Interview mit Rupert Fartacek

WWG: Wir kennen uns (aus)!

Ein Artikel von Robert Spannlang | 09.01.2023 - 09:37
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Bezirksförster und Waldwirtschaftsgemeinschafts-Kenner Rupert Fartacek © naturschauspiel.at

Rupert Fartacek ist Bezirksförster in Rohrbach im Mühlviertel, Lehrer für Forstwirtschaft und Geschäftsführer an der Bio-Schule Schlägl, der „Böhmerwaldschule“ sowie Waldpädagoge. Er hat sich in seinen vielfältigen und ehrenamtlichen Tätigkeiten den Themen Gemeinsamkeit und forstliche Weiterbildung verschrieben. Im Interview nimmt er zum Phänomen WWG und zu dessen Zukunftsfähigkeit Stellung.

Herr Fartacek, wann sind die ersten WWG in Österreich entstanden?
Das war 1996 nach dem EU-Beitritt Österreichs. Die Bildung von Waldwirtschaftsgemeinschaften wurde ermutigt durch die damalige 5b-Förderung, die Vorgängerin der Ländlichen Entwicklung. Diese Förderung wurde von EU, Bund und Land kofinanziert. 

Was war denn der Auslöser für diese Idee, was die Intention dahinter?
Ich denke, die Absicht der Fördergeber war es, dass durch Zusammenschlüsse im Kleinprivatwald einerseits mehr Professionalität und mehr Wertschöpfung entsteht, andererseits aber auch mehr Zusammenarbeit mit den Fachkräften der Förderdienststellen. 

Haben Sie selbst auch WWG gegründet oder geleitet?
Ja, ich habe drei WWG als Vereine gegründet: eine 1996, eine 1997 und eine weitere 1999.

War das die Regel, eine WWG als Verein mit Vorstand und Statuten zu gründen?
Zumindest für uns in Oberösterreich kann ich sagen: Ja! Es hat sich bewährt, dass es klare Strukturen gab und die Entscheidungswege und Zuständigkeiten von Anfang an klar festgelegt waren.

Die 1990er-Jahre waren ja eine Phase der Neuorientierung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Viele Holzkonzerne – insbesondere auch österreichische – haben nach Osteuropa expandiert und dort Werke aufgebaut. War nicht auch der Wunsch nach einer stärkeren Marktstellung für kleine Forstbetriebe eine Triebfeder für die Bildung von WWG?
Am Anfang ganz sicher, ja! Wir haben mit gemeinsamer Schwachholzvermarktung begonnen. Das war im Verkauf gegenüber den regionalen Sägewerken und auch gegenüber dem Lagerhaus in unserer Region sehr erfolgreich. Aber es war auch für die ehrenamtlichen Mitarbeiter sehr aufwendig und wir haben das nach etwa drei Jahren wieder eingestellt, weil der lokale Holzpreis damals ohnedies wieder recht gut war. Wir hatten dann auch einmal eine Kooperation mit Bayern: Drei staatliche Forstämter haben mit bayerischen Waldbauernvereinigungen 2001 eine Submission in Passau organisiert. Wir durften uns daran beteiligen und haben so eine neue Art der lukrativen Vermarktung hochwertiger Stämme kennengelernt. Danach erst wurde die Laubholzsubmission in Oberösterreich etabliert. So gesehen haben sich die gemeinschaftlichen Vermarktungsaktionen im Rahmen der WWG durchaus gelohnt. Und wenn‘s einmal funktioniert und läuft, dann braucht man da keine Interventionen mehr zu setzen. Nur wenn Ungleichgewichte auftreten, ist es wichtig, regulierend einzugreifen.

Wie sieht es mit dem Thema Weiterbildung in den WWG aus?
Das ist auch für uns ein ganz wichtiges Thema! Wir haben in jeder WWG pro Jahr zunächst etwa zwei Exkursionen veranstaltet, dann haben wir gemeinschaftliche Exkursionen für alle meine WWG angeboten – zumeist eine auf einer eigenen Fläche und eine weitere irgendwo anders in Oberösterreich. Einige Male waren wir sogar im Ausland. Wir hatten auch Gastsprecher etwa vom Bundesforschungszentrum für Wald, die zu Themen referierten, die für uns relevant und interessant waren.

Wissenstransfer in der WWG fing an bei der Fälltechnik, ging über kosteneffiziente Bringung und reichte bis hin zu waldbaulichen Fragen.


Rupert Fartacek, Initiator der WWG Julbach, Aigen-Schlägl, Klaffer-Schwarzenberg

 

War die WWG vom Konzept her ursprünglich als temporäres Konstrukt oder als permanente Einrichtung gedacht?
Das war schon als dauerhafte Einrichtung gedacht. Und das macht auch Sinn, denn die Vereinsmitglieder verjüngen sich ja auch permanent, indem die Alten an die Jungen übergeben. Außerdem gibt es immer wieder neue Herausforderungen im Wald – etwa der Klimawandel –, aber auch neue Initiativen. In der Gemeinde Julbach etwa wurde durch maßgebliche Beteiligung der örtlichen WWG ein Kindergarten aus Tannenholz errichtet. Das war in den 1990er-Jahren schon noch einzigartig und modern! Das Holz kam aus den Wäldern der WWG.

