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Mischwald (Mühlviertel/OÖ) © D. Holley

Wald im Klimawandel

Alternativen zu Fichtenreinbeständen

Ein Artikel von Thomas Knoke, Stefan Friedrich | 03.12.2021 - 08:37

Forstwirtschaft in Mitteleuropa war in der Vergangenheit wirtschaftlich geprägt von reinen Fichtenbeständen. So repräsentieren Fichtenbestände beispielsweise rund 45% des ökonomischen Wertes der europäischen Wälder, obwohl ihr Flächenanteil in ganz Europa nur 15% umfasst.
Besonders in den tieferen Lagen werden reine Fichtenbestände aber mittlerweile sehr stark durch Dürre, Borkenkäfer und Wind geschädigt. In solchen Fichtenbeständen maximieren aus ökonomischer Sicht kurze Umtriebszeiten um die 70 Jahre den ökonomischen Erfolg, wie etwa die Bodenrente. Fichtenreinbestände unterliegen einem enormen Risiko. Selbst wenn wir Extremszenarien ausschließen und nur mit einer milden, zufallsgeprägten Unsicherheit rechnen, kann die pessimistische Bodenrente 58% unterhalb der optimistischen Bodenrente liegen.

Modellansatz zur Optimierung alternativer Bestandestypen
Vor dem Hintergrund der sich in Zukunft vermutlich noch verschärfenden Pro­bleme bei der Wirtschaft mit reiner Fichte lohnt es sich, über Alternativen nachzudenken. Um den Zielfindungsprozess zu unterstützen, wurde an der Professur für Waldinventur und nachhaltige Nutzung der Technischen Universität München ein neuer Optimierungsansatz entwickelt, den wir hier nutzen, um optimale Alternativen zu finden. Dabei werden Baumartenzusammensetzung und Eingriffsstärken nicht vordefiniert, sondern sind Ergebnisse der Optimierung.
In unserem Fall unterstellen wir, dass der Waldbesitzer sich gegen Risiken absichern möchte, aber dennoch eine möglichst hohe Bodenrente erzielen will. Grundsätzlich könnte man aber auch andere Zielsetzungen simultan berücksichtigen. 

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Ökonomische und ökologische Kennwerte für die drei Bestandestypen © T. Knoke, S. Friedrich

Einbeziehung von Ausfallrisiken
Wir können derzeit maximal drei Baumarten in die Optimierung auf Bestandesebene einbeziehen und betrachten zunächst einen Mischwald aus Fichte und Buche mit Tanne und alternativ mit Douglasie. Die Eingangsdaten wurden aus ertragskundlichen Wachstumsfunktionen abgeleitet, zudem wurden aktuelle Ausfallrisiken einbezogen. Anhand dieser Ausfallrisiken kann man eine Standardabweichung der erwarteten Deckungsbeiträge ableiten. Schließlich wurde für jede Baumart neben dem optimistischen (erwarteten) ein pessimistisches Szenario der Deckungsbeiträge berücksichtigt, das eine Differenz zum optimistischen Szenario von dreimal der Standardabweichung aufweist.
Jede paarweise Kombination zwischen optimistischen und pessimistischen Szenarien wurde schließlich in Form von entsprechenden Eingangskoeffizienten berücksichtigt. Ein mathematischer Algorithmus suchte dann diejenigen Baumartenmischungen und Verteilungen der Holzentnahmen, die den Abstand zwischen der Bodenrente im schlechtesten Szenario zur Bodenrente im bestmöglichen Szenario minimierten (Spanne zwischen erwarteter optimistischer und pessimistischer Zielerreichung in der Tabelle).

Veränderte Bestandeszusammensetzung und Bewirtschaftung
Durch die Vorgabe, eine Risikoabsicherung zu erhalten, kommt es zu einer gänzlich anderen Bestandeszusammensetzung und Bewirtschaftung als im Fichten-Kahlschlagsbestand. Um die pessimistischen Deckungsbeiträge einzelner Baumarten zu bestimmten Eingriffszeitpunkten möglichst gut zu puffern, setzt die Optimierung auf eine Diversifizierung der Baumarten und der Eingriffszeitpunkte, was zu ungleichaltrigen Beständen führt. Diese werden durch früh einsetzende und gestaffelte Verjüngung (Beginn im Alter von 40 Jahren) erreicht, wie die Abbildung zeigt.
Im Fall des von Tannen dominierten Bestandes wird eine Art Prämie zur Risikominderung fällig, was sich in einem rund 9% niedrigeren, unter optimistischen Bedingungen erwarteten Bodenertragswert äußert. Allerdings fällt eine Reihe anderer Indikatoren deutlich besser aus als im reinen Fichtenbestand mit Kahlschlag. So sind der Shannon-Index (der die Diversität der Altersklassen auf Bestandesebene charakterisiert), die Summe der über 120 Jahre erzielten Deckungsbeiträge, die durchschnittliche Kohlenstoffspeicherung in der oberirdischen Biomasse des Bestandes und die erwartete Differenz zwischen optimistischer und pessimistischer Zielerreichung deutlich besser im ungleichaltrigen Mischbestand als im gleichaltrigen Reinbestand.
Der ungleichaltrige Mischbestand mit Douglasie ist der reinen Kahlschlagsfichte in allen Zielkriterien überlegen. Nicht nur Bodenertragswert und Summe der Deckungsbeiträge fallen deutlich höher aus; die Kohlenstoffspeicherung des Bestandes ist doppelt so hoch wie im reinen Fichtenbestand. Die Buche nimmt in unserem Modell nur geringen Raum ein, da sie zwar stabile, allerdings im Vergleich zum Nadelholz deutlich geringere Erträge liefert. Dies könnte sich bei anderen Rahmenbedingungen auf dem Holzmarkt auch ändern.

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Entwicklung des Holzvorrates in Abhängigkeit von Bewirtschaftungsform und Bestandeszusammensetzung © T. Knoke, S. Friedrich

Lohnende und Relativ Naturnahe Bestandestypen
Somit scheinen sehr lohnende und noch dazu relativ naturnahe Bestandestypen zu existieren, die in unsicheren Zeiten attraktive Alternativen zu traditionellen Fichten-Altersklassenbeständen darstellen. Die beschriebenen Bestandestypen resultieren dabei aus rein ökonomischen Zielsetzungen. Ihre Zusammensetzung und Struktur ändert sich allerdings, wenn andere Zielkriterien in die Optimierung einbezogen werden. Beispielsweise steigt bei multiplen Zielsetzungen der Buchenanteil auf bis zu 27%, aber eben auch nicht höher.

 

 

 

Literatur: 
Brandl, S., Paul, C., Knoke, T., Falk, W. 2020. The influence of climate and management on survival probability for Germany. Forest Ecol. Manage. 458, 117652.
Hanewinkel, M., Cullmann, D.A., Schelhaas, M.-J., Nabuurs, G.-J., Zimmermann, N.E., 2013. Climate change may cause severe loss in the economic value of European forest land. Nat. Clim. Chang. 3 (3), 203–207. 
Knoke, T., Kindu, M., Jarisch, I., Gosling, E., Friedrich, S., Bödeker, K., Paul, C., 2020. How considering multiple criteria, uncertainty scenarios and biological interactions may influence the optimal silvicultural strategy for a mixed forest. For. Policy Econ. 118, 102239. 
Knoke, T., Gosling, E., Thom, D., Chreptun, C., Rammig, A., Seidl, R., 2021. Economic losses from natural disturbances in Norway spruce forests – A quantification using Monte-Carlo simulations. Ecol. Econ. 185, 107046