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Georg Schirmbeck, DFWR © Mario Matzer

Interview Georg Schirmbeck

Fairness statt Boykott

Ein Artikel von Robert Spannlang | 06.05.2021 - 11:39
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Georg Schirmbeck © Forstzeitung

Forstzeitung: Sie haben vergangene Woche aufhorchen lassen mit der Aufforderung an Ihre Mitglieder: „Stoppt das Sägen! Lasst die Bäume stehen!“ War das tatsächlich ein Aufruf zum Lieferboykott der Sägeindustrie?

Georg Schirmbeck: Ich will keinen Lieferboykott! Es liegt mir nichts ferner, als unseren Forstbetrieben, die drei Jahre keine Gewinne mehr gehabt haben, zu sagen, sie sollen jetzt auch nichts mehr produzieren. Wir würden gerne Holz verkaufen – so viel wie nur möglich! Aber wir können doch nicht, nachdem wir Trocken- und Käferschäden gehabt haben, frische Fichte weiter verschenken! Wir brauchen nicht nur auskömmliche Preise, sondern es muss für uns wirklich wieder einmal etwas übrig bleiben! Und wenn ich höre, dass Schnittholz frei Hamburger Hafen von 280 €/m3 -vor einem Jahr auf jetzt über 600 €/m3 gestiegen ist, dann sieht man die gewaltige Spanne der Holzindustrie und des Holzhandels. Dann sind auch dreistellige Preise für Rundholz nur fair und überall in Deutschland und Österreich auch möglich!

Die Industrie könnte uns ohne Probleme 150 bis 160 €/fm bezahlen und dabei selbst noch mehr verdienen!


Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates

Es ziehen ja die Rundholzpreise ohnehin an, sagt man der Forstseite …

Ein Kollege aus Österreich hat mir dieser Tage bestätigt: „Wenn das Rundholz um 1€ anzieht, dann bewirkt das eine Verteuerung beim Schnittholz um 10€. Wenn also die Industrie auch nur 20% ihrer Preissteigerung weitergeben würde, dann hätten sie immer noch einen Riesenreibach, und wir einen Preis von 150€/fm! Ich kann doch nicht in einen gesunden 100-jährigen Fichtenbestand gehen, um Holz zu machen, bei dem ich in 100 Jahren keinen Gewinn mache! Wir wollen auch keine staatlichen Zuschüsse, sondern faire Preise für ehrliche Arbeit!

Sollte sich hier die Politik einmischen?

Nein, nur nicht! Was wollen Politiker denn machen? Ein Sägebetrieb mit 250 Leuten wäre für Politiker schon ihren Einsatz wert, aber ein durchschnittlicher Forstbetrieb liegt für die weit unter jeder relevanten Anzahl von Mitarbeitern. Ich war ja selbst lang genug Bundes- und Landtagsabgeordneter. Für mich als kleinen Forstbetrieb bedeutet das wiederum: „Ich muss selber auf mich sehen. Und so wie bisher kann ich nicht mehr weiterproduzieren!“

Was sagen Sie zur jüngst im Bundestag erhobenen Forderung nach Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes?

Das sollte doch für jeden nachvollziehbar sein, dass wir sämtliche dieser Ökosystemleistungen in unserer schwierigen Lage nicht auch noch umsonst erbringen können! Natürlich muss das endlich thematisiert werden. Aber die Hauptstoßrichtung sollte definitiv die faire Teilhabe an den steigenden Schnittholzpreisen in unserer boomenden Bauwirtschaft sein.

Denken Sie, dass Ihre Ansage die Holzindustrie beeindruckt?

Ich denke doch, sonst hätten sie nicht so heftig mit verbalen Rundumschlägen und Drohungen reagiert! Das habe ich ja vorhergesehen, aber sie werden sich auch wieder beruhigen. Andere Kollegen haben vielleicht nicht die Verve oder die Position zu sagen, was ich gesagt habe. Alle sollen wissen: „Dieses Spiel machen wir nicht mehr mit!“ Und der Zuspruch für meine Haltung aus der Forstwirtschaft war überwältigend. Auch das Medienecho in ganz Mitteleuropa war gewaltig.

