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Wann werden wir alternative Antriebe beim Lkw auf der Straße sehen – und wann im Wald? © shutterstock.com / Mike Mareen

Interview Wolfgang Holzer, ÖBf

Vom Flügelschlag innovativer Gedanken

Ein Artikel von Robert Spannlang | 20.07.2021 - 15:17

Am Ende des Versuches mit der Wien Energie in Simmering könnte die Wasserstofferzeugung stehen.


Wolfgang Holzer, Leiter der Logistik der Österreichischen Bundesforste
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Wolfgang Holzer, Leiter der Logistik der Österreichischen Bundesforste © ÖBf-Archiv/ M. Glassner

Seit 1985 arbeitet Wolfgang Holzer für die Österreichischen Bundesforste (ÖBf), seit 16 Jahren als Leiter des Holzverkaufs und der Logistik. Dabei ist er keiner, der sich in Visionen verliert. Bei vielem, was er tut, merkt man dem gelernten Maschinenbauer seinen Sinn für die Praxis an. Dennoch war es möglich, mit dem Niederösterreicher über Szenarien in seiner Branche zu spintisieren, deren Realisierung wohl noch weit in der Zukunft liegen dürfte.

Die Forst- und Holzwirtschaft beansprucht für sich, CO2-Problemlöser zu sein. Wie zeigt sich das in den Transportketten der Branche?
Die ÖBf betreiben keine Holz-Lkw, sondern arbeiten mit Partnern aus der Frächterbranche zusammen. In der Ausschreibung verlangen wir Abgasnorm Euro 6 (die aktuell strengste Abgasnorm, Anm.) – entweder als entscheidender Vorteil in einem Bestbieterverfahren oder überhaupt beinhart als Voraussetzung. Das ist in der Holzbranche schon eine sehr hohe Latte, denn hier gibt es noch viele Lkw, die nicht Euro 6 sind. Im Holztransport sind Lkw oft nicht ganz so jung oder werden nicht so oft getauscht wie etwa in der Transportbranche generell. Dadurch hinkt die verwendete Technik hinterher. Was wir tun können, ist, das Thema CO2-sparende Holztransporte immer wieder anzusprechen. Fa. Hengstberger etwa – einer der Großen in diesem Bereich – sieht den Elektro-Holz-Lkw noch in weiter Ferne. Ein zweiter Ansatzpunkt der ÖBf für die CO2-Einsparung ist, unser Holz so weit wie möglich auf die Schiene zu verlagern. Das bedarf natürlich eines Holz-Verladebahnhofs, der in manchen Regionen schlicht nicht vorhanden ist. Wenn man zum nächsten Verladebahnhof weiter hat als ins Sägewerk, macht das ja auch keinen Sinn. Und drittens: Freilich fährt man im Zweifelsfall eher zu dem Kunden, der näher liegt.

Warum ist die Behaltedauer von Lkw in der Holzbranche oft dreimal so lange wie im Durchschnitt der Transportwirtschaft?
Ja, das erscheint auf den ersten Blick kurios. Denn immerhin wird ein Holz-Lkw meist viel mehr beansprucht als ein normaler. Es liegt wohl auch daran, dass ein Holz-Lkw quasi nie von der Stange gekauft, sondern mit allerlei Spezialaufbauten und -radständen, mit Kran und Überständen versehen wird. Oft werden sie zusammengestellt nach Wünschen des Fahrers. Im Flachland benötigt ein Transportunternehmer ein anderes Fahrzeug als sein Kollege in Tirol. Das ist einfach so: Fahrbahnneigungen und Kurvenradien in den Bergen sind nun einmal anders. Als Frächter muss ich mich natürlich auch auf die hauptsächlichen Sortimente meiner Kunden einstellen: Sind das eher 3m- oder 5m-Bloche? Das heißt, die Lkw werden von vornherein schon auf die jeweilige Region und Kundenstruktur „hinoptimiert“. Vielleicht wechselt man ihn schon allein deshalb nicht so oft. Ein weiterer Punkt ist sicherlich, dass ein Allrad-Holz-Lkw, der viel im Wald unterwegs ist, zwar stärker beansprucht wird, aber im Schnitt auch weniger Kilometer zurücklegt als ein Straßen-Lkw. Das bedingt bei ähnlicher Kilometerleistung eine viel längere Behaltedauer.

