Dr. Eduard Hochbichler ist Lektor für Waldbau und ULG- Lehrgangsleiter an der BOKU. © Christoph Gruber | BOKU-IT
Woher kommt die Idee für den Universitätslehrgang (ULG) „Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Liegenschaften“ und wann startete er?
Hochbichler: Universitäten haben seit Anfang der 2000er-Jahre vom Ministerium den Auftrag, im Sinne des „lebenslangen Lernens“ ULGs abzuhalten. Dieser Lehrgang wurde ab 2016 von Dr. Walter Grabmair und Dr. Gerald Schlager konzipiert – da war ich selbst noch nicht eingebunden – und startete im Wintersemester 2019 im Rahmen der Weiterbildungsakademie der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU).
Der Immobilien-Sachverständige Dr. Gerald Schlager war bereits in die Konzeptionierung des ULG eingebunden. © Christoph Gruber | BOKU-IT
Schlager: In der klassischen Immobilienbewertung werden in Österreich und in Europa von Universitäten laufend sehr vielfältige Ausbildungsprogramme angeboten. Im sogenannten „grünen Bereich“ hat es das aber bisher nicht gegeben. Beim schon früher lancierten viersemestrigen ULG „ländlichen Liegenschaftsmanagement“ mit Master-Abschluss gab es ein Basic-Bewertungstool. Die damaligen KursteilnehmerInnen haben einen eigenen, kompakteren Lehrgang über land- und forstwirtschaftliche Liegenschaftsbewertung eingefordert. Und so kam es ab 2016 zur Entwicklung dieses zweisemestrigen ULGs, der auch nichtakademisch vorgebildeten Teilnehmern offensteht. Dieses Angebot im land- und forstwirtschaftlichen Bereich ist auch europaweit einzigartig. Der rege Zulauf des im kommenden Herbst startenden dritten Jahrgangs gibt uns also recht.
Was ist also der wesentliche Unterschied zum ULG „Ländliches Liegenschaftsmanagement“?
Hochbichler: Die meisten anderen ULGs an der BOKU – etwa auch der ebenfalls recht erfolgreich laufende „Jagdwirt“ – sind zwei- oder dreijährig. Das drückt sich auch in den angerechneten bis zu 64 ECTS aus. Unser Bewertungslehrgang hat 24 ECTS und ist auch nur einjährig. Das kommt bei schon Berufstätigen besser an, weil ein Jahr beruflich und familiär leichter unterzubringen ist. Die Module finden fast ausschließlich am Wochenende statt.
Sie beide sind bereits seit 2019 in diesen ULG als Vortragende eingebunden?
Hochbichler: Ja, in die Planung und Organisation der Lehrinhalte samt der Einladung von Vortragenden. Es ist ein Auftrag seitens der Universität, dass es unter den Vortragenden einen Mix geben soll aus jenen, die selbst an der Universität lehren sowie ExpertInnen aus Praxis und Wirtschaft. Ich denke, das ist auch einer der Gründe, warum der Lehrgang so erfolgreich ist. Es ist Gerald Schlager nämlich gelungen, aus verschiedensten Berufsspektren sehr gute und kompetente Personen als Vortragende einzubinden.
Schlager: Das ursprüngliche Kernteam der Vortragenden des ULG war im ersten Jahrgang relativ überschaubar. Wir haben in ihrem Einvernehmen ihren Stundeneinsatz halbiert und die Anzahl der Vortragenden verdoppelt – all das im Einklang mit dem Feedback der Jahrgänge 1 und 2. Wir wollen wirklich dem Bedarf und den Wünschen der Studierenden nachkommen. Und ich kann sagen, dass in dieser Form der ULG sowohl für die Studierenden als auch für die Vortragenden eine Fortbildung darstellt.
Das bedeutet also, hier profitiert man nicht nur von Wissen und Erfahrung der Vortragenden, sondern auch von jener der Kursteilnehmer! Es kommt hier also zu einem erweiterten Knowledge Pooling?
Hochbichler: Diese am Wochenende abgehaltenen Seminare finden an verschiedenen Orten im Land statt – nicht nur an der BOKU, sondern auch in Kärnten am Längsee, in der Wachau oder am Heffterhof in Salzburg. Dadurch gleichen sich auch die unterschiedlich langen Anfahrtswege für die Teilnehmer aus ganz Österreich etwas aus. Und der fachliche Austausch zwischen ihnen, die aus sehr unterschiedlichen Berufsfeldern und Unternehmen kommen, ist bei uns quasi Programm. Deshalb haben wir im zweiten Jahrgang während des ersten Corona-
Lockdowns lieber eine Pause eingelegt, als dass wir auf diesen Austauscheffekt in solchen heterogen zusammengestellten Gruppen von Vortragenden und Teilnehmenden verzichtet hätten. Wir haben nur einen einzigen Kurstag über das Internet durchgeführt. Der war inhaltlich sicher gut, aber es fehlte die soziologische Komponente dabei.
