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Nationalpark Donauauen © Dagmar Holley

Aus der Forschung

Kohlenstoffspeicher Totholz im Nationalpark Donauauen

Ein Artikel von Mathias Neumann (BOKU), Maximilian Böhm (BOKU), Hubert Hasenauer (BOKU) | 28.02.2023 - 09:12

Das Volumen von Totholz wird für den Nationalpark Donauauen mittels einer Stichprobeninventur seit 1998 regelmäßig gemessen (in 1998 nur stehende tote Bäume, seit 2018 auch liegendes Totholz und tote Stöcke). Von Probebäumen, die durch eine Winkelzählprobe mit Zählfaktor 4 ermittelt werden, werden unter anderem folgende Parameter bestimmt:

  • die Baumart
  • ob der Baum lebt oder tot ist
  • Stammdurchmesser
  • Baumhöhe

Aus diesen Daten kann mittels Volumsfunktionen das Volumen der stehenden toten Bäumen berechnet werden. Für liegendes Totholz und tote Stöcke (Baumstümpfe) unter 1,3 m Höhe wird folgendes Messverfahren verwendet: entlang von vier Streifen werden liegendes Totholz und tote Stöcke erhoben. Aus den gemessenen Durchmessern kann dann das Volumen von liegendem Totholz und das Volumen von toten Stöcken berechnet werden. Diese Methode wird in der Literatur als sogenanntes „Linien Intersekt“ Verfahren bezeichnet und hat im Vergleich zur „Kübelmethode“ den Vorteil, dass die Messungen reproduzierbar und transparent sind. Bei der „Kübelmethode“ wird das Volumen von Totholz mittels gedanklicher 10-Liter Kübel geschätzt.

 

Ergebnisse der Stichprobeninventur
Das mittlere Totholzvolumen, das auf den rund 2.400 Probeflächen der Stichprobeninventur des Nationalparks Donauauen gemessen wurde, beträgt 97 m3/ha und verteilt sich im Mittel auf

  • 81% liegende tote Bäume oder Äste (79 m3/ha)
  • 16% stehende tote Bäume (16 m3/ha)
  • 3% tote Stöcke (3 m3/ha)

Demgegenüber stehen im Mittel 202 m3/ha stehende lebende Bäumen (57% davon entfallen auf Silberpappel, Hybridpappel und Gemeiner Esche). Diese Werte wurden im Jahr 2018 erhoben. Auffallend ist der hohe Anteil liegenden Totholzes und das geringe Totholzvolumen in Stöcken im Vergleich zum österreichischen Wald von durchschnittlich 13 m3/ha liegendes Totholz, 10 m3/ha Stocktotholz, (Werte für 2016/18; Gschwantner 2019). Ein Grund dafür ist, dass Österreichs Wald überwiegend bewirtschaftet wird, während der Nationalpark Donauauen seit seiner Gründung 1996 unbewirtschaftet ist.

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Totholzdichte für drei häufige Baumarten im Nationalpark Donauauen: Die Boxplots zeigen den Median sowie die obere und untere Quartile. Die strichlierte Linie geht bis zum 1,5-fachen des Interquartilsabstandes. Zersetzungsgrad 1 ist frisches, kaum zersetztes Totholz und Zersetzungsgrad 5 stark zersetztes Totholz. Anzahl Beobachtungen war 34 pro Baumart und 5-7 Beobachtungen pro Baumart und Zersetzungsgrad (insgesamt n = 102). © Mathias Neumann

Abhängigkeit von Dichte und Kohlenstoffanteil
Frühere Arbeiten zeigen einen deutlichen Zusammenhang von Dichte von Totholz mit dem Zersetzungsgrad – einem Indikator, der mittels visueller Ansprache und des Eindringwiderstands eines scharfen Gegenstandes wie ein Taschenmesser bestimmt werden kann. In einer Pilotstudie (Böhm, 2022) wurde für drei der häufigsten Baumarten im Nationalpark Donauauen (Silberpappel, Hybridpappel und Gemeiner Esche, zusammen etwa 55% des stockenden Vorrates) bestätigt, dass die Dichte von Totholz (bezogen auf Trockenmasse) mit zunehmenden Zersetzungsgrad abnimmt. Somit kann ein Kubikmeter Totholz abhängig von seinem Zersetzungsgrad sehr unterschiedliches Gewicht haben. Kohlenstoffanteil von Totholz in dieser Pilotstudie war im Mittel 50% von Holztrockenmasse und weitgehend unabhängig von Baumart und dem Zersetzungsgrad. Das bedeutet, dass für eine Abschätzung des Kohlenstoffgehaltes von Totholz in Kilogramm Kohlenstoff (errechnet aus Volumen multipliziert mit Dichte multipliziert mit Kohlenstoffgehalt) eine möglichst genaue Kenntnis des Zersetzungsgrades wichtig ist.