Auch die gegenwärtige EU-Kommission macht Dampf in CO2-Neutralität. Wann wird die Forst-Holz-Branche nicht nur in der Produktion und beim Rohmaterial, sondern auch bei Ernte und Transport CO2-Vorreiter für andere Wirtschaftsbereiche sein? Wann werden wir auch dort CO2-neutral?
Wir beteiligen uns an verschiedenen Forschungsprojekten zu Holzdiesel und Holzvergasung. Entsprechende Motoren sind aber unter konstanteren Betriebsbedingungen, wie sie auf der Straße herrschen, eher wirtschaftlich als im Wald. Aus Brüssel gibt es nun die Vorgabe für Fuhrparks öffentlicher Unternehmen wie die ÖBf, bis 2030 CO2-neutral sein. Das wird aber einschleifend zu erfüllen sein – d.h., bis 2025 ist die Vorgabe 25% CO2-Neutralität. Für die Straße ist das alles machbar. Aber wir haben 800 Kfz mit einem hohen Anteil Geländebefahrung. Da haben Sie kaum eine Chance, das zu erfüllen. Denn der Fokus der Hersteller sind auch nicht die paar Autos, die in den Bergen oder im Gelände unterwegs sind. Das ist unser eigentliches Problem. Ich glaube also, ich selbst werde es wohl kaum erleben, dass unsere Flotte CO2-neutral wird. Wir arbeiten aber hart daran, diesem Ziel möglichst nahe zu­kommen.

Wie steht es mit der Wasserstofftechnologie für Lkw?
Allgemein sagen uns Experten, dass Wasserstofftechnologie mehr Sinn macht, je schwerer die Nutzlast und je weiter die Transportentfernung ist. In den nächsten 10 oder 20 Jahren können wir also schon wasserstoffbetriebene Lkw auf den Straßen sehen. Ob wir da im Wald unter den Ersten sein werden, ist erneut fraglich. Realistischer ist da schon Biogas. Aber es ist in beiden Fällen noch einiges an Entwicklungsarbeit nötig. Wir starten ja mit der Wien Energie in Simmering eine Versuchsanlage für Biomassevergasung. Da soll Klärschlamm genauso verwendet werden können wie Holz. Als ein mögliches Endprodukt könnte hier die Wasserstofferzeugung stehen. Es soll hier um die Machbarkeit in größerem Maßstab gehen.
Könnte man also zusammenfassend sagen, dass die von uns angestrebte CO2-Vorreiterrolle beim Transport schlicht daran scheitern könnte, dass der Holztransport außerhalb des Gesichtsfeldes großer Lkw-Hersteller wie Scania, Volvo oder Mercedes liegt?
Ich hatte unlängst ein Gespräch mit einem Vertreter von MAN. Ich stellte ihm die Frage: Wann kriegen wir nun endlich Lkw mit alternativen Antrieben? Seine Antwort war: Wenn Sie mir garantieren können, dass wir in einem Jahr 10.000 Einheiten davon verkaufen werden, dann beschäftige ich mich damit. Das bedeutet, der geringe Marktanteil des Holztransportes am Markt ist derart unter seiner Flughöhe, dass er uns wohl nicht einmal wahrnimmt. Denn MAN baut selbst keine Holz-Lkw auf, wohl aber beispielsweise Kippmulden oder Schwerlast-Auflieger. Das sind andere Dimensionen. Wenn unsere Frächter ansatzweise das Gefühl haben, ein alternatives Konzept könnte passen, dann sind wir dabei. Anders gesagt: Sollte einmal irgendwo ein wasserstoffbetriebener Holz-Lkw oder -Auflieger in Österreich unterwegs sein, dann fährt er für die Bundesforste (lacht)!

Durch große Nasslager hat man oft „nah am Wasser gebaut“. Wird man in Zukunft mehr mit Holz beladene Frachtschiffe sehen?
Das funktioniert nur bei Kunden wie Rumplmayr, die eine Hafenkante zur Holzentladung haben. Wir hatten in der Wachau so ein Nasslager unmittelbar an der Donau. Aber die Frachtdistanz bis zu Rumplmayr war einfach zu gering, als dass sich das gerechnet hätte. Aber soweit ich weiß, liefern die BaySF regelmäßig Holzschiffe an Rumplmayr. Da passt die Entfernung. Wenn ich nicht für die letzten Kilometer erst wieder auf Lkw umladen muss, kann das durchaus Sinn machen. Auch in Ybbs kommen immer wieder Schiffe an. Es gibt hierzulande also zwei Sägewerke, bei denen Holzantransport am Wasser möglich ist.

