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Andreas Pohl führte Exkursionsteilnehmer in den Stamser Stieleichenwald. © Robert Spannlang

ÖSTERREICHISCHE FORSTTAGUNG

Tiroler Eichenrarität

Ein Artikel von Robert Spannlang | 06.10.2023 - 11:00
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Verpflockte Eichenheister hinter Zaun © Robert Spannlang

22,6 ha Eichenwald: Was im Weinviertel wenig Aufsehen erregen würde, ist in Tirol ein Naturjuwel, deren Erhaltung und Zukunft sich das Land im Projektzeitraum der vergangenen 20 Jahre einen sechsstelligen Eurobetrag kosten ließ. Fachlich zuständig ist die Bezirksforstinspektion Imst, die Maßnahmen in enger Zusammenarbeit mit dem Grundeigentümer umsetzt. „Aber finanziert werden die mannigfaltigen Aufgaben der Verkehrssicherung, der Verjüngungsförderung, die Biodiversitätspflege sowie die Erhaltung der Schutzfunktion zu 80% aus dem Budget der Naturschutzbehörde des Landes. Das bringt eine nicht immer leichte Entscheidungsfindung für forstlich nötige Maßnahmen mit sich“, erklärt Andreas Pohl, der Leiter der BFI Imst, während er die Exkursion anführt. 

Schutz durch und von Eichen
Der Wald sei ungefähr so alt wie das Stift – nämlich etwa 600 Jahre, betont Andreas Pohl. Gut möglich, dass beides ursächlich zusammenhängt. Immerhin soll es seinerzeit einen „Schlüssel“ gegeben haben, der festlegte, wie viel Wald pro Quadratmeter Dach nötig war, um die Existenz eines Stiftes abzusichern. Heute ist jeder einzelne Baum des Stamser Stieleichenwaldes in einem Baumkataster vermerkt. „Manche Kronen der Altbäume zeigen Wirkung in besonders trockenen Sommern. Wir betreiben hier ein sehr genaues Monitoring und können daher sagen, dass sich Eichen auch wieder erholen können“, führt der Tiroler aus. Holz werde hier praktisch gar keines mehr genutzt. Immerhin wurde der Stamser Eichenwald bereits 1990 zum Bannwald erklärt. Abgestorbene Bäume erhöhen als stehendes Totholz sogar den Wert des Habitats noch zusätzlich: 40 Vogel-, 460 Pilz- und 900 Käferarten finden sich in diesem Eichenbestand – so viele wie sonst nirgends in Tirol.
Der Stamser Bach, der vom Nordhang der Stubaier Alpen herab in Richtung Inn fließt, hat im Laufe der Zeit nach Starkregen schon viel Geröll und Erde zu Tal gebracht. „Der Eichenwald ist daher ein unverzichtbarer Schutz für die umliegenden Gebäude, Wiesen und Äcker vor Vermurungen“, stellt der Leiter der Exkursionsgruppe klar. 

Rein Waldbaulich wäre ein Edellaubmischwald hier produktiver, doch da sind uns die Hände gebunden.


Andreas Pohl, Leiter der Bezirksforstinspektion Imst
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Der Stamser Bach führt immer wieder große Wassermassen mit sich. Der Eichenwald hat daher auch eine wichtige Schutzfunktion. © Robert Spannlang

