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Totholz © Mathias Neumann

Pilotstudie

Zersetzung von Totholz

Ein Artikel von Ass.-Prof. Dr. Mathias Neumann (BOKU), Sebastian Echeverria (BOKU), Univ.-Prof. Dr. Hubert Hasenauer (BOKU) | 03.03.2022 - 08:15

Totholz ist Teil unserer Wälder – unabhängig davon, ob diese bewirtschaftet oder unbewirtschaftet sind. Totholz ist Lebensraum für eine Vielzahl oft weitgehend unbekannter Tier-, Pilz- und Pflanzenarten und deswegen ist Totholz ein wichtiger Indikator für Biodiversität. Es erfüllt aber auch noch andere wichtige Aufgaben, so kann etwa stärker verrottetes und damit poröses Totholz große Mengen an Wasser aufnehmen und damit den Wasserkreislauf beeinflussen. Totholz enthält zudem wichtige Nährstoffe, wie Kalium, Calcium und Phosphor, und vor allem Kohlenstoff, das bei Holz rund 50% der Masse ausmacht. Da diese Inhaltsstoffe erst durch die Zersetzung von Mikroorganismen und Pilzen wieder an den Boden und an die Luft freigesetzt werden, ist Totholz ein wichtiger Kohlenstoffspeicher und Nährstoffquelle.

 

Verfügbare Daten

Die Österreichische Waldinventur (ÖWI) misst Totholzvolumen auf den rund 9.000 Inventurpunkten mittels Stichprobenverfahren. Die Ergebnisse der letzten Inventuraufnahme (2016-2019) zeigen, dass im Durchschnitt 8,1 m3/ha stehendes Totholz, 12,5 m3/ha liegendes Totholz und 10,3 m3/ha Stocktotholz (jeweils mit einem Durchmesser > 10 cm) vorhanden sind. Diese in Summe 31 m3/ha mittlerer Totholzvorrat im österreichischen Wald unterscheiden nicht zwischen bewirtschafteten und unbewirtschafteten Beständen, wobei jedoch anzumerken ist, dass Wirtschaftswald geringere Mengen an Totholz aufweist.

Messungen in Naturwaldreservaten geben Hinweise auf mögliche Totholzpotenziale, wenn keine Holznutzungen stattfinden und Störungen und Konkurrenzdruck wirken können. Diese schwanken zwischen 23 m3/ha und 109 m3/ha Totholzvorrat gemittelt über alle Naturwaldreservate (Oettel et al. 2020).

 

Pilotstudie zur Totholzzersetzung

Während in den vergangenen Jahren somit umfangreiche Daten zum Totholzvolumen erhoben wurden, wissen wir wenig zur Dichte, den Zersetzungsprozessen sowie den davon abhängigen Kohlenstoff- und Nährstoffgehalt. Diese Frage ist insofern von besonderem Interesse, um besser einschätzen zu können, wie lange Totholz Kohlenstoff speichert, bevor dieser durch Zersetzung freigesetzt wird.

In einer Pilotstudie wurden für ausgewählte Bestände in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland eine Totholzinventur mittels Linientransekten und Probeflächen durchgeführt. Vorort wurde der Zustand des Totholzes ermittelt, in dem der „Zersetzungsgrad“ auf Basis der Holzstruktur und -oberfläche sowie dem Vorhandensein von Rinde erhoben wurde. Zersetzungsgrad 1 bedeutet keine Anzeichen für Zersetzung, harte Oberfläche und noch vorhandener Rinde, während Totholz mit Zersetzungsgrad 5 keine Rinde mehr hat, eine pulvrige Struktur aufweist und zerfällt, wenn man es bewegt (siehe Tabelle). Für ausgewählte Totholzstücke (für alle Hauptbaumarten, in drei Stärkeklassen, 2-10 cm, 10-20 cm und >20 cm) wurden im Labor Holzdichte und Porosität bestimmt.

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Tabelle: Verwendeter Bestimmungsschlüssel für den Zersetzungsgrad von Totholz.

