Ökosystemdienstleistungen

Waldprojekte im Emissionshandel

Ein Artikel von Univ. Prof. Dr. DDr. h.c. Hubert Hasenauer, Universität für Bodenkultur Wien | 29.03.2024 - 13:13

Grundlage des Emissionshandels mit CO2-Zertifikaten ist das Klimaabkommen von Paris 2015, das auf dem Kyoto-Protokoll von 1997 aufbaut, und das Ziel hat, die globale Erderwärmung auf 2°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, hat man im Pariser Abkommen den marktbasierten Klimaschutz weiter ausgebaut und einen gemeinsamen, grenzüberschreitenden Kohlenstoffmarkt ermöglicht (Artikel 6.2). Damit soll der Ausstoß von CO2 ein „knappes Gut“ werden und über den Handel von CO2-Zertifikaten Kosten für den Emittenten verursachen.

Schränkt man die CO2-Ausstoßmenge sukzessive ein, dann werden die Emissionskosten immer teurer, denn auf dem Pfad zur Klimaneutralität gibt es für CO2-Emittenten grundsätzlich drei Möglichkeiten:

  • Effizienzsteigerung und damit Reduktion der CO2-Ausstoßes
  • Umstellung auf emissionsfreie und damit grüne Technologien, also die angestrebte Transformation 
  • Ankauf von CO2-Zertifikaten zur Kompensation der restlichen Emissionsmengen

Der Handel mit CO2-Zertifikaten zielt somit auf die Kompensation ab und in Kombination mit den Vorgaben einer weiteren Reduktion des erlaubten CO2-Ausstoßes erhöhen sich die Emissionskosten und beeinflussen damit den Gewinn beziehungsweise die Wirtschaftsleistung von Unternehmen. Im Pariser Abkommen ist dazu unter anderem Artikel 6.4. „Mechanismus zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung“, der auf dem Clean Development Mechanism (CDM) aufbaut, wichtig, weil öffentliche und private Institutionen angesprochen werden. 

 

Handel mit Emissionen
Weiters hat die Europäische Union mit 1.1.2005 ein Emissionshandelssystem eingeführt. Im Rahmen dieses EU-ETS (European Trading System) haben Unternehmen, die gemäß nationalen Regeln Emissionsberechtigungen zugewiesen bekommen, die jährlich reduziert werden. Das EU-ETS definiert sich nach einem einfachen Prinzip: Wer CO2 ausstößt, muss dies mit Zertifikaten kompensieren, also „bezahlen“.
Neben dem regulierten Markt sieht das Pariser Klimaabkommen auch einen freiwilligen Markt vor, der Unternehmen, Privatpersonen und öffentlichen Einrichtungen die Möglichkeit gibt, ihre Emissionen über den Ankauf von CO2-Zertifikaten zu kompensieren. Historisch waren dies Energieprojekte sowie Projekte zur Vermeidung der Entwaldung oder Aufforstungsprojekte im Ausland, weil man dort mit weniger Geld mehr erreichen kann. Seit einigen Jahren besteht aber ein verstärktes Interesse von Unternehmen im eigenen Land, regionale Klimaschutzprojekte zu unterstützen. Auch wenn dieser freiwillige Markt im Vergleich zum verpflichteten staatlichen Markt noch vergleichsweise klein ist, wird ein enormes Wachstum erwartet. 

