Mayr-Melnhof Salzburg

Das Ende des langen Atems

Ein Artikel von Robert Spannlang | 02.09.2020 - 10:15
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Wir überbewerten oft aktuelle und unterschätzen strukturelle Entwicklungen in unserer Branche“ – Frank Diehl, Forstmeister des Mayr-Melnhof‘schen Forstbesitzes im salzburgischen Grödig. © Mayr-Melnhof Sbg.

Frank Diehl hat keine Scheu davor, die Dinge beim Namen zu nennen. Doch Polemik ist seine Sache nicht. Ob man seinen mit sonorer Stimme vorgetragenen, wohlformulierten Argumenten nun folgen will oder nicht – man wird zugeben müssen, dass sie durchdacht sind. Der Wahlösterreicher mit familiären Wurzeln in Hessen stand der Forstzeitung Rede und Antwort zu heißen Themen.

Der Forstwirtschaft, wie wir sie kennen, scheint demnächst buchstäblich die Luft auszugehen. Was sind für Sie Symptome, die darauf hindeuten?
Über Jahre haben Forstbetriebe in wirtschaftlich schwierigen Zeiten versucht, Kosten zu reduzieren und Produktionsabläufe effizienter zu gestalten. Preiserhöhungen sind uns nur bei Mangelversorgung der Holzindustrie gelungen. Das hatte zur Folge, dass immer mehr Fachpersonal eingespart und Eigenleistungen ausgelagert wurden. Revierförster und Betriebsleiter hatten mehr Zeit und kannten ihren Wald besser. Bei der Holzernte und -abfuhr wurde mehr auf die Witterung Rücksicht genommen. Heute sind oft zu wenige Forstleute auf der Fläche. Trotz steigender Anforderungen, vor allem durch Klimaänderung, sinkt durch Zeit- und Kostendruck die Qualität unseres Waldbaus. Es gibt kaum noch Auszeigen durch Forstpersonal. Meistens trifft der Unternehmer die Entscheidung, welcher Baum entnommen wird. Und das oft eher nach erntetechnischen, weniger nach waldbaulichen Gesichtspunkten. Der stärkste Bedränger eines Z-Baums steht eben meist hangoberseits und ist auch am schwersten zu entnehmen. Es kommt auch immer mehr zu einer Entfremdung der Marktpartner Forst und Holz. Die Holzverarbeiter fahren große Gewinne auch auf Kosten des Forstes ein. Dabei nehmen sie den enormen Substanzabbau in Mitteleuropa und den durch unberechtigt niedrige bis ruinöse Holzpreise verursachten forstlichen Bankrott vieler Waldbesitzer billigend in Kauf. Bisher hat die sittsam gepflegte Einigkeit in Dialoggremien, wie FHP, kaum zu wirksamen Verbesserungen für die Forstwirtschaft geführt. Niedrige Holzpreise in Verbindung mit zu geringen Lkw-Frachtkosten bei noch fehlender Kritik über die Umweltund Verkehrsbelastungen dieser Lkw-Lawinen führen zu immer noch weiteren Transportdistanzen. Regionale Lieferstrukturen verlieren an Bedeutung, weil jeder Holzkäufer örtliche Waldbesitzer mit billigen Holzimporten meist aus entfernten Schadflächen und häufig aus subventionierter Holzernte unter Druck setzt. Sinken die Schnittholzpreise, muss die Großsäge zumindest ihre Kredite und Leasingraten bedienen und senkt postwendend die Holzpreise. Auch kaufmännisch solider aufgestellte Sägewerke – oft sind es mittlere und kleinere – müssen dieser Preispolitik „hinterherhüpfen“. Dass uns die Säge bei ihrer guten Wirtschaftsentwicklung der inländischen Forstwirtschaft Frischholzpreise teilweise unter 60 €/fm (bei etwa 65 €/fm minus 30 % gegenüber Durchschnittsjahren) aufdrücken will, führt berechtigt zu Wut und Enttäuschung. Das Preisdumping ist weder mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Säge- und Holzindustrie noch der inländischen Schadholzsituation zu rechtfertigen. Wirtschaftsberichte belegen ihre Rekordgewinne, selbst die coronabedingte Wirtschaftslage hat beim Preis von Sägeprodukten kurzfristig nur ein Minus von 8 % verursacht. Die Schnittholzpreise steigen und die Rundholzpreise – etwa in Tschechien – sinken weiter. Nicht nur bei COVID-19 zeigt die Globalisierung ihre negativen Folgen. Die Holz- und Sägeindustrie erzielen ihr enormes Wachstum und ihre Rekordgewinne nicht nur mit ihrer Innovationsfähigkeit und durch die Eroberung weiterer Absatzmärkte. Im erheblichen Ausmaß sind es die niedrigen Rohstoffkosten sowie die nahezu unbegrenzte Rohstoffverfügbarkeit durch die Rundholzschwemme aus Billigimporten, die den Käufern auch den Preisdruck auf unser inländisches Rundholz ermöglichen!