Ja, Ihr Sager hat ziemliche Wellen geschlagen! Aber ist das tatsächlich mehr als Theaterdonner? Rechnen Sie damit, dass einige Ihrer Mitglieder tatsächlich die Ernte in den Wäldern einstellen werden?

Der Preis wird bestimmt durch die letzten 5% des Angebots. Wenn also nur 5% der Anbieter so reagieren, hat das schon spürbare Auswirkungen auf den Rundholzpreis. Wenn die Industrie uns locken würde mit besseren Rundholzpreisen, dann können sie noch mehr Holzprodukte am Weltmarkt verkaufen und der Weltmarktpreis für Schnittholz ist ja immer noch am Steigen und das Holz ist vorhanden. Die Industrie könnte uns also ohne Probleme 150 bis 160€/fm bezahlen und dabei selbst noch mehr verdienen!

Ihre Strategie ist es also, die Holzindustrie an den Verhandlungstisch zu bringen, um sie davon zu überzeugen, dass eine fairere Gewinnaufteilung am Ende des Tages für alle Beteiligten immer noch das Beste ist.

Genau so! Diese Woche wird noch geschimpft werden: „Der Schirmbeck, dieser unbotmäßige Mensch aus dem Teutoburger Wald!“ Aber übers Wochenende denkt dann der eine oder andere doch nach und fragt sich: „Was hat der Schirmbeck denn überhaupt gesagt? Sollten wir uns nicht doch mal mit der Forstseite treffen?“ Aber die Politiker sollen bloß zu Hause bleiben! Die unterliegen nämlich der gleichen Täuschung wie die allgemeine Bevölkerung: „Hilfe, das Holz geht uns bald aus!“ Das stimmt überhaupt nicht! Holz gibt es heute genug und wird es auch in Zukunft genug geben, wenn man die Basis dafür schafft, dass wir Forstleute uns darum kümmern können!

Auch die Holzweiterverarbeiter und Holzbauunternehmen leiden, weil sie bei vollen Auftragsbüchern und abgeschlossenen Verträgen nicht ausreichend leistbares Schnittholz bekommen können.

Die größeren Holzbaubetriebe haben vorher ihr Geld gemacht, leben jetzt von Reserven und werden auch künftig wieder gut verdienen. Sie sind auch flexibler mit ihren Beschaffungsmärkten. Es sind die vielen kleinen Tischler und Zimmerer, die momentan besonders leiden, und die sind zusammen mit den kleineren Sägern unsere Verbündeten. Denn dass die regional versorgt sind, dafür sorgen wir! Es ist in der Forst- und Holzkette genug Geld im Umlauf, es muss nur gerechter verteilt werden! Mit etwas Hausverstand und gutem Willen sollte das möglich sein!

Gerade die EU und nationale Regierungen wollen CO2-neutrale Produktionsweisen wie den Holzbau stark fördern. Nur wie soll das funktionieren, wenn die Preisentwicklung diese Initiativen hemmt?

Nehmen wir das Beispiel eines mittleren Holzbauunternehmens mit 60 Mitarbeitern. Bei dem kostet ein Holzhaus statt 500.000 € jetzt vielleicht 525.000 €. Ehrlich, das kann der wegdrücken! Schließlich sind ja auch die mineralischen Baustoffe im Preis stark gestiegen. Ja, im Hinblick auf unsere europäischen und nationalen Klimaziele hat das Bauen mit Holz überhaupt keine Alternative! Wir sollten nur jetzt vehement gegen den Eindruck auftreten, dass wir bald kein Holz mehr hätten. Denn sonst haben wir bald wirklich ein Problem!