Waldcampus Traunkirchen

Wald und Wissen - alles wächst

Ein Artikel von Stefan Heuberger, Fachlehrer an der Forstfachschule Traunkirchen | 31.08.2021 - 10:33
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Marteloskop-Vorführung beim Sommerpraxistag des Waldcampus Traunkirchen - Start der Gruppenarbeit mit Stefan Heuberger © E. Senitza

Am 24. August wurde im Rahmen der Kooperationsveranstaltung „Sommerpraxistag – Klimaanpassung und naturnaher Waldbau“ zwischen der Vereinigung zur Förderung naturnaher Waldbewirtschaftung Pro Silva Austria und der Forstlichen Ausbildungsstätte (FAST) Traunkirchen das neu installierte Marteloskop im Lehrforst des Waldcampus Österreich erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Diese erste Marteloskopfläche in Österreich ist ein Teil des Projektes Referenzflächen Naturnaher Waldwirtschaft (ReSiNat Wald 2.0), das in Kooperation von BFW und Pro Silva Austria erfolgt. Waldbauprofessor Dr. Martin Guericke von der Fachhochschule Eberswalde/DE hat mit seiner langen Marteloskop-Erfahrung durch den sommerlichen Praxistag begleitet.

Was ist ein Marteloskop?
Unter einem Marteloskop versteht man ein innovatives Lehr- und Lernwerkzeug, das waldbauliche Eingriffe simuliert und deren Auswirkungen auf den Bestand direkt vor Ort sichtbar macht. Konkret handelt es sich um eine Waldfläche, innerhalb derer alle Bäume (Kluppschwelle 7,5 cm) inventarisiert wurden und die mithilfe einer eigens dafür entwickelten Auswertungs- und Simulationssoftware mit einer vorgegebenen Zielvorstellung bearbeitet wird. Der Fokus liegt dabei auf der Übung waldbaulicher Entscheidungen und der Integration von Biodiversitätsaspekten in die Waldbewirtschaftung.
Die ökonomischen und ökologischen Konsequenzen für den Bestand der individuellen Managementstrategien können dann direkt im Anschluss in der Gruppe objektiv diskutiert werden: Zu welchem Bestandesbild führte die eigene Strategie? Welcher ökonomische Wert konnte generiert werden? Wie viel ökologischer Wert – ausgedrückt in Habitatstrukturen – konnte erhalten werden? Wie unterscheidet sich die eine Strategie von einer anderen? Können sogenannte „Konfliktbäume“ identifiziert werden? (Erläuterung von Nastasja Harnack, BFW) 

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Marteloskop: Tablet für die „Taferlklasse“ – mit Auszeige- und Auswertungssoftware © E. Senitza

Kooperationen beleben
Die Software wird vom European Forest Institute (EFI) zur Verfügung gestellt und kann mit einem Tablet im Wald bedient werden. Durch diese ständige Eichung der eigenen Auszeige ist eine zielgerichtete Weiterentwicklung und Reflexion möglich. Um den maximalen Lernfortschritt für die Nutzer zu erzielen, wurden insgesamt drei kleinere Marteloskope in unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Stangenholz bis ins Altholz angelegt.
Ebenso divers wie die Bestände sind auch die Kooperationspartner dieses Projektes. Die Flächen befinden sich im Lehrforst des Waldcampus im Nahbereich des Taferlklaussees. Schon die Nutzung dieses Schulforstes an sich, ist eine Partnerschaft mit den Eigentümern Österreichische Bundesforste (ÖBf). Der Waldcampus Österreich in Traunkirchen am Ufer des Traunsees ist das größte und modernste Waldkompetenzzentrum Europas. Aber er ist keine eigenständige Einrichtung, sondern die Bezeichnung des Hauses, das sich mehrere forstliche Institutionen gemeinsam teilen.
Durch diesen Synergieeffekt ist es der Forstfachschule Traunkirchen und der FAST Traunkirchen möglich, Wissenstransfer, gemeinsame Projektarbeiten und forstliche Spezialeinrichtungen gemeinsam nutzen zu können. Zusätzlich befindet sich unter diesem Dach der Einforstungsverband und demnächst auch das Schutzwaldzentrum. Die Errichtung des Marteloskops entspringt wiederum einem partnerschaftlichen Projekt von Pro Silva Austria und dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW), im Rahmen des Projektes RESYNAT 2.0 – Referenzflächen für Naturnahe Waldwirtschaft.
Nun auch noch für die Auftaktveranstaltung Forstwissenschaftler Dr. Guericke grenzüberschreitend einzuladen, rundet die bewusste Entscheidung zu kollegialen Kooperationen und regen Austausch ab: eine Win-win-Situation für alle beteiligten Partner-Organisationen, SchülerInnen, KursteilnehmerInnen und Vereinsmitglieder. Dadurch wird ein offenes, praxisnahes und wissensvermittelndes Miteinander gelebt.