Die Anteile minderer Sortimente nehmen stetig zu – und die Sägewerksbetreiber wissen das auch ...
Die Holzindustrie hat auch aufgrund der billigen Rohstoffpreise – Faserholz wird fast verschenkt – Rekordgewinne verzeichnet und kalkuliert beim Aufbau weiterer Einschnittkapazitäten zumindest noch mittelfristig mit billigen Schadholzmengen. Diese Investitionen wären grundsätzlich ebenso positiv zu sehen wie die technischen Innovationen, die zu einer vermehrten Schadholzverwendung führen. Aber trotz hoher Deckungsbeiträge beim Schadholzeinschnitt – nicht ohne Grund investiert man immer mehr in BSH und BSP Produktionen – beschwert sich die Säge über zu wenig Frischholz im Sommer und betont, wie kulant sie agiere, das inländische Schadholz überhaupt zu übernehmen. Ganz abgesehen davon, veranlasst der schlechte Holzpreis auch nicht zum Frischholzeinschlag. Das ist als Begründung für die seit Längerem praktizierten Importsteigerungen, deren Verhältnis von Frisch- und Käferholz sicher nicht günstiger als im Inland ist, kein schlüssiges Argument. Es sind nur der billige Einkaufspreis und die Gewinnmarge, die zählen.

Ist das über Jahrzehnte mühsam aufgebaute Image des „coolen, genialen und ökologischen Baustoffes Holz“ in Gefahr?
Das meiste Holz wird leider auch auf den Langstrecken mit dem Lkw transportiert. Der niedrige ökologische Fußabdruck des Holzes ist bei den immer länger werdenden Transportdistanzen – teilweise über Landesgrenzen hinweg – definitiv zu relativieren, ja! Da tun wir dem Ruf von Holz in der Öffentlichkeit nichts Gutes. So wird die positive Umweltbilanz von Holz – etwa als CO2 -Speicher – durch lange Lkw-Transporte ad absurdum geführt. Wenn die Öffentlichkeit das einmal realisiert, haben wir ein Riesenproblem mit dem Nachhaltigkeitsimage von Holz.

Die positive Umweltbilanz von Holz wird durch lange Lkw-Transporte ad absurdum geführt. Wenn die Öffentlichkeit das einmal realisiert, haben wir ein Riesenproblem mit dem Nachhaltigkeitsimage von Holz.


FM Frank Diehl, Mayr-Melnhof Salzburg

Bei alldem sollte der Forst gerade jetzt mit aller Kraft in den klimagerechten Bestandesumbau investieren. Geht sich das aus? Regelt der Markt wirklich alles?
Nein! Die marktwirtschaftlichen Mechanismen – das freie Spiel von Angebot und Nachfrage – werden diese Probleme nicht mehr lösen. Sie schaffen in unserer Branche keinen fairen Ausgleich mehr. Der Wiederaufbau ertragreicher, stabiler Wälder, auch zur bisher kostenfreien „Miterfüllung“ überwirtschaftlicher Leistungen für die Gesellschaft, wird unter der aktuellen ökonomischen Situation den Waldbesitzern nicht mehr möglich sein. Die Forstwirtschaft ist in einer ökonomischen Zwangslage und trägt das viel höhere Produktions- und Wirtschaftsrisiko. Wir sind von Rahmenbedingungen – etwa dem Klima – abhängig, die wir nicht direkt beeinflussen und auf die wir nur eingeschränkt reagieren können. Die mitteleuropäische Forstseite profitiert nicht von den Gewinnen der Holzindustrie und verliert dramatisch an Produktivität und wirtschaftlicher Stabilität. Dabei gilt die Holz- und Sägeindustrie als enorm innovativ, agiert in der Frage der langfristigen Versorgungssicherheit mit Rundholz aber strategisch kurzsichtig. Sie tut so, als ob die ausreichende Versorgung mit günstigem Fichtenholz aus Mitteleuropa auf ewig gesichert wäre! Sie sollte sich außer mit der Frage des Wiederaufbaus und Erhaltung produktiver Wälder auch mit den Holzarten auseinandersetzen, die in Zukunft eine größere Rolle spielen werden – also etwa Kieferarten, Douglasie, aber auch Birke, Pappel, überhaupt Laubschwachholz. Das würde einen Absatzmarkt für heute marginalisierte Hölzer schaffen und uns den Waldumbau wesentlich erleichtern.