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Photosynthese: Mithilfe von Sonnenenergie wird aus Wasser und CO2 Biomasse. Das Ergebnis im Wald ist der Zuwachs. © Hubert Hasenauer

Kohlenstoffspeicherung als Ökosystemleistung des Waldes
Wald ist einer der größten Kohlenstoffspeicher der Erde, das heißt, ohne Wald hätten wir eine wesentlich höhere CO2-Belastung in der Atmosphäre. Wald beziehungsweise Waldwachstum ist somit wichtig für den Kohlestoffkreislauf und beeinflusst wesentlich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Mehr Waldfläche und mehr Biomasse im Wald führen zu einer Linderung der negativen Treibhausgaseffekte, die durch den Anstieg der CO2 -Konzentration verursacht werden (1 m³ Holz speichert rund 1 t CO2).
Im Pariser Abkommen wird im Artikel 5 explizit auf die Sicherung beziehungsweise Erhöhung der Kohlenstoffspeicherung im Wald hingewiesen. Die Kohlenstoffaufnahme und damit das Wachstum von Wald, erfolgt über die Photosynthese, einem biogeochemischen Prozess, bei dem aus Wasser und CO2 mithilfe von Sonnenenergie Glucose – also Kohlenstoff und Sauerstoff – entsteht. Etwa 1% der Sonnenenergie der Erde wird für die Biomasseproduktion umgesetzt. Das Ergebnis im Wald ist der Zuwachs.
Damit wird deutlich, dass die Rolle des Waldes für den Klimaschutz wesentlich zugenommen hat und weiter zunehmen wird. Aus waldbaulicher Sicht ist zu erwarten, dass Waldwirtschaft in Zukunft viel stärker die Kohlenstoffspeicherkapazität von Wald als eine zentrale Ökosystemleistung zu berücksichtigen hat. Somit ist zu erwarten, dass sich über die Generierung und den Verkauf von CO2-Zertifikaten eine neue Einnahmequelle für Forstbetriebe entwickelt.
Das sollte aber nicht dazu führen, dass der nachhaltige Rohstoff Holz nicht mehr zur Verfügung steht, denn auch in Holzprodukten bleibt das CO2 längerfristig gespeichert, zudem ersetzt Holz oft fossile Materialien.

 

Wie entstehen CO2-Zertifikate?
Die Grundsätze in der Entwicklung von Waldprojekten für den Emissionshandel sind:

  • der Nachweis der Zusätzlichkeit der CO2-Speicherung durch ein Projekt (Additionalität) eine definierte Ausgangsituation (Baseline), von der aus die CO2-Speicherung stattfindet und die Additionalität messbar ist
  • Es darf dabei zu keiner Verlagerung von Treibhausgasemissionen (Leakage) führen, weil damit das Prinzip der Additionalität nicht eingehalten wäre

 

Wie funktioniert der freiwillige Markt?
Der Waldbesitzer bewirtschaftet im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben den Wald und damit das „Kohlenstoffspeicherpotenzial“. Derzeit werden folgende Möglichkeiten einer Generierung von CO2-Zertifikaten durch Waldprojekte diskutiert:

  • Wiederbewaldung und Pflege von Katastrophenflächen, soweit diese nicht gesetzlich vorgesehen ist
  • Waldumbau, weil zu erwarten ist, dass damit eine Risikominimierung, also eine ungewollte Freisetzung von CO2 verhindert wird
  • Schutz von Wäldern, um die gespeicherte Kohlenstoffmengen eines höheren stockenden Vorrates zu erhalten
  • Vorratsaufbau, um damit eine höhere Kohlenstoffspeicherung im Wald zu erreichen

Weiters in Diskussion sind der Schutz von Mooren und die Wiederbewässerung von ehemaligen Moorgebieten, sowie im Bereich der Landwirtschaft mit dem Humusaufbau und einer allgemeinen Erhöhung der Kohlenstoffpools im Boden durch Umstellung der Bewirtschaftung. 

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© Hubert Hasenauer

Wie erfolgt Eine Projektentwicklung?
Hat sich ein Grundeigentümer entschieden, ein Kohlenstoffspeicherprojekt zu machen, sind verschiedene Prozesse zu durchlaufen, bis ein CO2-Zertifikat in Abhängigkeit von einer gewählten Kohlenstoffspeichermethode zum Verkauf angeboten werden kann.
Der Grundeigentümer verpflichtet sich, entsprechend der Kohlenstoffspeichermethode innerhalb des Verpflichtungszeitraumes (beispielsweise 30 Jahre) seinen Wald so zu bewirtschaften, dass das vereinbarte Kohlenstoffspeicherziel erreicht/eingehalten wird. Die derzeit am häufigsten verwendeten Kohlenstoffspeichermethoden sind Vorratserhalt beziehungsweise -aufbau und die Aufforstung nach Katastrophenereignissen im Sinne einer Walderhaltung.

