Rudolf Murauer, Murauer Forstpflanzen

Wenn Bäume erwachsen werden ...

Ein Artikel von Robert Spannlang | 21.03.2018 - 12:50
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Betriebsleiter Rudolf Murauer und seine Frau Barbara bieten als einzige Forstbaumschule in Österreich sowohl wurzelnackte Pflanzen als auch Topfpflanzen aus eigener Produktion an.

Der mineralreiche Boden der Gegend am Unterlauf des Inn bietet so mancher Baumschule eine ideale Lebensgrundlage für die Aufzucht ihrer Forstpflanzen. Platzhirsch und seit drei Generationen ansässig ist dort die Murauer Forstpflanzen GmbH in Ort im Innkreis. Im Forstzeitung-Interview nimmt Firmenchef Rudolf Murauer Stellung zu aktuellen Trends in seiner Branche hinsichtlich Baumarten und gesetzlicher Rahmenbedingungen, aber auch in Bezug auf die vom Kunden erwarteten Dienstleistungen – einst und jetzt. Auch den Anforderungen der Internationalisierung will sich der Innviertler keinesfalls entziehen – ganz im Gegenteil.

Werter Herr Murauer! Wie lange gibt es Ihr Unternehmen schon?

Mein Vater hat das Unternehmen Mitte der 1960er-Jahre gegründet – somit seit mehr als 50 Jahren. Aktuell ist die dritte Generation dabei, Aufgaben im Betrieb zu übernehmen.

Wie viele Standorte/Partnerschaften gibt es bei Murauer?

Unser Betrieb produziert an zwei Standorten, das ist in Ort/Innkreis (OÖ) mit den Schwerpunkten Laubgehölze und Topfpflanzen, und in Arndorf/Pöggstall (NÖ), dem ehemaligen Zentralforstgarten der ÖBf AG, mit dem Schwerpunkt Nadelgehölze. Traditionell pflegen wir gute Geschäftskontakte zu allen wesentlichen Forstbaumschulen in Österreich. In der Jungpflanzenanzucht kooperieren wir aber auch mit Züchtern in mehreren EU-Ländern.

Sturmereignisse haben sich in den vergangenen Jahren deutlich gehäuft. Der Klimawandel macht es in manchen Gebieten nötig, vom traditionellen Brotbaum „Fichte“ abzugehen und neue Baumarten einzubringen. Immer wieder hört man das Schlagwort „klimafitter Wald“. Wie wichtig ist die Rolle, die Forstgärten dabei heute übernehmen?

Mitentscheidend für den Erfolg im Forstgarten ist sicher, Trends frühzeitig zu erkennen. Änderungen zum Beispiel bei Förderungsrichtlinien, der Klimawandel, Schadereignisse, aber auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse erfordern eine ständige Anpassung des Sortiments. Dazu ist sicher ein laufender Austausch mit allen relevanten Interessengruppen der Forstwirtschaft notwendig.

Wie beurteilen Sie den Markt für Forstpflanzen in Österreich und europaweit? Gibt es genügend Anbieter?

Wenn man die Sturmereignisse ausblendet, kann man für Österreich mengenmäßig von einem stabilen Markt sprechen. Auch für die nächsten Jahre sehen wir keine großen Veränderungen. Die Zahl der Forstgärten hat sich in den vergangenen 20 Jahren doch erheblich reduziert. Vor allem lokale Anbieter und bäuerliche Produzenten verschwanden vom Markt, sei es wegen fehlender Nachfolge oder gesetzlicher Rahmenbedingungen. Und in einigen Bundesländern wurden die Landesforstgärten geschlossen bzw. an Private verkauft. Das hat es für einige Forstbaumschulen leichter gemacht, eine kritische Größe zu erreichen. Europaweit gibt es sehr unterschiedliche Entwicklungen. Größere Umbrüche gab es sicher in den traditionellen Hochburgen der Forstpflanzenproduktion in Schleswig-Holstein/DE und Holland. Die alten und über Jahrzehnte bewährten Strukturen – das heißt, kleiner Züchter produziert und liefert an den international agierenden Vermarkter – haben sich komplett aufgelöst. Heute kultivieren wenige große Forstbaumschulen jeweils große Mengen (ab rund 25 Millionen Stück jährlich) und sind in ganz Europa präsent. Frankreich wiederum schottet sich vom internationalen Markt ab, indem es forstliches Saatgut nicht oder nur sehr eingeschränkt an ausländische Produzenten verkauft. Der EU-Beitritt der Länder des ehemaligen Ostblocks hat ursprünglich Befürchtungen ausgelöst, deren Forstgärten würden ihren Kostenvorteil nutzen und in Westeuropa die Märkte überschwemmen, diese haben sich aber nicht bewahrheitet.

Gibt es Trends im Verkauf von Forstpflanzen? Was ist heute anders im Vergleich zu den 1980er- oder 90er-Jahren?

Aktuell ist die Aufforstung mit Fichte in tieferen Lagen aufgrund der Schadereignisse stark rückläufig. Auch der Ausfall der Esche macht uns zu schaffen. Verstärkt nachgefragt werden vor allem Stiel- und Traubeneiche, Weißtanne und Douglasie. Mitte der 1990er-Jahre setzte ein Siegeszug der Topfpflanze ein, ich schätze deren Marktanteil in Österreich heute auf rund 20 bis 25 %. Solange der Trend zu Laubholz anhält, wird der Topfpflanzenmarkt aber nicht mehr steigen. Die Ansprüche bei Logistik sind stark gestiegen. Mittlerweile ist es Standard, dass eine Forstbaumschule entsprechend dem Bedarf eines Kunden mehrere Teillieferungen tätigt, sodass dieser die Pflanzen mehr oder weniger direkt an die aufzuforstende Fläche geliefert bekommt, jeweils an dem Tag, an dem gesetzt werden soll. Unsere Lkw fahren beispielsweise in nur einer Saison 150.000 bis 200.000 km! Wesentliche gesetzliche Änderungen gab es Mitte der 1990er-Jahre, da viele Baumarten erst damals ins Forstgesetz aufgenommen wurden. Das „Forstliche Vermehrungsgutgesetz 2002“ (FVG) trat als Folge des EU-Beitritts in Kraft und sorgt für die Harmonisierung innerhalb der EU bzw. zwischen den Vorschriften der Mitgliedsstaaten, mit dem Ziel, EU-weit einheitliche Bedingungen zu schaffen.