Früher war die „rollende Landstraße“ – auf Schienen – in aller Munde. Ist im Holztransport eine „schwimmende Landstraße“ denkbar?
Mit dem Hafen Krems haben wir hier schon Gespräche geführt. Dort gibt es einige sehr innovative Köpfe. Im Hafen Krems wäre das alles kein Problem. Die Frage ist nur, wo wäre dann die Fährenbe- oder -entladung? Bei uns ist das ja nicht so wie in Kroatien, wo überall eine Fähre anlegen kann. Es wurde hier viel diskutiert, aber auch vieles wieder verworfen. Wir sind halt keine richtige Schifffahrtsnation! Dass ein Holz-Lkw fünf Tage am Schiff unterwegs ist, kann ich mir ehrlich gesagt nicht wirklich vorstellen. Das ist natürlich dann immer auch eine Frage der Gegenfracht. Das war ja zuletzt auch das große Thema mit China, wo viele Container halbvoll oder überhaupt leer zurückkamen. Das macht die Schifffahrt dann auch extrem teuer.

Erntemaschinen sowie allradbetriebene Holz-Lkw für die Holzbereitstellung aus dem Wald und Auflieger-Lkw für den Langstreckentransport scheinen derzeit unabdingbar. Wann fährt man bei den ÖBf im und in den/aus dem Wald mit Unternehmern, die auf regenerativen Treibstoff (Holzdiesel) setzen?
Egal ob mit Erdgas-, Holzdiesel oder Wasserstoff – alternative Konzepte haben im Langstreckentransport auf der Straße sicherlich die besten Chancen, bald umgesetzt zu werden. Dort ist es sicherlich leichter als beim Transport „in den Bergen“. Bei unseren Aufliegern im Straßentransport gibt es dann kaum Unterschiede zu den normalen Planen-Lkw. Da können wir dann auch mehr Druck machen in diese Richtung. Wir erstellen jährlich eine CO2-Gesamtbilanz, die unseren eigenen Fuhrpark, die Heizungen unserer Gebäude, aber auch alle unsere Partner für Schlägerung und Transport einschließt. Dort versuchen wir hochzurechnen, wie viel CO2 pro Jahr bei unserer Arbeit tatsächlich anfällt. Auch bei uns ist da die Mobilität einer der großen Faktoren. Irgendwann wird es wohl auch Lkw mit Stromabnehmern geben, die sich auf Haupttransportrouten über Straßen mit Oberleitungen fahrautonom bewegen oder den Strom induktiv aus der Fahrbahn während der Fahrt laden können.

Gerade im Holztransport besteht bei guten Fahrern ohnehin ein echter Mangel ...
So ist es. Vor Kurzem habe ich einen Vertreter des Kranherstellers Palfinger scherzhaft aufgefordert, einen Kran zu entwickeln, der unsere Fahrer signifikant entlasten würde. Denn abgesehen vom Mut, den sie für ihre tägliche Arbeit brauchen, sollten sie auch noch „Holzgurus“ sein. Dieser Kran sollte dann nicht nur die Blochlänge, sondern auch Holzarten und Fehler selbstständig erfassen und für jede Kundenspezifikation die „richtigen“ Stämme herauspicken. Man glaubt ja gar nicht, wie viele Fehltransporte es gerade im Holzgeschäft gibt. Manche der großen Sägewerke sprechen von 10% des angelieferten Rundholzes, das wieder abtransportiert wird, weil es zu lang, zu kurz, zu stark oder schwach oder einfach das falsche Sortiment ist. Ein weiteres großes Thema sind die Leerfahrten. Bei beidem ließe sich auch viel CO2 einsparen! Wir sind bei den ÖBf gerade dabei, unsere Holzströme zu durchleuchten und auch bei den Transportkapazitäten Kreisläufe zu schließen. Denn das können wir selbst beeinflussen. Man wird Cargo-Programme nutzen, die zu transportierende Ladungen räumlich und zeitlich sinnvoll miteinander verknüpfen. Das wird auch über Unternehmensgrenzen hinaus funktionieren. Aus Marktkontrahenten könnten also bald vernetzte Marktpartner werden, weil eines klar ist: Wir haben alle viel zu gewinnen, wenn wir gemeinsam CO2 effektiver einsparen können.

Vielen Dank für das Gespräch!