Projektentwickler – private Firmen – erarbeiten dann ein konkretes CO2-Projekt, in dem üblicherweise folgende Arbeiten durchgeführt werden:

  • Berechnung der potenziellen CO2-Speichermengen (ausgehend von einer Baseline) nach einem zertifizierten, von einer Akkreditierungsstelle überprüften Standard
  • Abschätzung und Vorkehrungen für das Risiko bei Nichterfüllung der Speicherziele
  • Organisation des Zertifizierungsprozesses für ein konkretes Projekt durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle
  • Vergabe eines individuellen Seriencodes für jedes Projekt
  • Aufbau eines Registers, also einer Art „Grundbuch“, um Transparenz und Nachvollziehbarkeit zu garantieren. Käufer wollen informiert werden, wo, wie und wann die Speicherleistung stattfindet.

Danach wird das Zertifikat am Markt angeboten und der Verkaufsprozess organisiert. Die Transaktion, also der Vertrag, wird direkt zwischen Käufer (Emittent) und Verkäufer (Waldbesitzer) abgewickelt. Die Firmen bekommen einen vereinbarten Prozentsatz vom Umsatz für die Arbeitsleistung.

Ein zentrales Thema des freiwilligen CO2-Marktes ist der Aufbau von Qualitätsstandards, weil diese auf die speziellen Anforderungen und Risiken der Kohlenstoffspeichermethode ausgerichtet sein müssen. Beispielsweise gibt es derzeit für die Aufforstung den Waldklimastandard in Deutschland sowie den Silvaconsult-Standard, zertifiziert nach ISO-Norm 14064-2, für den Vorratserhalt beziehungsweise Vorratsaufbau. Diese Standards werden von eigenen Agenturen entwickelt, etwa EVA (Ecosystem Value Association) und sind urheberrechtlich geschützt. Projektentwickler zahlen Lizenzgebühren, um diese für konkrete CO2-Projekte verwenden zu dürfen. Diese Qualitätsstandards werden laufend – ebenso wie die konkreten CO2-Zertifikatsprojekte – von externen Prüfinstitutionen nach Normen, etwa der ISO-Norm überprüft.
Ist ein CO2-Zertifikat nach einem Standard zertifiziert, kann der Projektentwickler dies im Auftrag des Waldbesitzers am Markt anbieten. Davor ist aber noch die Eintragung in ein Register notwendig, denn jedes CO2-Zertifikat muss einen individuellen Seriencode haben, damit jede Transaktion eines CO2-Zertifikates verzeichnet werden kann und der Prozess transparent ist. Als letztes Glied der Kette steht ein Käufer (Unternehmen oder Privatperson), der das Zertifikat erwirbt, um seine eigenen Emissionen kompensieren zu können. 

 

Ökosystemdienstleistung Kohlenstoffmanagement wird wichtiger werden
Es ist zu erwarten, dass mit der Zunahme der Klimakrise die Ökosystemleistung Kohlenstoffspeicherung im Wald weiter an Bedeutung gewinnen wird. Dies wird immer öfter durch EU-Ziele und nationale Regulierungen im Zusammenhang mit dem Ausbau beziehungsweise Schutz der Biodiversität gesehen. Für die Waldwirtschaft, die traditionell nachhaltig ausgerichtet ist, bedeutet dies, dass die Ökosystemleistung Kohlenstoffmanagement im Wald zunehmen wird, diese auch abzugelten ist und so zu einer Einnahmeoption für Waldbesitzer werden könnte.