„Sie sind hier Gäste – bereits seit 1883“, scherzt Eckart Senitza, Vorsitzender von Pro Silva – die Arbeitsgemeinschaft für Naturnahe Waldwirtschaft, bei der Begrüßung der Teilnehmer an den traditionellen Sommergesprächen Mitte August in Großreifling. Mit „Gästen“ meint er die 34 Douglasien unweit der Nikolauskirche und der beiden alten Getreidespeicher – einer davon beherbergt heute das 1. Österreichische Forstmuseum Silvanum.
Massereichster Bestand Österreichs
Die heute das Kronendach des übrigen Bestandes aus Fichten, Buchen, Eschen und Ahornen weit überragenden Douglasien seien Ende des 19. Jahrhunderts bereits im Rahmen eines Versuches auf einer Fläche von 30 m mal 50 m von der damaligen Forstlichen Bundesversuchsanstalt Mariabrunn angelegt worden und würden vom Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) nun seit 35 Jahren als Dauerversuch wissenschaftlich betreut, erklärt der ehemalige BFW-Mitarbeiter, Günter Rössler. Heute sei diese Fläche Teil eines Bestandes der Österreichischen Bundesforste, die die Fläche 1972 als Naturdenkmal und Saatgutbestand außer Nutzung gestellt haben. Die Leistungsdaten auf dieser Fläche sprächen für sich, führt Günter Rössler weiter aus: Douglasien um die 60 m Höhe und Bhd von über 1 m seien keine Seltenheit. „Eine solche Douglasie wird an die 20 fm Holz in Rinde haben“, schätzt der frühere Wissenschaftler. Mit einem errechneten Vorrat von über 2.500 Vfm/ha dürfte diese Fläche der massereichste Bestand Österreichs sein.
Doch die Douglasie in Großreifling überrascht mit einem weiteren Detail: Hier auf 580 m Seehöhe stockt sie nämlich auf Kalksteinbraunlehm. „Aber wie verträgt sich das mit der Douglasie?“, fragen Exkursionsteilnehmer. Es handle sich nämlich bei diesem Standort um eine relativ ebene Fläche mit einer „Kalkhaube“. „Unterhalb ist Silikat, der Boden ist hier extrem tiefgründig“, verrät Günter Rössler des Rätsels Lösung. Niederschläge beliefen sich auf 1.434 mm im Jahr, davon fallen deutlich mehr als die Hälfte in der Vegetationsperiode von April bis September. Die Jahresmitteltemperatur betrage 6,5°C. Die seien augenscheinlich Bedingungen, wie sie der Douglasie entgegenkommen würden, stellen anwesende Forstleute fest.
Selbst nachdem vor 140 Jahren 2.500 Pflanzen/ha im Abstand 2 m mal 2 m gesetzt wurden, kann man in der aktuellen schematischen Draufsicht anhand der exakten Position der mächtigen Stämme noch immer die Ausrichtung des damaligen Pflanzverbandes erkennen. Und auch dafür gibt es eine einleuchtende Erklärung.
Ein Grund dafür sind allgegenwärtige Verbissspuren – untrüglicher Hinweis auf zu hohe Wildstände. © Robert Spannlang
Problem Naturverjüngung
Unter den Baumriesen stocken alle möglichen Baumarten in den ersten Altersklassen – nur nicht die Douglasie selbst. Dass sie von Haus aus nicht „üppige Kinderstuben“ bildet wie etwa die Weißtanne, ist bekannt. Doch dass sich die als Samenbäume eingestuften Baumriesen – anders als etwa an einem weiteren Douglasien-Paradestandort Manhartsberg – am Standort in Großreifling nicht natürlich zu vermehren vermögen, führt die Expertenrunde dort im Wesentlichen auf zwei Ursachen zurück: Verunkrautung und Wilddruck. „Die Douglasie ist empfindlich gegenüber Verunkrautung und gegenüber Überwachsung durch schnell wachsende Laubbaumarten wie Buche, Bergahorn und Bergulme schützen“, gibt Günter Rössler zu bedenken. Der Schutz vor Wild hinter dem Maschendraht könne daher für die Douglasie leicht ein Schuss nach hinten sein. Man müsste sie dort regelmäßig freistellen. Möglicherweise hätten die ÖBf deshalb schon bisher immer den Zaunbau zur Einleitung der Naturverjüngung der Halbschattbaumart abgelehnt. „Sie haben immer ,Nein‘ gesagt zum Zaun und stattdessen eine ,Ursachenbekämpfung‘ eingefordert“, erinnert sich der pensionierte Forstmann, dem die Fläche bis heute noch ein Herzensanliegen ist.
Dass der Verbissdruck noch immer zu hoch ist, zeigt die Tatsache, dass trotz regelmäßiger Fruktifikation der Altbäume eine Naturverjüngung nie zustande kam. „Wir haben in dieser Region Regiejagd. Damit könnte schon ein gewisser Jagddruck aufgebaut werden“, erzählt Günter Rössler. „Man sollte die Abschlusspläne deutlich erhöhen und mechanische Oberbodenverletzungen durchführen, um die Keimung der Douglasie durch diese stellenweise Freilegung des Rohbodens zu begünstigen“, schlägt ein Exkursionsteilnehmer vor. „Und den Keimling danach kartieren, auf der Fläche markieren und regelmäßig freischneiden“, ergänzt ein anderer. Allzu lange zuzuwarten sei ein Risiko. Immerhin steigt auch für die Douglasien von Großreifling irgendwann die Wahrscheinlichkeit, altersbedingt auszufallen.