Schwerpunkt Holzlogistik

Klimafreundliche Holzbereitstellung?

Ein Artikel von Dr. Martin Kühmaier, Dr. Christian Kanzian, Dr. Iris Kral | 30.07.2021 - 10:48
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Der Holztransport mit Lkw hat sich als der größte Emittent von Treibhausgasen innerhalb der Bereitstellungskette erwiesen. Hinter der Bewirtschaftung von Wäldern steht fast ausschließlich Motorkraft und der Verbrauch fossiler Energieträger. © C. Kanzian

Dass durch das Wachsen von Bäumen und in weiterer Folge in Holzprodukten Kohlenstoff gebunden wird, ist hinlänglich bekannt und wissenschaftlich dargestellt. Dass durch die Bewirtschaftung des Waldes CO2 freigesetzt wird, bleibt hingegen oft ausgeblendet. Auch in einem Forstbetrieb werden fossile Energieträger verbraucht. Motoren laufen, wenn Infrastruktur gebaut wird, Revierpersonal zum Einsatzort fährt, Holz geschnitten, gerückt, aufgeladen, gehackt, transportiert und entladen wird. Damit trägt auch die Bereitstellung von Säge-, Industrie- und Energieholz zur Klimaerwärmung bei.

Wie hoch die Treibhausgas-Emissionen sind, die bei der Produktion eines Festmeters Holz in Österreich durchschnittlich entstehen, wurde erstmals auf Initiative der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) in einem umfangreichen zweijährigen Projekt an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) untersucht. Unter dem Titel „TILCA – Ökobilanzierung der Holzbereitstellung bis zum Werk unter Einbeziehung neuer Technologien“ betrachtete ein interdisziplinäres Forscherteam den gesamten Lebenszyklus der wichtigsten erneuerbaren Ressource unseres Landes – von der Aufzucht der Forstpflanzen bis zur Übernahme des Holzes am Werk – und erstellte damit eine Ökobilanz. 

 

Systematische Betrachtung von Umweltwirkungen
Unter einer Ökobilanz oder Lebenszyklusanalyse versteht man die systematische Betrachtung aller Umweltwirkungen eines Produktes oder einer Dienstleistung, von der Herstellung bis zur Entsorgung. Im Rahmen von TILCA (Timber Life Cycle Assessment) lag das Hauptaugenmerk auf dem Treibhauspotenzial, das oft mit der englischen Abkürzung GWP (Global Warming Potential) bezeichnet und in CO2-Äquivalenten (CO2-eq) angegeben wird. Da Daten über Betriebsmitteleinsatz und Maschinenausstattung im Bereich von Holzernte und -bereitstellung äußerst rar sind und oft auf Erfahrungswerten oder Schätzungen beruhen, mussten zum Teil eigene Versuchsanordnungen entwickelt und Messungen durchgeführt werden. In die Betrachtung wurden auch neue Technologien wie Hybridantriebe, Elektrofahrzeuge und Akkutechnologien einbezogen.

Schneiden neue Technologien besser ab als die bislang eingesetzten Verbrennungsmotoren? Wie viel würde eine Umstellung auf Akku-Motorsägen bringen? Wie unterscheiden sich die Umweltwirkungen bei unterschiedlichen Bewirtschaftungsweisen? Und wo liegen konkrete Verbesserungspotenziale? – Die Studie brachte spannende Ergebnisse.

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Rückung und Aufarbeitung mit Seilgerät und Prozessor haben ein Treibhauspotenzial von circa 4 kg/m³ CO2-eq. © K. Stampfer

Analyse unterschiedlicher Holzerntetechnologien
Das Fällen und Aufarbeiten fallen – siehe Grafik – bei der Gesamtbetrachtung des GWP zwar kaum ins Gewicht, brachten aber unerwartete Ergebnisse. So erwiesen sich beispielsweise aus ökologischer Sicht das Fällen und Aufarbeiten mit Motorsäge (CO2-eq: 0,26 kg/m³) als weitaus umweltverträglicher als der Einsatz eines Harvesters (3,40 kg/m³).
Die Rückung mit Schlepper (7,91 kg/m³) ist hinsichtlich der Treibhausgas-­Emissionen circa viermal umweltschädlicher als zum Beispiel mit Traktor oder Forwarder (3,07 kg/m³). Die Rückung von Schlagabraum mit Forwarder verursacht etwa doppelt so hohe Emissionen wie die Rückung von Rundholz mit derselben Technologie. Rückung und Aufarbeitung mit Seilgerät und Prozessor gingen aus den Berechnungen mit einem Treibhauspotenzial von circa 4 kg/m³ CO2-eq hervor.

Die Holzernte mit Fällen, Rücken und Aufarbeiten hat – egal, welche Technologie zur Anwendung kommt – in der Regel weitaus geringere Umweltauswirkungen als der Holztransport. Sein Treibhauspotenzial steht und fällt mit der zurückgelegten Distanz. Der Transport mit Rundholz-Lkw über 200 km emittiert mehr als 30 kg/m³ CO2-eq, während bei einem Transport über 50 km nur 8 kg/m³ zu veranschlagen sind.

