten Eichenarten oft nicht eindeutig ausgeprägt sind und auch Hybridisierungen häufig vorkommen. Da neben Zentraleuropa Eichenbestände aus dem Ostmittelmeer Gebiet im Fokus von ACORN stehen, kann unser Wissen über räumliche genetische Strukturen erweitert werden, da diese Region in bisherigen Studien wenig repräsentiert war. 
Anschließende genomische Analysen zielen darauf ab, die Anpassung der Eichen innerhalb von (zwischen trockenem und frischem Standort) und zwischen den Untersuchungsgebieten Mitteleuropa und dem östlichen Mittelmeergebiet zu beschreiben. Hierbei geht es insbesondere um die Frage, ob Gene oder Genombereiche spezifische oder gemeinsame Signaturen der Anpassung an Trockenheit regional (zwischen unterschiedlich wasserversorgten Standorten innerhalb einer Region) und interregional (klimatisch bedingt zwischen Regionen) aufzeigen. Zudem sollen Untersuchungen über Zusammenhänge zwischen genomischer und standörtlicher Variation Aufschluss geben, welche Umweltfaktoren für die Anpassung relevant und welche Gene dabei involviert sind. Durch die Anlage eines Feldversuchs sollen außerdem Zusammenhänge zwischen Genotyp und Phänotyp gefunden werden. Hierzu werden Sämlinge verschiedener Herkunft auf jeweils einer Versuchsfläche pro Untersuchungsgebiet angezogen und morphologisch wie genetisch untersucht. 

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Das natürliche Verbreitungsgebiet der Stiel-, Trauben- und Flaumeiche nach Information des EUFORGEN Netzwerks sowie die beteiligten Länder im ACORN Projekt

Fehlanpassungsrisiko minimieren
Basierend auf diesen Ergebnissen, soll ein Konzept erarbeitet werden, um die aktuellen Herkunftsempfehlungen für Eiche an die Anforderungen des Klimwandels anzupassen. Der Fokus soll hierbei auf der Identifizierung von Herkünften liegen, deren genetische Merkmale zum zukünftigen Klima des Anbauorts passen und so das Fehlanpassungsrisiko bei Saatguttransfers minimieren. Insbesondere soll im Rahmen dieses Projekts das Potenzial von einem kleinräumigen Saatguttransfer aus regionalen Saatgutquellen im Vergleich zu weiträumigen Verbringungen erforscht werden. Mit diesem Ansatz könnten auf regionaler Ebene „vorausschauende“ Bestände gefunden werden, deren Saatgut zur Justierung der lokalen Anpassung beitragen können, ohne regionale genetische Strukturen maßgeblich zu verändern.

Interessensgruppen einbeziehen
Sowohl national als auch auf europäischer Ebene sind die Verwendung und der Transfer von forstlichem Vermehrungsgut rechtlich geregelt. Somit sollten Projekte, die einen Diskurs in diesem Themenfeld beginnen, rechtzeitig politische Entscheidungsträger und die forstwirtschaftliche Praxis in diesen Prozess einbeziehen. In ACORN werden von Anfang an ein weites Netz an Interessengruppen in allen fünf teilnehmenden Ländern eingebunden, um gesetzliche Regelungen, marktrelevante Aspekte oder Ansichten von NGOs in der Konzeptionierung zu berücksichtigen. Dies soll die praktische Relevanz der geplanten Forschung sicherstellen und auch die Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis verstärken.

Durch die Vernetzung von Grundlagenforschung (Genomik) mit Fragestellungen aus der forstlichen Praxis (Herkunftswahl) können die Ergebnisse aus ACORN sowohl wissenschaftlich, technisch als auch wirtschaftlich Verwendung finden. Das Konzept zum Saatguttransfer soll ab Projektende eine wichtige Grundlage zur Erarbeitung von Herkunftsempfehlungen für Saatgut der Eiche bilden. Die im Projekt entwickelten Methoden können auch bei anderen Baumarten als Grundlage für die Erarbeitung ähnlicher Fragestellungen dienen. 

Webtipp:
www.acorn-biodiversa.net