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Südtirol

Kommt der Käfer?

Ein Artikel von Robert Kittel | 11.03.2019 - 13:05

Josef Schmiedhofer, Direktor der Agentur Landesdomäne Südtirol, rückt die Dinge ins rechte Licht: „In Südtirol liegen insgesamt etwa 1,2 bis 1,5 Millionen Kubikmeter. Das scheint im ersten Moment sehr viel, aber im Endeffekt sind es zwei Jahreshiebsätze.“ Hinter den nüchternen Worten des mit 160 ha größten Waldbesitzers – des Landes Südtirol – würden sich Tragödien verbergen, meint der Vizebürgermeister von Welsch­nofen, Jürgen Pardeller: „Wir haben in unserer Gemeinde einen großen Anteil an Kleinwald­besitzern, die ihre Parzellen im Neben­erwerb bewirtschaften. Manche Familien haben mit einem Schlag ihren gesamten Waldbesitz verloren.“ Was langfristig den Wegfall eines sicheren Einkommens bedeute: „Jetzt muss das natürlich schnell aufgearbeitet werden. Die Preise sind aber im Keller. Wir haben in unserer Gemeinde etwa 80 Betroffene, für die ist das eine Katastrophe.“ Pardeller denkt schon weiter: „Was kommt danach, wenn dann alles aufgeräumt ist? Bis dieser Wald den Familien wieder Erträge bringt, vergehen Generationen.” 

250 Jahre alte Bäume wurden geworfen
Der Forstdirektor der Landesdomäne, Werner Noggler, erläutert die Hintergründe: „Das Besondere an dem Latemar-Holz ist, dass es in Höhen ab 1500 m extrem langsam gewachsen ist. Die Jahresringe sind teils schmäler als einen Millimeter.” Bis so eine Bergfichte hiebsreif sei, dauere es eben – zwei Generationen oder hundert Jahre mindestens. Man sieht dem nüchternen Praktiker an, dass ihm das nicht egal ist: „Jahrzehnte der Pflege durch meine Vorgänger und mich, 250 Jahre alte Bestände: alles kaputt. Als Forstmensch könnte man heulen.“

Dabei sei die Aufarbeitung im hochalpinen Gelände alles andere als trivial. Was der ungeübte Journalist aus der Stadt sofort am eigenen Leib erfährt, als ihm schon beim Erklimmen eines kleinen Hügels die Luft ausgeht, während der Forstdirektor oben auf ihn warten muss: „Eine manuelle Aufarbeitung ist in solchen Lagen viel zu gefährlich. Man hat riesige Wurzelteller, das geht nur mit schweren Maschinen. Wir haben bei uns einen Harvester, einen Forwarder, zwei Radlader und drei Seilkrane im Einsatz.“

Bis dieser Wald den Familien wieder Erträge bringt, vergehen Generationen.


Jürgen Pardeller, Vbgm. Welschnofen

Im Wettlauf mit der Zeit
Was zurzeit niemand abschätzen könne, seien die langfristigen Folgen, meint ­Noggler: „Viele dieser Wälder haben Schutzfunktion. Aufforsten allein wird nicht genügen, die Flächen sind zu groß, der Zuwachs ist zu langsam. In gewissen Gebieten wird man daher um Verbauungen wahrscheinlich nicht herumkommen.“

Peter Prader, Präsident der Genossenschaft Südtiroler Säger, meint: „Wir waren ja nicht vorbereitet. Über Stürme hatte man aus Deutschland oder Österreich gehört, aber wir blieben bisher verschont.“ Der Wettlauf gegen die Zeit laufe längst: „Wir ­werden das meistern, qualifiziertes Forstpersonal ist bei uns vorhanden, aber nur für die Mengen, die im Jahreshieb anfallen. Es fehlt die Kapazität zum Aufarbeiten.“ Daneben treibt ihn noch eine weitere Sorge an: „Die Frage ist, wohin mit dem Holz? Bis Mai, Juni wird sich die Qualität noch halten lassen, aber dann? Die große Herausforderung wird das Anlegen von Nasslagern. Die nötigen Flächen und Wasserversorgungen müssen erst noch geschaffen werden.“

Michael Gilli von Pichler Holz ist mit 75.000 fm einer der größten Säger Südtirols und sieht sich in der Zwickmühle, denn Stammlieferanten, Nachbarn und Verwandte sind betroffen: „Es geht gar nicht anders. Wir haben uns entschlossen, die Ernte gemeinsam mit Binderholz vorzufinanzieren.“ Für 2019 sei ein fixer Abnahmepreis vereinbart worden: „Wir gehen damit ein sehr großes Risiko ein. Wir bezahlen die Waldbauern und Schlägerungsunter­nehmen direkt und zeitnah. Uns fehlt aber die Er­fahrung mit Nasslagern in diesem Umfang über zwei bis drei Jahre. Was ist, wenn ein trockener Sommer mit Wasserknappheit kommt? Ein Jahr, das geht, damit haben wir schon gute Erfahrungen gemacht.“ Eine Erhöhung der Einschnittmenge sei nämlich nur bedingt möglich: „Wir müssen das Holz ja auch absetzen. Und der Markt ist mit Sturmholz aus anderen Ländern voll. Unseren Einschnitt um 20 bis 30 % zu erhöhen, scheint mir realistisch.” Derzeit könne man noch ein sehr hochwertiges Marktsegment bedienen, weil es in Südtirol kein Käferholz gebe: „Aber was passiert in zwei, drei Jahren? Kommt der Käfer überhaupt bis in unsere Höhenlagen? Wir können zumindest hoffen, dass es langsamer vonstattengeht. Aber genau vorhersagen kann das wohl niemand. “