Angesichts ausbleibender Holzerlöse und fehlender Perspektive könnte so mancher Waldeigentümer versucht sein, das Heil in der Maximierung von Jagdpachten suchen.
Hier möchte ich klar sagen, dass dann auch größere Aufwendungen, etwa für Fütterung, Abschusserfüllung, Aufforstung und Wildschutz, entstehen, sofern man keine unverantwortlichen Wildschäden riskieren will. Die Jagdpächter erwarten bei hohen Pachten entsprechende hohe Abschüsse von Trophäenträgern und das bedingt entsprechende Wilddichten. Das Interesse an Hegeabschüssen ist eher gering! Wenn Sie Wirtschaftswald in guten Lagen haben, dann brauchen wir nicht darüber reden, wo das wirtschaftliche „Heil“ liegt: Sicher nicht in der Jagd! Wer die Jagdwirtschaft optimiert, hat in der Forstwirtschaft zwangsläufig Einbußen. Das sind kommunizierende Gefäße. Aber das eine zu optimieren zulasten des anderen, dem sind in Österreich auch rechtliche Grenzen gesetzt. Und das ist gut so. Es gibt natürlich auch Spezialfälle: Dort, wo z.B. aufgrund natürlicher Gegebenheiten keine Möglichkeit besteht, ausreichende Einnahmen aus der Holznutzung zu erzielen – etwa auf Nichtholzboden, in zuwachsarmen Niederwäldern –, kann durch die Jagd ein Betriebseinkommen sichergestellt werden.

Wie stehen Sie zur von der Sägeindustrie erhobenen Forderung nach Ganzjahresnutzung?
Den Wunsch nach ausgeglichener Ganzjahresversorgung verstehe ich. Aber die in Skandinavien übliche Praxis der ganzjährigen Holzernte ist für die meisten Flächen Österreichs abzulehnen. Das hat nicht nur mit der historisch gewachsenen Eigentümerstruktur mit vielen bäuerlichen Kleinwaldbesitz zu tun. Die Ernte während der Saftzeit provoziert Waldschäden, erzeugt häufig Bodenverdichtung und verschärft die Käferproblematik. Die Nachteile und Risiken der Ganzjahresnutzung trägt dann nur der Waldbesitzer, ohne dafür einen höheren Holzerlös zu erhalten. Daher kommt das für mich nur in Sondersituationen (Schadholz, steiniger Untergrund, spezielle Räumungen) infrage. Erstrebenswert wäre vielmehr ein zeitlicher Ausgleich durch ein durchdachtes Abfuhrmanagement, das – natürlich außerhalb der Käfersaison, also von Oktober bis Juni – auf die Zwischenlagerung im Wald abstellen kann. Der Wald soll kein billiges Warenlager der Käufer sein, daher sind sachliche und wirtschaftliche Fragen zuerst zu klären (Risikoübergang, Lageraufwand, Zahlungsmodalitäten). Dann kann nach Absprache mit den Sägewerken ein kontinuierlicher Holzfluss über acht bis neun Monate sichergestellt werden. Während der Sommermonate muss entweder die rasche Abfuhr aus dem Wald oder die Lagerung außerhalb des Waldes erfolgen – ob als Trocken- oder Nasslager. Dieses logistische Konzept auszuarbeiten und dann auch umzusetzen, wäre meines Erachtens ein lohnendes Gemeinschaftsprojekt von Holzindustrie und Forstwirtschaft.

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Schutzwald in höheren Lagen muss immer häufiger auch Nutzfunktion übernehmen. © R. Spannlang