Die Idee der Sommerpraxistage
Die Sommerpraxistage fanden in entspannter Atmosphäre im Lernraum Wald statt. Neben fachlichen Informationen sollte der kollegiale Erfahrungsaustausch nicht zu kurz kommen. Die ursprüngliche Idee stammt aus Deutschland und wird dort Summer School genannt. Seit 2016 organisiert die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde mit der Dauerwaldstiftung Pommern jeweils in der Woche vor Beginn des Wintersemesters eine Summer School zum Thema „Dauerwald“. Im Rahmen dieser einwöchigen Veranstaltung werden neben den theoretischen Grundlagen schwerpunktmäßig verschiedene waldbauliche Ausgangssituationen vorgestellt und Ansätze zur Entwicklung oder dem Erhalt dauerwaldartiger Waldstrukturen diskutiert.
Dr. Guericke vertritt seit 2006 das Fachgebiet Waldwachstumskunde am Fachbereich für Wald und Umwelt an der Hochschule Eberswalde. Er ist federführend an der Idee Summer School involviert und begleitet die Studierenden durch diese praxisnahe Lernwoche. Ein Schlüsselelement in diesem Konzept sind zielgerichtete Auszeigeübungen in Marteloskopen. Nach dieser Leitidee wurde für Traunkirchen ein adaptierter dreiteiliger Kurs mit der Bezeichnung „Sommerpraxistage“ entwickelt.
Neben diesem Veranstaltungstag am 24. August zum Thema „Klimaanpassung und naturnaher Waldbau“, haben an den Folgetagen 25. und 26. August zwei weiter Sommerpraxistage stattgefunden. Zum einen das waldbauliche Konzept „Buche-Lärche – ein kongeniales Paar?“ und zum anderen das traditionelle Pro Silva Sommergespräch mit dem diesjährigen Thema „Integrierende Bergwald-Bewirtschaftung“ in Molln im ÖBf-Forstbetrieb Steyrtal. Diese beiden Veranstaltungstage wurden unter der Organisation von Franz Reiterer realisiert und werden in der Oktober-Ausgabe der Forstzeitung näher beleuchtet. Im Unterschied zur Summer School sind die Sommerpraxistage überwiegend an aktive Waldbewirtschafter gerichtet und sollen eine Hilfestellung für die Praktiker bieten.

Klimaanpassung und naturnaher Waldbau
Die professionelle Bewirtschaftung von dauerwaldartigen Strukturen und die Umwandlung bestehender Altersklassenwälder sind im Lichte der Klimaerwärmung mögliche Strategien für einen nachhaltigen und zukunftsträchtigen Waldbau. Die TeilnehmerInnen haben an diesem Kurstag unter Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Aspekte eine Strukturdurchforstung in einem einschichtigen Altersklassenwald ausgezeigt. Die Entnahmebäume in den Marteloskop-Beständen wurden am Tablet ausgewählt und haben durch die automatisierten Auswertungen, ein virtuelles und direktes Feedback auf die physische Aktivität in der Natur gegeben. Hier spielt neben der Baumartenverteilung, vor allem die Stammzahlenverteilung und der gewählte Gleichgewichtsvorrat eine entscheidende Rolle. Durch die Übung am Marteloskop ist eine permanente Eichung unserer forstlichen Sinne gewährleistet. Durch vorhergehendes Anschätzen verschiedener Parameter wie etwa Entnahmemenge oder Durchmesserverteilung und der Gegenüberstellung mit den Ergebnissen der Auswertung ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess des individuellen „Götterblickes“ garantiert.

Aktuell wurden europaweit 147 Marteloskope eingerichtet – de facto überall, wo man sich mit Dauerwald beschäftigt. Weitere Informationen zu Marteloskopen und dem Integrate+-Projekt: www.integrateplus.org