Herausforderung Verjüngung
Lichtbaumarten wie die Eiche natürlich zu verjüngen sei immer eine Herausforderung, bestätigt Andreas Pohl, das sei auch in Stams nicht anders. Bereits im Erstprojekt 2002 war ein wichtiger Grundstein für den Erhalt des Eichenwaldes gelegt worden: Es wurden seitdem Verjüngungsflächen in einem Ausmaß von 3,5 ha geschaffen, um den Fortbestand des Eichenwaldes zu garantieren. Zum Erfolg führte dabei eine Mischung aus großzügiger Frei- oder Lichtstellung zur natürlichen Ansamung einerseits sowie Heisterpflanzungen mit Verpflockung hinter Zaun andererseits. „In allen Fällen müssen wegen der starken Tendenz zur Vergrasung und Verkrautung die jungen Eichen so weit wie möglich aktiv freigeschnitten werden. Die bereits geschaffenen Verjüngungsflächen bedürfen einer intensiven Pflege“, weiß Andreas Pohl.
Doch man kann auch positiv überrascht werden: Die im Zuge von Räumungsarbeiten nach einer Mure entlang des Stamser Baches nötig gewordene Entfernung einiger Alteichen bewirkte eine schöne Naturverjüngung in diesem Bestandesteil. Dafür mitverantwortlich dürfte auch die lichtbegünstigte Form des Bestandesteils sein, der sich wie ein Schlauch den Berg hinan zieht und auch Schalenwild kaum Deckung bietet.

Am ab- oder aufsteigenden Ast?
Natürlich sei man im Klimawandel mit dem Eichenwald in Stams gut aufgestellt. Es sei dafür zu sorgen, dass die Vitalität des Bestandes insgesamt nicht abnehme, betont der Exkursionsleiter. „Nichtstun würde in einen Rückgang münden. Deshalb wurde auch ein Folgeprojekt für weitere 10 Jahre ins Leben gerufen“, ergänzt er und nennt Statistisches: 1970 wurden bei einer Vollerhebung der 22,6 ha des Stamser Eichenbestandes 1343 gezählt, 2020 nur mehr 945 Alteichen und 47 Toteichen. „Rein vom waldbaulichen Standpunkt aus betrachtet sollte man hier in Richtung Edellaubmischwald gehen – Bergahorn etwa hätte hier noch mehr Potenzial, aber auch eine ganze Reihe anderer Arten wie Esche, Ulme oder Linde. Aber das Naturschutzgesetz lässt hier keinen Spielraum. Es dürfen keine Eichen anderen Baumarten weichen!“ führt der Tiroler weiter aus.

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Hirschkäfer als Aushängeschild: Der Anblick eines solchen Exemplars bringt durchaus Besucher von weit her nach Stams. © Robert Spannlang

Operation Hirschkäfer
Die einzige Baumart, die neben der Eiche gezielt aufgeforstet wird, ist die Vogelkirsche mit einem geringen Anteil. Der Grund: Sie sind so wie Eichen Wirtspflanzen für Hirschkäfer. Eine abgesicherte Hirschkäferpopulation am Standort zu etablieren, daran liegt allen Beteiligten in Stams viel. Im Zuge der bisherigen Projektumsetzung wurden im ersten Dezennium jährlich maximal zehn Paare im Eichenbestand ausgesetzt, die jedes Jahr aus anderen Regionen stammen sollen. Die Temperaturschwellenwerte am Nordhang seien in dieser Seehöhe zwar nicht immer optimal. Dennoch wurde der Hirschkäfer wieder angesiedelt, da es Nachweise von Hirschkäfervorkommen aus den 1970er-Jahren gab. Heute ist der spektakuläre Käfer Aushängeschild in der Tourismuswerbung und in den Naturführern über die Region. Im kommenden Jahr soll ein Monitoring durchgeführt werden, um den Erfolg der Wiederansiedlung des Hirschkäfers nachweisen zu können. „Alle anderen Ziele scheinen sich diesem einen unterzuordnen“, lächelt der Tiroler.


Als größte Herausforderung neben der Bestandesstabilisierung bezeichnet er die Bekämpfung von Neophyten wie das Drüsige Springkraut und die Kanadische Goldrute. Ebenso ist die Verkehrssicherheit ein großes Thema – es führt eine Gemeindestraße durch den Bestand. „Bei der Vorgabe der unbedingten Erhaltung von Altbäumen ist das eine kostenintensive und keine leichte Aufgabe, die die Behörde dem Grundeigentümer – dem Stift Stams – übertragen hat“, konstatiert der BFI-Leiter.