Eingebettet in den nördlichen Kalkalpen von 400 bis über 1.500 m Seehöhe liegt die Forstverwaltung Weyer, Baufonds der katholischen Kirche, mit einer Größe von rund 5.500 ha. Davon werden 4.400 ha Wald bewirtschaftet, wobei der Laubholzanteil bei 33% liegt.
Vor sieben Jahren entschied der Forstbetrieb neue Wege für die Überwinterung des Rotwildes im Betrieb zu gehen. Anlass waren die nicht enden wollenden Schälschäden. Bis 2017 wurden drei Rotwildfütterungen mit rund 350 Stück Rotwild betrieben, wobei das Geschlechterverhältnis stark zum weiblichen Wild hin verschoben war.
Der ehemalige Wirtschaftsführer Hannes Prucker startete das Projekt „Freie Überwinterung“ mit Unterstützung des Büros für Wildökologie von Horst Leitner, der das Projekt begleitete. Ziel des Projektes war es, einen resilienteren Forst zu erreichen. Der jagdliche Teil beinhaltete eine Reduktion der Schälschäden und des Verbisses, aber auch die Senkung der Kosten für den betrieblichen Aufwand der Überwinterung.
Um die Zielerreichung zu überprüfen, bedurfte es klarer Indikatoren. Dazu wurden innerbetrieblich Kontrollzäune mit genau festgelegten Vergleichsflächenpaaren angelegt, zudem wurde mittels Tran-sekten der Betrieb auf Schälschäden untersucht. Aber nicht nur die indirekte Anwesenheit des Rotwildes (wie etwa Schälschäden) wurde begleitend untersucht, sondern auch das Raum-Zeit-Verhalten.
Um der Frage des Raum-Zeit-Verhaltens auf den Grund zu gehen, wurden 21 Stücke (elf Alttiere und zehn Hirsche) besendert. Neben der Besenderung erfolgte zusätzlich ein Wildkameramonitoring, um hiermit ergänzende Hinweise auf das Verhalten der Tiere zu bekommen.
Auflösung der Fütterung alleine reicht nicht aus
Klar war allen Beteiligten, dass sich das Raum-Zeit-Verhalten des Rotwildes ändern wird und die Äsung, die nicht an der Fütterung aufgenommen wird, zumindest teilweise kompensiert werden muss. Um dies zu erreichen, hat der Forstbetrieb auf großer Fläche damit begonnen, starke Durchforstungen und Stammzahlreduktionen durchzuführen, um die Äsungskapazität für alle Jahreszeiten zu erhöhen. Aber nicht nur die Erhöhung der Äsungskapazität im Bestand, auch die Begrünung und deren Pflege von Forststraßen sowie Wegrändern war eine Maßnahme, die nach wie vor begleitend durchgeführt wird.
Aspekt Lenkung
Rotwild muss bekanntlich in der vegetationsarmen Zeit gelenkt werden, was in der Forstverwaltung Weyer nun ohne Fütterung geschieht. Durch die Erhöhung des Äsungsangebotes und die Auflassung der Fütterung findet automatisch eine Lenkung des Wildes statt. Die räumliche und zeitliche Verteilung des Wildes verändert sich. Im Forstbetrieb Weyer wird dies durch artgerechte schwerpunktmäßige Jagdpraxis unterstützt. Von ehemals 250 ha Regiejagd bejagt der Betrieb mittlerweile selbst 1.000 ha. Für die anderen 4.500 ha gelten Abschussnehmerverträge. Der Hirschabschuss wurde an den Kahlwildabschuss gekoppelt und mit einer Grünvorlage kombiniert. Die Abschussverträge sind Verträge, die dem Jagdrechtsinhaber mehr Mitspracherecht bei der Ausübung der Jagd geben und die in aller Regel beidseitig schnell und problemlos kündbar sind.
Zusätzlich gilt es in einer Gegend, die auch im Winter von Erholungsuchenden stärker frequentiert wird, ein Aufeinandertreffen von Rotwild und Mensch zu vermeiden. Schließlich braucht Rotwild viel Ruhe im Winter, um nicht unnötig Energiereserven zu verbrauchen und hierdurch unter anderem auch erneuten Schälschäden zu vermeiden. Durch das gezielte Räumen beziehungsweise das Unterlassen der Räumung von Wegen werden Erholungsuchende gelenkt. Ein Aufeinandertreffen kann in der stoffwechselreduzierten Zeit des Rotwildes zumindest großteils unterbunden werden.
Was sprechen die Zahlen?
Fest steht, dass die betrieblichen Zahlen für die Überwinterung gesunken sind. Man muss diese Zahlen jedoch in Relation zu den Mehraufwendungen, wie der Regiejagd sowie der Begrünung und Pflege der Forstwege und Rückegassen sehen. Unterm Strich kann jedoch von einer betrieblich sehr positiven Bilanz gesprochen werden, bei gleichzeitigem Absenken der Risiken.
Wie sieht es mit Verbiss und Schälschäden aus?
In Summe sind die Schälschäden zurückgegangen. Ehemals geschälte Bestände, die ohnehin schon Schälschäden aufwiesen, werden weiter geschält. Die Neu-Schäle, das heißt, die Schäle ungeschädigter Bäume, ist deutlich zurückgegangen. Einziger Wermutstropfen war jedoch der Extremwinter im Januar 2019, der aufgrund mangelnder Äsung zu einem Ausreißer in der Schälschadensstatistik geführt hat.
Wenn auch der Verbiss von einem ehemals sehr hohen Niveau stark zurückging, darf die Bejagung vom Gams und Rehwild nicht vernachlässigt werden. Reh- und Gamswild nutzen frei gewordene Lebensräume, die ehemals vom Rotwild stärker frequentiert wurden. Insbesondere Rehwild selektiert die Zielbaumart Tanne am stärksten.
Schlussfolgerung und Ausblick
Zieht man eine Gesamtbilanz, lässt sich festhalten, dass Schälschäden und Überwinterungskosten reduziert werden konnten. Zudem muss angemerkt werden, dass das Konzept nicht immer und überall möglich sein wird und dass es nicht ohne weitere Maßnahmen funktioniert. Ebenso wenig wie eine Fütterung alleine zur Überwinterung in den wenigsten Fällen ausreichen wird, so wird auch keine Überwinterung des Rotwildes ohne Fütterung ohne die entsprechenden Begleitmaßnahmen funktionieren. Der Forst & Jagd Dialog hat hierzu ein entsprechendes Papier für die Überwinterung von Rotwild veröffentlicht (Überwinterungskonzepte für Rotwild in Österreich), das einen Überblick über die verschiedenen Lösungsansätze bietet und darüber, welche Chancen und Risiken mit dem jeweiligen Überwinterungsmodell verbunden sind. Die Überwinterung des Rotwildes wird weiterhin kein einfaches Thema bleiben. Begrüßenswert ist, dass man nicht mehr nur monokausal denkt, sondern versucht, neue Wege mit einem Maßnahmenpaket zu gehen, auch wenn es nicht immer ganz friktions- oder fehlerfrei ist.
Webtipp: www.forstjagddialog.at