Schlager: Wir haben bei den Lehrveranstaltungen auch immer „Kamingespräche“, in denen ExpertInnen zu einem aktuellen Thema aus ihren Fachbereichen über ihre praktische Erfahrung extemporieren. Denn der Sinn hinter dieser ULGs ist es auch, als Absolvent nach diesem Jahr über ein Netzwerk zu verfügen im Sinn von Erfahrungsaustausch und Nachfragemöglichkeit – zu anderen Teilnehmenden und Vortragenden. Wir versuchen sogar, dieses Netzwerk über die Jahrgänge hinweg zu verknüpfen. Unsere Module sind also offen für Alumni, die in ihrem Jahrgang etwa ein Kamingespräch so noch nicht mitverfolgen konnten. Das beflügelt diesen fachlichen Austausch noch weiter. Eines dieser Kamingespräche bestreitet traditionellerweise der Hauptinitiator Walter Grabmair, dessen Ausführungen immer besonders interessiert verfolgt werden und die darin enden, ihn wieder für das kommende Jahr einzuladen.
Hochbichler: Das Gleiche trifft auch auf die Präsentation der Abschlussarbeiten zu, die die Teilnehmenden absolvieren müssen. Auch hierzu werden die Alumni eingeladen, sich bei diesen Defensiones fachlich einzubringen.
Universitätslehrgang „Bewertung land- und forstwirtschaftlicher Liegenschaften“
- Abschluss: Zertifikat
- Dauer: 15 Wochenend-Blöcke in 2 Semestern
- Lehrgangsgebühren: 7.800 €
- Lehrinhalte: Erhebung wertbestimmender Merkmale im Gelände, landwirtschaftliche Taxation, Waldbewertung, Jagd- und Fischereirechte, Immobilienmärkte, Erstellung und Analyse von Bewertungsgutachten
Macht es Spaß, in einem solchen bunten Habitat an Wissen und Erfahrung zu unterrichten? Was ist der Unterschied zum Unilehrbetrieb?
Schlager: Ich versuche, in meinen Uni-Vorlesungen auch praxisorientiert zu unterrichten. Der erfolgreiche Abschluss der Lehrveranstaltung würde aber niemals ausreichen, um sich etwa in die Liste der Gerichtssachverständigen eintragen zu lassen. Unser ULG hingegen stellt von vornherein den Anspruch, dass für unsere ULG-AbsolventInnen die Zertifizierungsprüfung fachlich kein Hindernis darstellt.
Hochbichler: Die Perspektive, selbstständig gutachterlich tätig zu sein, ist übrigens auch oft ein Grund, warum Personen sich um einen Studienplatz in unserem ULG bewerben. Unter anderem deshalb ist das Interesse an der land- und forstwirtschaftlichen Liegenschaftsbewertung anhaltend hoch.
Schlager: Dem kann ich nur beipflichten. Ganz offen gesagt, haben Gerichtssachverständige derzeit Nachwuchssorgen. Es gibt kaum mehr Junge, die sich dieser doch herausfordernden Aufgabe mit hoher persönlicher Verantwortung stellen wollen. Dazu kommt, dass die eingetragenen gerichtlichen Sachverständigen in ihrer Kompetenz bezüglich land- und forstwirtschaftlicher Liegenschafts-
bewertung sehr unterschiedlich sind. Es ist unsere Absicht, mit diesem Bildungsangebot hier Abhilfe zu schaffen.
Hochbichler: Deshalb ist es wichtig, die in Zweiergruppen durchgeführten Abschlussarbeiten auf hohem Niveau zu halten. Dafür haben wir als Vortragende und auch Beurteiler zu sorgen.
Schlager: Das Niveau der bisherigen Abschlussarbeiten war sehr zufriedenstellend.
Hochbichler: Ja! Dazu ist die thematische Bandbreite der Arbeiten enorm – Bewertung von Wald, von Nebenerwerbs-
Landwirtschaften, von Fischereigewässern, von Reitställen.
Schlager: Gerade bei der Bewertung von Fischereigewässern gibt es einen großen Mangel bei geeigneten Sachverständigen. Und zu diesem Thema gab es im ersten Jahrgang eine sehr gute Abschlussarbeit. Das Thema ist ja frei wählbar, und die Teilnehmer wählen meist ein Thema, mit dem sie sich persönlich identifizieren und als künftige Sachverständige positionieren können.
Wie ist die Altersstreuung in diesem Kurs?
Hochbichler: Das geht typischerweise los mit Forstschulabsolventen, die bereits in der Immobilienbranche Fuß gefasst haben, von etwa 23 Jahren bis hin zu etwa 40-Jährigen, die etwa sich im Immobilienmanagement einer Großbank oder der Bundesforste etabliert haben.