Wie viel Kohlenstoff speichert Totholz?
Die Stichprobeninventur im Nationalpark Donauauen hat Totholzvolumen, aber nicht dessen Zersetzungsgrad erfasst. Bis genauere möglichst flächendeckende Messungen des Zersetzungsgrades verfügbar sind (wie etwa auf den Probeflächen der Stichprobeninventur), kann mittels einer publizierten Methode der Kohlenstoffvorrat abgeschätzt werden (Neumann et al. 2023). Wir nutzen dafür die prozentuellen Anteile des Zersetzungsgrades, die in der Pilotstudie von Maximilian Böhm gemessen wurden.
Mittels sechs Untersuchungsflächen konnten die Anteile (relativ zum Volumen) der Zersetzungsgrade im Mittel über alle Baumarten festgestellt werden. Betont sei, dass diese Anteile nur für die sechs Untersuchungsflächen den tatsächlichen Zustand des Totholzes korrekt beschreiben und diese sechs Flächen nicht repräsentativ für den gesamten Nationalpark Donauauen sind.
Multipliziert man nun die prozentuellen Anteile der Zersetzungsgrade mit der mittleren Dichte je Zersetzungsgrad und addiert diese Werte, erhält man einen Wert von 263 kg/m3, was dem gewichteten Mittel der Totholzdichte entspricht. Zum Vergleich, die Holzdichte einer lebenden Esche wird häufig mit 582 kg/m3 angenommen. Bei einem Kohlenstoffanteil von 50%, einer mittleren Dichte von 263 kg/m3 und einem mittleren Totholzvolumen von 97 m3/ha beträgt der geschätzte gespeicherte Kohlenstoff in Totholz im Nationalpark Donauauen rund 13 t/ha Kohlenstoff. Bei einer Gesamtgröße von 96 km2 (9.600 ha) bedeutet das, dass etwa 125.000 t Kohlenstoff (entspricht 459.000 t CO2) im Totholz vom Nationalpark Donauauen gespeichert sind.
1,5 t/Jahr CO2 (laut einer VCÖ- und UBA- Studie aus dem Jahr 2019) werden durch den Verkehr pro Wiener*in freigesetzt. Damit speichert das Totholz im Nationalpark Donauauen den jährlichen CO2 Ausstoß durch Verkehr von rund 306.000 Stadtbewohnern – das entspricht etwa der Anzahl der Einwohner des 2. und 22. Wiener Gemeindebezirks.

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© Mathias Neumann / Forstzeitung

Einschränkungen und Ausblick für zukünftige Totholzforschung
Die hier vorgestellten Schätzungen unterliegen folgenden Annahmen: 

  • es gibt etwa 70 verschiedene Baumarten im Nationalpark Donauauen, von denen nur drei hinsichtlich Dichte und Kohlenstoff hier analysiert wurden
  • zwischen stehenden, liegenden Totholz und Stöcken wird bei der Berechnung der mittleren Dichte nicht unterscheiden

Neben detaillierteren Analysen wie einer höher aufgelösten Auswertung oder mehr Messungen von Totholzdichte bleibt die Frage offen, wie lange dieses Totholz im Wald verbleibt und wie viel Kohlenstoff nach der vollständigen Zersetzung im Waldboden bleibt. Dafür sind Modelle der Zersetzung nötig sowie detaillierte Messungen an Totholz. Durch fortschreitendes altersbedingtes Absterben, insbesondere von Hybridpappel- und Eschen-Beständen sowie durch das Eschentriebsterben, ist eine weitere Zunahme der Totholzvorräte in den nächsten Jahren, gefolgt von einer Stabilisierung, zu erwarten. Für diese Studie wurde nur der Zustand im Nationalpark Donauauen im Jahr 2018 erfasst und nicht die Veränderung von Totholz hinsichtlich Menge oder Qualität. Diese Totholzdynamik kann durch wiederholte Aufnahmen erfasst werden.

 

Literatur: Böhm M (2022) Veränderung des Kohlenstoff- und Stickstoffgehalts von Totholz bei zunehmender Zersetzung. Bachelorarbeit, Universität für Bodenkultur, Wien.
Echeverria S (2022) Estimating Deadwood Carbon Storage Capacity in Austrian Forests. Masterarbeit, Universität für Bodenkultur, Wien.
Gschwantner T (2019) Totholz-Zunahme ausschließlich positiv? BFW Praxisinformation 20.
Neumann M, Echeverria S, Hasenauer H (2022) Zersetzung von Totholz. Forstzeitung 3, 9–11.
Neumann M, Echeverria S, Hasenauer H (2023 in Druck) A simple concept for estimating deadwood carbon in forests. Carbon Management.

Die Autoren bedanken sich bei den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) für die Überlassung von Daten der Stichprobeninventur zur Bearbeitung dieses Projekts und beim Nationalpark Donauauen für die logistische Unterstützung bei Durchführung der Felderhebungen.