Schwaches Totholz ist wichtig

Die Versuchsflächen wiesen einen typischen leicht höheren Totholzvorrat (51 m3/ha, liegendes, stehendes Totholz und Stöcke, Durchmesser > 2 cm) als der österreichische Durchschnitt (31 m3/ha, Durchmesser > 10 cm) auf. Die Variabilität zwischen und innerhalb von Beständen war sehr hoch. Totholz mit Zersetzungsgrad 2 und 4 waren mengenmäßig mit 38% und 32% am häufigsten, gefolgt von 3 (16%), 1 (10%) und 5 (4%). Für die meisten Totholzstücke konnte anhand der Rinde oder Holzstruktur auf die Baumart geschlossen werden. Am schwierigsten gestaltete sich die Bestimmung der Baumart für die stärker zersetzten Totholzstücke. Überraschenderweise machte schwaches Totholz mit Durchmesser 2-10 cm rund 42% des gesamten Totholzvolumens aus (10-20 cm Totholz rund 16% und > 20 cm Totholz 42%). Dies erklärt die Diskrepanz zu den eingangs zitierten Werten, die die ÖWI ermittelt hat, da diese Totholz erst ab 10 cm Durchmesser erhebt. Weiters unterstreicht dieses Ergebnis die Bedeutung von schwachem Totholz als Kohlenstoffspeicher.

Während Totholzvolumina unter Verwendung von Linientransekte und Stichproben recht schnell und genau bestimmt werden können, sind für die Abschätzung der Kohlenstoffspeicherung in Totholz Labormessungen nötig (Dichte, Kohlenstoff).

 

Dichte sinkt durch Zersetzung

Die Ergebnisse zeigen deutlich die Bedeutung der Totholzzersetzung: während kaum zersetztes frisches Totholz im Mittel eine Dichte von etwa 500 kg/m3 hat, ist die Dichte von stark zersetzten Totholz weniger als die Hälfte davon (220 kg/m3). Bei durchschnittlich 50% Kohlenstoff in Biomasse, ist somit in einem Kubikmeter stark zersetzten Totholz rund 110 kg Kohlenstoff gespeichert, während in einem Kubikmeter lebenden oder frisch abgestorbenen Holz rund 250 kg Kohlenstoff gespeichert sind. Wie schnell dieser Verlust an Dichte und an Volumen geschieht, wissen wir noch nicht. Auch ist noch unklar, welche Rolle Pilze und Mikroorganismen an diesem Prozess spielen und welche Rolle das Klima hat. Es ist zu vermuten, dass unter feuchteren und wärmeren Bedingungen, die Zersetzung schneller abläuft. Aktuelle Publikationen zeigen einen nicht-linearen Einfluss der Lufttemperatur auf die Zersetzungsgeschwindigkeit von Biomasse. Eine Erklärung dafür ist die Existenz von  Zersetzergesellschaften, die unterschiedlich von höheren Temperaturen profitieren und unterschiedlich schnell Holz zersetzen (Neumann et al. 2021). Weitere Feldmessungen, Zersetzungsexperimente und Modellierung des Zerfalls von stehenden Totholz werden weitere Puzzlesteine liefern, um die komplexen Vorgänge hinter der Dynamik von Totholz besser zu verstehen.

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Links: Totholzdichte und Zersetzungsgrad (alle Baumarten, alle Stärkeklassen): Die Boxplots zeigen Median sowie obere und untere Quartile. Die strichlierte Linie geht bis zum 1,5-­Fachen des Interquartilabstandes. Rechts: A zeigt frisches Totholz (Zersetzungsgrad 1), im Wald und Probekörper im Labor, während B stark zersetztes Totholz (Zersetzungsgrad 5) zeigt. © Mathias Neumann

Literatur:
Gschwantner T. (2019) Totholz-Zunahme ausschließlich positiv? BFW Praxisinformation 20
Geburek T., Milasowszky N., Frank G., et al (2010) The Austrian Forest Biodiversity Index: All in one. Ecol Indic 10:753–761. https://doi.org/10.1016/j.ecolind.2009.10.003
Oettel J., Lapin K., Kindermann G., et al (2020) Patterns and drivers of deadwood volume and composition in different forest types of the Austrian natural forest reserves. For Ecol Manage 463:118016. https://doi.org/10.1016/j.foreco.2020.118016
Neumann M., Turner J., Lewis T., et al (2021) Dynamics of necromass in woody Australian ecosystems. Ecosphere 12:1–15. https://doi.org/10.1002/ecs2.3693