Aus der Forschung

Altersstruktur und Störungsanfälligkeit

Ein Artikel von Johannes Mohr (TUM), Dominik Thom (TUM), Hubert Hasenauer (BOKU), Rupert Seidl (TUM) | 03.06.2024 - 08:49
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Nadelholzdominierter ungleichaltriger Wald

Mitteleuropas Wälder werden zunehmend von natürlichen Störungen wie Stürmen, Waldbränden oder Borkenkäferkalamitäten bedroht. Diese Störungen sind in den letzten Jahren immer häufiger aufgetreten und es wird erwartet, dass ihr Ausmaß durch den fortschreitenden Klimawandel weiter zunehmen wird. Sowohl Praktiker als auch Wissenschaftler suchen daher nach Möglichkeiten, Wälder besser an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen und ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Störungen zu erhöhen.

Hoffnungsträger ungleichaltriger Wald 
Eine dabei oft diskutierte Maßnahme ist die Überführung von gleichaltrigen Beständen (Altersklassenwäldern) in ungleichaltrige, gestufte Wälder wie etwa Plenterwälder. In solchen Wäldern wachsen Bäume unterschiedlicher Alters- und Durchmesserklassen eng verzahnt auf kleiner Fläche. Dies ermöglicht eine schnellere Erholung des Waldes nach Störungsereignissen, da junge Bäume bei Störungen im Kronendach bereits etabliert sind, was die Resilienz des Waldes erhöht. Ob ungleichaltrige Wälder jedoch auch weniger anfällig für Störungen sind, also eine höhere Resistenz aufweisen, wurde bisher kaum untersucht.

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Altersklassenwald © Johannes Mohr

Untersuchungsgebiete und -methodik
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, hat eine Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) das Störungsregime der letzten 35 Jahre untersucht. Im Fokus standen dabei vier Forstbetriebe in Österreich, die ihre Wälder seit Jahrzehnten ungleichaltrig bewirtschaften:

  • der Waldbesitz des Malteser Ritter-ordens in Ligist
  • die Lodron’sche Forstverwaltung in Himmelberg
  • die Wälder des Stifts Schlägl
  • die Bayerischen Saalforsten in Unken

Alle untersuchten Gebiete weisen aktuell eine Nadelholzdominanz auf. Um den Effekt der ungleichaltrigen Bewirtschaftung zu erfassen, wurde das Störungsaufkommen innerhalb dieser Betriebe mit dem Störungsaufkommen in Altersklassenwäldern in der näheren Umgebung verglichen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die topografischen Gegebenheiten und der Anteil an Nadelholz in den verglichenen Flächen ähnlich waren, um den Effekt unterschiedlicher Waldstrukturen herauszufiltern. Die untersuchten Störungskenngrößen waren:

  • der prozentuale Anteil der Fläche, die gestört wurde (Störungsrate)
  • die Frequenz, in der Störungen auftraten
  • die Größen der gestörten Flächen
  • der Schweregrad der Störung (wie stark das Kronendach durch die Störung geöffnet wurde)

Diese Größen wurden für alle untersuchten Flächen für den Zeitraum 1986–2020 aus Landsat-Satellitendaten ermittelt.

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© Johannes Mohr / Forstzeitung

Ungleichaltrige Wälder sind resistenter 
Die Ergebnisse zeigen, dass ungleichaltrige Wälder etwa um ein Drittel niedrigere Störungsraten aufwiesen als gleichaltrige Wälder mit vergleichbarer Artenzusammensetzung und Topografie. Im Schnitt waren in ungleichaltrig bewirtschafteten Betrieben 3,5% der Waldfläche im Untersuchungszeitraum von Störungen betroffen; in vergleichbaren gleichaltrig bewirtschafteten Wäldern waren es 4,9%.
Störungen traten in ungleichaltrig bewirtschafteten Wäldern seltener auf (im Schnitt einmal alle 30 Jahre statt einmal alle 20 Jahre) und die gestörten Flächen waren im Mittel um 16% kleiner (0,8 ha statt 0,95 ha). Der Schweregrad von Störungen unterschied sich jedoch kaum zwischen den Waldbauverfahren und war in ungleichaltrigen Wäldern nur marginal niedriger.

Einfluss der Topografie
Der Effekt der Bewirtschaftung auf die Resistenz gegen Störungen wurde deutlich von der Topografie beeinflusst. Insbesondere in steilem Gelände (mehr als 20° Neigung) und in subalpinen Wäldern zeigte sich, dass sich der Vorteil ungleichaltriger Bewirtschaftung verminderte beziehungsweise sogar umkehrte.
Ein möglicher Grund dafür ist, dass in diesen Bereichen eine besonders hohe Exposition gegenüber starken Stürmen vorliegt, die mit den häufigeren Eingriffen in ungleichaltrigen Wäldern interagiert. Gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass ungleichaltrige Waldbewirtschaftung in sehr steilen Lagen oft nicht mehr einzelbaumweise, sondern in Trupps bis Gruppen erfolgt (Beispiel Schlitzhiebe). 

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© Johannes Mohr / Forstzeitung

Ungleichaltrige Wälder sind grundsätzlich weniger störungsanfällig
Die vorliegende Studie zeigt, dass ungleichaltrige Wälder grundsätzlich weniger störungsanfällig als vergleichbare Altersklassenwälder sind. Daher kann das Überführen von bisher gleichaltrigen Nadelholzbeständen zu strukturierteren, ungleichaltrigen Beständen ein geeignetes Mittel sein, um Wälder in Mitteleuropa an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Jedoch sollten Bewirtschaftungsstrategien immer im lokalen, sozialen und ökologischen Kontext beurteilt und entschieden werden, da diese Entscheidungen vielschichtige Auswirkungen haben können, welche über die Störungsanfälligkeit von Wäldern hinausgehen. Auch ist es unwahrscheinlich, dass eine Überführung in ungleichaltrige Wälder das klimabedingte Ansteigen von Störungen gänzlich aufhalten kann. In Kombination mit anderen waldbaulichen Maßnahmen (wie etwa der Förderung von gemischten Wäldern) stellt die Erziehung von ungleichaltrigen, strukturell komplexen Wäldern jedoch einen wichtigen Baustein der Klimaanpassung dar.

Link zur Studie