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Auf über 50 ha Freiland- und 3 ha Topfproduktionsfläche wachsen bei Murauer Forstpflanzen jährlich sechs bis sieben Millionen verkaufsfertige Laub- und Nadelhölzer. © www.reschfoto.at

Auf über 50 ha Freiland- und 3 ha Topfproduktionsfläche wachsen bei Murauer Forstpflanzen jährlich sechs bis sieben Millionen verkaufsfertige Laub- und Nadelhölzer.Welche Dienste bietet Ihr Unternehmen den Forstbetrieben an?

Wir führen österreichweit Saatgutbeerntungen durch. Aus eigenem oder fremdem Saatgut bieten wir Lohnanzuchten bzw. Vertragsanbau an, also die Produktion von Pflanzen aus Saatgut. Für den Forstbetrieb ist das wie eine Versicherung, dass er seine Pflanzen zum gewünschten Datum auch wirklich bekommt. Wie bereits erwähnt, ist ein großer Bereich unseres Angebots die Logistik – inklusive der Anlieferung bis zur Aufforstungsfläche. In Sachen Aufforstung arbeiten wir mit spezialisierten Dienstleistern zusammen, da unser Betrieb selbst keine Dienstleistungen im Forstbereich durchführt. Was wir aber natürlich schon anbieten ist, eine eingehende Beratung zu allen Belangen der Aufforstung!

Wie schlagkräftig ist die Interessenvertretung in Ihrer Branche – hierzulande und international?

Der Verband Österreichischer Forstbaumschulen (VÖF) vertritt seit Jahrzehnten die Interessen seiner Mitgliedsbetriebe. Bis in die späten 1990er-Jahre war eine der Hauptaufgaben, Preisverhandlungen mit den wichtigsten Kundengruppen wie etwa Kammern und Waldverbänden zu führen. Außerdem hat der VÖF wesentliche Mitarbeit am FVG 2002 geleistet, zum Beispiel in der Begutachtung. Aktuell gab es einen Wechsel an der Spitze: Nach über 25 Jahren Obmanntätigkeit hat sich Dr. Klaus Natlacen in die Pension verabschiedet und wurde vom neuen Obmann, Hannes Gadermair, abgelöst. Dieser sieht als wesentliche Zukunftsprojekte die Verbesserung der Saatgutversorgung und das Lobbying bzw. die Kontaktpflege mit den relevanten Ministerien und Behörden. Unser Verband vertritt die österreichischen Forstbaumschulen natürlich auch in der EU – über eine Mitgliedschaft bei der European Forestry Nursery Association (EFNA).

Wie gut ist die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und dem Ministerium?

Wir sind als Unternehmen stark bemüht, immer am Laufenden zu bleiben. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien an zwei Projekten zum Thema Forstpflanzen und Aufforstung. Die Zusammenarbeit zum Beispiel mit dem Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) funktioniert aus unserer Sicht tadellos, offenbar mangelt es wie so oft jedoch an finanziellen Mitteln, um allen dringenden Anliegen der Branche die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Ein aktuelles Projekt, an dem Ministerium, BFW und alle relevanten Interessengruppen in der Forstwirtschaft arbeiten – „klimafittes Saat- und Pflanzgut“ – beschäftigt sich mit der Verbesserung der Saatgutversorgung aus österreichischen Beständen, um diese langfristig sicherzustellen. Da aus verschiedensten Gründen die Versorgung mit herkunftsgerechtem Saatgut in den vergangenen Jahren bei einigen Baumarten nicht gegeben war, setzen wir große Hoffnung in diese Initiative.

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Aufgrund des Klimawandels wird in Tieflagen vermehrt mit Laubholz aufgeforstet.
© www.reschfoto.at

Wie wichtig ist für Murauer Forstpflanzen der Auslandsmarkt?

Der Auslandsmarkt wird für uns immer wichtiger. Wir gehen davon aus, dass sich der Auslandsanteil unserer Lieferungen in den nächsten Jahren auf etwa 30 % erhöhen wird. Der wichtigste Markt wird sicherlich Deutschland sein, wobei sich unser Angebot im Ausland aus logistischen Gründen nur an andere Forstbaumschulen richtet und nicht direkt an den Endverbraucher bzw. Waldbesitzer.

Welche Baumarten sind derzeit besonders gefragt und welche werden in Zukunft wichtig sein?

Momentan produzieren wir über 70 verschiedene Baumarten. Aktuell besonders gefragt sind beim Nadelholz Douglasie und Weißtanne, beim Laubholz Eiche. Im weltweiten Vergleich ist die Artenvielfalt in Europa leider sehr gering. Um die damit einhergehenden Risiken zu verringern, wird es unvermeidbar sein, in den kommenden Jahren wieder verstärkt „neue“ Baumarten einzuführen. Meiner Einschätzung nach werden dabei vor allem Moorbirke, Baumhasel, Platane, Edelkastanie, Zedern-Arten und diverse Nuss-Arten verstärkt nachgefragt werden.

Herr Murauer, vielen Dank für das Gespräch!