Wurden auch Maschinen zur gemeinschaftlichen Nutzung angeschafft?
Einmal hat ein Mitglied einen Schwachholzharvester angeschafft und den anderen in der WWG auch seine Dienste angeboten. Damit hatten wir das ideale Gerät für Durchforstungsrückstände in unseren Wäldern, anstatt unsere Wälder an die Fähigkeiten eines Harvesters anzupassen. 

Wie hoch sind die Mitgliedsbeiträge der WWG und was waren die üblichen Förderhöhen für WWG?
Die Mitglieder zahlen etwa 10 €/ha und Jahr. Zu Beginn war ein zentraler Gedanke, die Einbindung von Waldhelfern auf den Flächen der beteiligten Waldbesitzer voranzutreiben. Im Ausmaß von bis zu 140 Stunden pro Betrieb und bis zu 40 Stunden pro Hektar konnte man einen Waldhelfer beiziehen und das wurde dann bis zu 45% gefördert. Das war schon sehr vorteilhaft – gerade für die vielen Waldeigentümer, die über keine forstliche Fachausbildung verfügen. Im Rahmen der auch oft nachbarschaftlichen Hilfe fand da auch ein Wissenstransfer statt. Das fing an bei der Fälltechnik, ging über kosteneffiziente Bringung und reichte bis hin zu waldbaulichen Fragen. Das wäre eigentlich das Um und Auf gewesen bei der Idee der Waldwirtschaftsgemeinschaft. Das ist aber irgendwann einmal eingestellt worden. Ich denke, das geschah nicht zuletzt auch deshalb, weil der Verdacht im Raum stand, dass bei den Waldhelfern gerne Verwandte eingebunden wurden – was ja auch nicht falsch ist. Denn zumindest wurde verhindert, dass der Bauer alleine in den Wald ging, um Holz zu machen. Ich kenne das schon von uns, dass Nachbarn gemeinsam einmal drei Tage im Wald des einen und drei Tage im Wald des anderen gearbeitet haben. Die Waldarbeit war natürlich dann viel effizienter und das Miteinander wurde dadurch gestärkt.

Funktioniert das unter Mühlviertler Bauern?
(Lacht) Na ja, manchmal hat man auch den übernächsten Nachbarn nehmen müssen, aber irgendwer im Ort hat sich immer gefunden! 

Irgendwann wurden die Fördergelder gestrichen. Warum?
Das ist jetzt nur meine persönliche Sicht: Es ist wahrscheinlich der Eindruck bei den Fördergebern entstanden, das Ganze wird zu wenig überbetrieblich genutzt, was diese Waldhelferstunden anlangt. Dann ist noch die Maschinenförderung für die gemeinsam genutzten Maschinen übergeblieben. Dieser Maschinenpool reichte von einer händischen Entastungssäge für die Wertholzpflege über Funkseilwinden, Holzspalter und Säge-Spaltautomaten bis hin zu Krananhängern. Und das wollten wir dann auch nicht mehr, weil die Maschinen ja dann ohnehin schon vorhanden waren und sie „nur mehr“ wirtschaftlich tragfähig betrieben werden mussten. Da wurde von jedem Mitglied je nach Betriebsstunden in einen Topf einbezahlt. Nach Ablauf der Abschreibungsperiode konnte man die Maschine verkaufen und gemeinsam mit den Mitteln aus dem Topf konnte ein neues Gerät angeschafft werden. Insofern wurde mit dem Stammkapital weitergewirtschaftet und man brauchte auch die Maschinenförderung nicht mehr wirklich.

Aber damit fiel natürlich auch das Miteinander weg, etwa die gemeinsamen Exkursionsfahrten ...
Ja, das war dann schon sehr schade. Denn gerade beim gemeinsamen Diskutieren über Bewirtschaftungsvarianten holte sich jeder immer wieder gute Anregungen und Ideen für den eigenen Wald. Man konnte davon profitieren, was jemand anderer vor Jahren und Jahrzehnten ausprobiert hat und sich ansehen, wie das funktioniert hat. Und auch das Fortfahren unter Nachbarn und das generationsübergreifende Nachdenken über Waldbewirtschaftung hat viel Gutes bewirkt.

Gerade beim gemeinsamen Diskutieren über Bewirtschaftungsvarianten holte sich jeder immer wieder gute Anregungen und Ideen für den eigenen Wald.


Rupert Fartacek, Initiator der WWG Julbach, Aigen-Schlägl, Klaffer-Schwarzenberg

 

Sind die kameralistischen Waldhelfer in Oberösterreich ident mit jenen, die Sie bei Ihren WWG eingesetzt haben?
Die Waldhelfer der Landwirtschaftskammern sind eher auf die gemeinschaftliche Holzvermarktung ausgerichtet. Unseren Forstfacharbeitern aus der Bio-Schule Schlägl mit 500 Stunden Ausbildung konnten wir die Waldhelfer-Zusatzausbildung ermöglichen. Ihre Tätigkeit war eher auf Beratung und Waldbau hin ausgerichtet. Wir hatten in einer WWG also bis zu zehn Waldhelfer, nicht nur einen. Es gab oder gibt in Österreich sicherlich auch WWG, in denen die gemeinschaftliche Holzvermarktung ein wichtiges Standbein war. Bei uns ist es das nicht mehr.