Schlager: Unser erster Lehrgang war stark geprägt von den Initiatoren, die eine solide Bewertungskompetenz forcieren wollten. Daher haben viele Teilnehmer aus dem ULG Liegenschaftsmanagement teilgenommen. Da war der Altersdurchschnitt etwas höher. Der zweite Jahrgang war im Schnitt schon viel jünger, und die Teilnehmer kamen alle aus der Praxis. Diese werden meist von ihren Dienstgebern entsandt, die auch die Lehrgangskosten übernehmen.
Land- und forstwirtschaftliche Liegenschaftsbewertung wird raumplanerisch immer delikater und herausfordernder. Da wird es echte Spezialisten auf dem Gebiet brauchen.
Die meisten Teilnehmer werden also von einem Unternehmen gesponsert?
Schlager: Es gibt beides. Ich weiß auch von ArbeitnehmerInnen, die die Kosten selbst tragen – im Hinblick auf eine spätere Selbstständigkeit als Sachverständige(r).
Ist die Durchführung eines neuen Jahrgangs schon fix?
Hochbichler: Ja, wir haben schon wieder die Mindestanzahl von etwa 20 TeilnehmerInnen überschritten und können starten. Diese Mindestanzahl brauchen wir einfach, damit die Kosten für die Durchführung abgedeckt sind.
Schlager: Der Wunsch der BOKU wäre natürlich „je mehr – je lieber, weil lukrativer“. Als Vortragender würde man sich eher weniger Teilnehmer wünschen, weil das didaktisch und gruppendynamisch besser ist.
Wie intensiv wird für den ULG Werbung gemacht? Oder wie werden geeignete Personen auf dieses Angebot aufmerksam?
Schlager: Entweder jemand liest etwa in der Zeitschrift „Sachverständige“, oder in der Forstzeitung, aber am häufigsten kommen die Kandidaten über Mundpropaganda zu uns. Daher fällt Werbung praktisch weg. Im Übrigen regelt sich die Qualität über die Kursgebühr. Es kostet ja etwas, deshalb möchte die Teilnehmenden das Maximum für sich herausholen.
Hochbichler: Nun, ganz ohne Kommunikation und Einschaltungen würden wir auch nicht so erfolgreich sein! Ein Selbstläufer ist es jedenfalls nicht. Gute Leute können sich auch für andere Weiterbildungsangebote entscheiden. Wir wollen jedenfalls den richtigen Personenkreis auf uns aufmerksam machen.
Gibt es auch Studierende aus dem Ausland?
Hochbichler: Nein, haben wir derzeit keine. Das ist aber auch kein wesentliches strategisches Ziel.
Schlager: Ich würde das auch so sehen, wenngleich viele unserer KursteilnehmerInnen viel Auslandserfahrung haben und oft, wenn sie wieder einmal einige Zeit im Inland sind, diese Chance gern für den Kursbesuch nutzen. Das Ganze wäre auch für jemanden, der zu jedem Wochenend-Block weit aus dem Ausland anreisen müsste, schwer zu bewerkstelligen.
Wo würden Sie den ULG gern in 5 Jahren sehen – inhaltlich, organisatorisch?
Hochbichler: Das ständige Weiterentwickeln und Verbessern des Kurses sind wesentlich. Das bietet sich ja ohnehin durch das Teilnehmer-Assessment am Ende des Kurses an. Inhaltlich sind das wahrscheinlich bessere Integration von Flächenmanagement und Naturschutzleistungen sowie Schutzgebietsbewertungen. Das ist teilweise ja auch gesellschaftspolitisch vorgegeben.
Schlager: Das Teilnehmer-Reservoir für den angesprochenen anstehenden Generationenwechsel bei den Gerichtssachverständigen wird in den nächsten zwei bis drei Jahren ausgeschöpft sein. Wir werden also neue Personengruppen ansprechen müssen. Ich denke, das werden die klassischen Immobilienbewerter sein, auch Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater.
Hochbichler: Es tut sich derzeit im Bereich Raumordnungsgesetze einiges. Das dürfte den Interessentenkreis stark erhöhen. Wir müssen natürlich dann die Inhalte entsprechend anpassen und Forstfachliches stärker betonen.
Schlager: Bauerwartungsland ist Grünland, und Grünland ist durch einen land- und forstwirtschaftlichen Sachverständigen zu bewerten. Das ist etwas, was immer raumplanerisch immer delikater und herausfordernder wird. Da wird es echte Spezialisten auf dem Gebiet brauchen. Sachverständige haften ja auch für ihr Gutachten, und müssen das nicht nur mit ihrem besten Wissen und Gewissen erstellen, sondern auch mit der erforderlichen Kompetenz. Hierzu bedarf es auch einer laufenden Weiterbildung.
Vielen Dank für das Gespräch!