Damit sind wir bereits bei Lösungsansätzen in der Krise: einerseits eine desaströse Marktsituation, gleichzeitig der Anspruch des Waldumbaus und zum Drüberstreuen auch noch der COVID-19-Shutdown. Was kann die Forstseite hier selbst noch tun?
Die Forstbetriebe dürfen die Vermarktung ihres Rohstoffes nicht noch weiter aus der Hand geben. Angesichts schlechter Preise, schwierigen Absatzes und großer Schadholzmengen ist der Waldbesitzer schon dankbar, wenn das Holz nur verkauft ist und dann abgefahren wird. Es besteht die Gefahr, dass den Wert und das Einkommen bestimmende Aspekte vernachlässigt werden. Es bleibt wenig Zeit und die von vielen Forstleuten empfundene Ohnmacht nimmt zusätzlich die Motivation, sich um Aushaltung, Sortierung und Losbildung zu kümmern. Der derzeitig extreme Käufermarkt zeigt sich nicht nur in der Preisgestaltung und führt dazu, dass Holzkäufer zusätzliche Ansprüche stellen. Es werden Stärkeklassen filetiert (weitere Preisabstufungen für Schwachbloche) oder vom Verkäufer zu zahlende Gebühren – etwa „Wiegegebühren“ – erfunden. Wir können aber im Gegenzug zum Beispiel keine Forstwegebenutzungsgebühr verrechnen. Unsere derzeit gültige Basis sind die ÖHU und wir müssen aufpassen, dass es nicht zu weiteren Aufweichungen kommt! Wir sollten Abwärts-Sortierungen weder zulassen noch selbst vornehmen, bei denen etwa Holz aus Käfernutzungen automatisch als Cx klassifiziert wird oder Laubschwachbloche im Faserholz verschwinden. Ziel ist eine objektivierte, belastbare Sortierung. Es gibt bereits gute Praxisbeispiele für gemeinschaftliche forstliche Holzvermarktung oder Holzhandel durch Forstbetriebe. Um eine bessere Marktstellung und Mengenstabilisierungen zu erzielen, könnten etwa von der „Forstwirtschaft“ gemeinschaftlich betriebene große Holzlager dienen. Diese zu entwickeln ist jedoch eine schwierige Aufgabe und muss professionell gemanagt werden. Zur Forstseite gehört auch die höhere Forstpolitik und öffentliche Verwaltung. Die Sägewerke per Gesetz zur Abnahme inländischer Schadholzkontingente zwingen zu wollen, sehe in der Praxis als nicht durchsetzbar und daher letztlich als kontraproduktiv an. Die österreichische Säge lehnt ja nicht die Übernahme inländischen Käferholzes ab, sondern würde es schon zu den in Tschechien und Deutschland bezahlten Billigpreisen übernehmen. Man müsste also neben der Mengenzuteilung auf die Sägewerke (wer soll das machen?) auch die Übernahmepreise von öffentlicher Seite festlegen, sonst kommt kein Verkauf zustande. Dieser planwirtschaftliche Ansatz ist jedoch aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen abzulehnen. Um weitere negative Auswirkungen der enormen Rundholzimporte auf die Situation in Österreich zu vermindern, halte ich ordnungspolitische Eingriffe für gerechtfertigt. So wäre zu prüfen, ob phytosanitäre Kontrollen an der Grenze und gegebenenfalls Einfuhrverbote für befallenes Käferholz durchgesetzt werden können. Wollen wir weniger Holz-Lkw auf der Langstrecke, müssen entsprechende Verbesserungen der Bahninfrastruktur und Bahnlogistik erfolgen. Aktuell besteht wenig Anreiz für Waggonverladung, aber das ist eine Sache der höheren Politik und der ÖBB – kann also dauern! Ebenso sind Anreize für einen intensiveren Holzeinsatz vor allem bei öffentlich oder geförderten Bauten (Holz- und Hybridbau) durch entsprechende Adaptierungen von Bauordnungen und Förderrichtlinien sinnvoll.

Werden wir irgendwann wieder Holzpreise wie 2013/14 erleben?
Wie sind die gegenwärtige Klima- und absehbare Rohstoffkrise anders zu bewältigen als durch verstärkte Mehrnutzung unserer eigenen nachwachsenden Rohstoffe, also maßgeblich von Holz? Wie anders soll die Politik europaweit reagieren als mit einer Holzoffensive bei Bau, beim Ersatz ölbasierter Materialien und Energie? Die Vorteile der Nutzung heimischer Wälder, die Alleinstellungsmerkmale von Holz gegenüber ölbasierten und umweltbelastenden Materialien (etwa Baumwolle) muss der Öffentlichkeit noch umfangreicher erklärt werden. Die Holzverwendbarkeit ist weiter zu liberalisieren, damit die Benachteiligung gegenüber Beton reduziert wird. Also, die Preise werden angesichts der fehlenden Holzvorräte durch schadholzbedingte Übernutzung der europäischen Wälder und den zu erwartenden Rohstoffhunger bei hohen Einschnittkapazitäten wieder steigen müssen! Das werde ich in meiner Dienstzeit hoffentlich noch erleben. Es kann nur niemand sagen, wann das sein wird und wer von uns bis dorthin überlebt haben wird.

Das könnte also noch eine Durststrecke werden. Werter Herr Diehl, besten Dank für das Gespräch!