Könnte aber nicht auch die Profitgenerierung in Zukunft wieder für Ihre WWG wichtiger werden, gerade dann, wenn die Blochpreise unter Druck geraten? Wie könnte etwa die regionale Wertschöpfung gesteigert werden?
Was wir uns schon überlegt haben ist, mit Unterstützung eines Sägewerkes ein Holzlager zu unterhalten, wo man spannende Laubhölzer für holzverarbeitende Betriebe vor Ort auf Lager legen kann. Eine weitere Idee wäre ein nachhaltiges Regio-Holzhaus, das in einem Umkreis von 50 km produziert wird. Uns schwebt hier vor, durch eine Parametrisierung des Holzhausbaus oder die modulartige Erweiterung eines bestehenden Hauses auf einer Open Source-Basis Planungskosten einzusparen. Somit kann auch die regionale Zimmerei ein Regio-Haus aus Holz kostengünstig anbieten. Etwas anderes, was auch aus unseren WWG heraus bereits entstanden ist, ist die Etablierung eines Forstservice-Unternehmens in unserer Region – dem Forstservice Böhmerwald. Dieses verfügt als einer von ganz wenigen Anbietern in Oberösterreich über eine Computerausstattung, die es erlaubt, den Baumstandort eines Massivholzproduktes genau nachzuvollziehen. Jeder Prozessschritt bis zur Blockbohle im Haus wird genau dokumentiert und dabei möglichst effizient gestaltet.

Kann eine WWG auch ohne Förderung eine zukunftsfähige Organisationsform sein – etwa im Hinblick auf die gemeinschaftliche Bewältigung neuerer Herausforderungen wie etwa Klimawandel oder Nutzungsdruck durch Freizeitsportler?
Ich erlebe es schon so, dass die WWG dauerhafte Strukturen geschaffen haben – etwa bei der Brennholzvermarktung in Zusammenarbeit mit der Gemeindezeitung. Das läuft schon seit Jahrzehnten recht erfolgreich. Des Weiteren können wir im Fall von kleinen Waldbesitzern, die mit der Bewirtschaftung überfordert sind,  Hilfeleistungen anbieten. Oder wenn ein Holzhausbauer an einem Ort, wo es weniger Tannen gibt, gerade diese Holzart für sein Projekt sucht, dann können wir für ihn sehr gern ein paar Hundert Meter in unserer WWG organisieren. Diese Aktivitäten laufen also auch lange nach dem Auslaufen der Förderung im Rahmen des letzten Rahmenprogramms Landwirtschaftliche Entwicklung 2007 bis 2013 immer noch recht gut. Das Modell WWG an sich wird aber ohne Förderung seine Bedeutung und Verbreitung schwer steigern können.

Konkret die Frage, die heute wohl vielen Waldbesitzern gerade auch im Mühlviertel unter den Nägeln brennt: Was soll ich auf meinem Kahlschlag nach der Fichte pflanzen? Wäre das nicht auch etwas, wo man sich in einer WWG gut mit Erfahrungswerten weiterhelfen könnte? 
Ganz sicherlich. Hier kann ich unsere Exkursionen gerade auf unsere Wuchsgebiete und Höhenlagen hin ausrichten, sodass die WWG-Mitgliedsbetriebe viel in ihrer eigenen Situation profitieren können.

Sie haben also den Beweis erbracht, dass WWG, die durch Förderungen entstanden sind, auch ohne diese weiter existieren können. Denn hier sind Strukturen geschaffen worden, mit denen sich Mitglieder waldbaulich, vermarktungstechnisch oder mit gemeinsam angeschafften Erntemaschinen gegenseitig aushelfen.
Nun, „Beweis“ ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen (lacht)! Aber ich bin schon zuversichtlich, dass wir als WWG auch wieder einmal Geld auftreiben werden. Ich würde sagen, man sollte das Dornröschen WWG-Idee wieder mal ein wenig wachküssen.

Wie geht es den Maschinenbetriebsgemeinschaften? Wie pfleglich werden die Geräte behandelt?
Das hängt meist sehr stark davon ab, bei wem die Maschinen eingestellt sind. Zumeist sind das Bauern mit viel technischem Verständnis, die ein genaues Auge auf den Zustand haben. Oft sind die Maschinengemeinschaften etwas geschrumpft, weil einzelne Mitglieder sich irgendwann ein eigenes Gerät zugelegt haben. Bei Krananhängern gibt es noch viele Gemeinschaften, bei Holzspaltern auch, bei den etwas empfindlicheren Seilwinden eher weniger.

Wie zuversichtlich sind Sie, dass Ihre WWG nach Ihrer Pensionierung gut weiterbetreut werden?
Doch, da bin ich zuversichtlich!

Vielen Dank für das Gespräch!