 

Einsparungsmöglichkeiten erkennen und quantIfizieren
Im Schnitt werden in Österreich 26,18 kg/m³ CO2-eq für die Bereitstellung vom Waldort bis zum Werk emittiert. Bei den ÖBf liegt der Vergleichswert mit 26,67 kg/m³ kaum höher und im Kleinwald (< 200 ha) erreicht er aufgrund des etwas höheren Anteils an Energieholz 27,05 kg/m³. Vergleicht man die in 1 m³ Holz gespeicherte Menge an CO2, die rund 920 kg beträgt, mit der durch die Bereitstellung anfallenden Menge CO2, so erkennt man einerseits, wie wichtig die Funktion des Waldes als Kohlenstoffspeicher ist. Andererseits wird deutlich, dass das Verhältnis zwischen emittiertem und gespeichertem CO2 bei 1:35 liegt und der Bereitstellungsprozess des Rohstoffs Holz daher als klimafreundlich bezeichnet werden kann, vor allem dann, wenn das gespeicherte CO2 für einen längeren Zeitraum gebunden wird, also das Holz nicht sofort energetisch genutzt oder entsorgt wird.

Trotzdem gibt es auch in der Forstwirtschaft Verbesserungspotenzial. Der größte Hebel innerhalb der Bereitstellungskette Holz liegt beim Lkw-Transport. Geeignete Klimaschutzmaßnahmen sind die Reduktion der Transportdistanzen, die Erhöhung des Bahnanteils, die Reduktion des Treibstoffverbrauchs und die Verwendung nicht fossiler Treibstoffe. Wie die Grafik zeigt, würde eine Erhöhung des Bahntransportanteils von beispielsweise 15 auf 25% einen Rückgang des GWP von 24,3 kg/m³ auf 22,6 kg/m³ CO2-eq bringen. Die Berechnungen basieren auf Transportdistanzen des Lkw von 160 km, wobei die Hin- und Retourfahrt jeweils circa 80 km ausmachen, und der Eisenbahn von 227 km. Bei der Holzernte haben Maßnahmen zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs durch Maschineneinstellungen und Fahrertraining, die Verwendung von Biodiesel oder Akku-Technologien ein großes Einsparungspotenzial.

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© D. Holley / Forstzeitung

Jährliches Einsparungspotenzial: 100.000 t CO2-eq
In Österreich besteht in Holzernte und Holztransport ein theoretisches jährliches Einsparungspotenzial von bis zu 100.000 t CO2-eq. Oft sind den ökologischen Verbesserungsmaßnahmen durch die technische und ökonomische Machbarkeit enge Grenzen gesetzt. Neue Technologien basierend auf Elektro- oder Hybridtechnologie existieren erst in Ansätzen. Es sind weitere Entwicklungsschritte erforderlich, bevor sie in Holzernte und -transport umfassend eingesetzt werden zu können. Nur bei Freischneidern, Motorsägen und Laufwägen gibt es bereits marktreife Modelle, die in größerer Anzahl im Einsatz sind. Hybridtechnologien bei Seilgeräten, Harvestern und Forwardern befinden sich meist erst an der Schwelle zur Marktreife.

 

Berechnungstools für die Praxis
Die beiden im Rahmen des Forschungsprojekts entwickelten Berechnungstools wurden mit den im Projekt ermittelten Parametern hinterlegt, wie etwa das Treibhauspotenzial eines Harvesters pro Betriebsstunde, und sind dank hoher Benutzerfreundlichkeit auch für den Einsatz in der Forstpraxis geeignet. Der Systemrechner ermöglicht die Berechnung des Treibhauspotenzials für eine spezifische Bereitstellungskette. Durch die Eingabe von Standorts- und Bestandesdaten können spezifische Nutzungen abgebildet und deren Umweltauswirkungen abgeschätzt werden. Dies erlaubt den Vergleich mit alternativen Szenarien und die Auswahl des umweltverträglichsten Bereitstellungssystems.

Der Bilanzrechner ermöglicht die Berechnung des Treibhauspotenzials für ein Forstrevier, einen Forstbetrieb oder eine andere definierte administrative Einheit. Durch die Eingabe der Erntemengen je Holzernte- und Transportprozess lassen sich die gesamten Treibhausgas-Emissionen für die Sortimente Rundholz, Brennholz, Waldhackgut für die jeweilige Betrachtungseinheit einfach ermitteln. Auf Anfrage werden die beiden auf Basis eines Tabellenkalkulationsprogramms funktionierenden, sehr benutzerfreundlichen Rechner interessierten Betrieben, die sich puncto Klimafreundlichkeit an den angeführten Vergleichswerten messen wollen, gerne zur Verfügung gestellt.

 

Resümee
Die gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass die Holzbereitstellung bereits heute klimafreundlich durchgeführt wird und das erstrebenswerte Ziel einer klimaneutralen Bereitstellung näher rückt. Die Ergebnisse sind für die forstliche Praxis erfreulich und sollten gleichzeitig Motivation liefern, bei den größten Verursachern in der Kette anzusetzen, um die Klimaneutralität vor allen anderen Branchen zu erreichen. 

 

 

CO₂-​Äquivalente geben die Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase an. Ihr Beitrag zur Erderwärmung in einer bestimmten Zeiteinheit wird mit der Wirkung von CO2 verglichen – so ist das Treibhauspotenzial von Methan (CH4) etwa um das 28-Fache höher, jenes von Lachgas (N2O) um das 265-Fache. Zur Berechnung – und Vergleichbarkeit – des Global Warming Potentials (GWP) eines Produktes oder Prozesses werden alle Treibhausgas-Emis­sionen summiert.

Auftrag- und Fördergeber war das BMLRT, Kofinanzierungen stammten von ÖBf und zu einem kleineren Teil vom Forstbetrieb Franz Mayr-Melnhof-Saurau. Projektpartner waren das BFW, Konrad Forsttechnik und die Landwirtschaftskammer Steiermark.