Falls das GSM-Netz auslässt, haben wir sogar die Möglichkeit, über Funkfrequenzen die Alarmierung abzusetzen. Bei diesem wichtigen Thema machen wir uns nicht von irgendwelchen anderen Dienstleistern abhängig, sondern bieten aufgrund unserer Erfahrung alles selbst aus einer Hand.
Peter Schuster, Finanzleiter des RK NÖ (Rotes Kreuz Niederösterreich) und kaufmännischer Geschäftsführer der RKNÖ Gesundheits GmbH, und Matthias Ifkovits, Projektmanager der RKNÖ Gesundheits GmbH, haben beide langjährige Erfahrung als aktive Notfallsanitäter. Die Waldtec bat sie zum Interview.
Wie häufig passieren Arbeitsunfälle in Österreich? In welchen Branchen?
Matthias Ifkovits (MI): Wir haben laut der AUVA-Statistiken im Schnitt der letzten Jahre 135.000 Arbeitsunfälle mit Hospitalisierung oder medizinischer Nachversorgung pro Jahr zu verzeichnen. Über 1600 davon passieren im Wald. Von diesen enden wiederum knapp 300 tödlich. Das Tragische daran ist, dass ein Drittel dieser Personen erst verspätet aufgefunden wurde, sodass eine medizinische Versorgung erst massiv verzögert oder gar nicht möglich war. Die Schwere der Unfälle im Verhältnis zu den übrigen Branchen ist ebenso höher. Andere unfallträchtige Branchen sind generell solche mit industrieller Produktion, wo mit schwerem Gerät hantiert wird.
Wie können Unfälle vermieden oder Unfallfolgen möglichst gering gehalten werden?
MI: Zur Unfallvermeidung sollten die für bestimmte Tätigkeiten spezifischen Sicherheitsvorschriften eingehalten werden. Hier ist einerseits der Arbeitgeber in der Pflicht, Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen und Rahmenbedingungen für ein sicheres Arbeiten zu gewährleisten, andererseits aber auch der/die Arbeitnehmer*in, diese Vorschriften auch einzuhalten und Schutzausrüstung anzulegen. Auch erfahrene Arbeitskräfte sollten sich da nicht in falscher Sicherheit wiegen, sondern offen sein für neue Sicherheitsangebote. Im Falle eines Unfalles ist natürlich die Reaktionszeit bis zur professionellen Hilfeleistung ausschlaggebend. Da ist wiederum eine reibungslose Alarmierung entscheidend.
Bei der WFC2024 konnte man forstliche Wettkämpfer*innen in State-of-the-Art-Schutzausrüstungen Topleistungen erbringen sehen. Kann da nicht auch die Vorbildwirkung eine wichtige Motivation zum Anlegen von persönlicher Schutzausrüstung sein?
MI: Definitiv! So eine Forstweltmeisterschaft ist ja nicht nur ein Technologietreiber beim Arbeitsgerät, sondern auch bei der Sicherheitsausrüstung. Das bewirkt, dass auch Forstarbeiter bei der Arbeit ganz selbstverständlich ihre Schutzausrüstung tragen.
Peter Schuster (PS): Solche Events sind Spitzensport. Das heißt, alle, die dort mitmachen, sind Profis. Und für Profis ist es wichtig, dass sie kontrollierte Bedingungen haben. Wenn ich die Kontrolle über die Bedingungen habe, dann ist das die wichtigste Voraussetzung für die Prävention. Das beginnt beim Material, bei der Kleidung und endet bei den Maschinen und Werkzeugen. Gefährlich wird es immer dann, wenn das „Hudeln“ beginnt, weil man noch den letzten Baum fällen und aufarbeiten möchte. Die meisten Unfälle passieren ja nicht in der ersten Stunde der Arbeitszeit, sondern in der letzten. Oder auch, wenn sich die Umgebungsbedingungen verändern und die Konzentration nachlässt.
Sind jüngere Forstarbeiter eher bereit, Arbeitsschutzbekleidung anzulegen als ältere?
MI: Aus unseren Gesprächen mit Forstfacharbeitern geht hervor, dass sich beides belegen lässt: Einerseits sind eventuell junge Kolleg*innen offener für Neues – auch, was Schutzbekleidung anbetrifft –, andererseits aber auch risikofreudiger als ältere, die aufgrund ihrer Erfahrung noch besser wissen, was alles passieren kann.
PS: Es hängt auch stark davon ab, inwieweit mich eine neue Lösung in meinem Tun beeinflusst. Das Ziel bei unserer Lösung ist ja, sie so niederschwellig in den Arbeitsalltag hineinzubringen wie möglich. Die Akzeptanz eines neuen Sicherheitsangebots hängt stark davon ab, ob ich meine gewohnte und bewährte Arbeitsroutine weiterhin leben kann. Die Bereitschaft zu neuen, innovativen Lösungen gibt es in jeder Altersgruppe. Es wird eher davon abhängen, wie oft ich tätig bin. Menschen, die hier Vollzeit tätig sind, zeigen tendenziell mehr Interesse. Menschen, die in der Forstarbeit im Nebenerwerb tätig sind, fragen sich hingegen eher: „Brauche ich das wirklich?“ Und gerade bei dieser Gruppe wäre es genauso wichtig, weil hier die Erfahrung und Routine bei der Waldarbeit wahrscheinlich nicht im selben Ausmaß vorhanden sind wie bei den Profis.
Sie argumentieren also damit, dass eine Armbanduhr am Handgelenk oder ein Pager am Gürtel minimalinvasiv sind und dadurch die Akzeptanz sehr hoch sein wird?
PS: Wir wollen hier kein 0815-Produkt anbieten, sondern eine maßgeschneiderte Sicherheitslösung. Wir erheben die Bedürfnisse des einzelnen Kunden sehr genau und versuchen, unsere Lösung so zu individualisieren, dass diese Bedürfnisse abgedeckt werden. Wir merken, selbst bei der Waldarbeit sind Tätigkeiten und die Anforderungen oft sehr unterschiedlich.
Es gibt schon einige Sicherheits-Apps am Markt. Was ist neu an Ihrem Angebot?
PS: Der größte Unterschied liegt in der Verfügbarkeit. Unser Gerät kann praktisch jedes Handynetz nutzen. Unser System kann aber darüber hinaus auch andere Wege nutzen, um einen Alarm erfolgreich abzusetzen. Üblicherweise brauchen Apps jedenfalls Internet, um zu funktionieren. Wir hingegen nutzen für die Alarmierung zwei oder drei Kanäle. Das bedeutet noch mehr technischer Aufwand, aber auch mehr Sicherheit. Wir bieten also eine abgesicherte Lösung, bei der wir selbst viel Erfahrung haben. Wir verwenden ein ähnliches System bei einem Dienst, den wir schon seit vielen Jahren anbieten: der Senioren Rufhilfe.
MI: Falls das GSM-Netz auslässt, haben wir sogar die Möglichkeit, über Funkfrequenzen die Alarmierung abzusetzen. Bei diesem wichtigen Thema machen wir uns nicht von irgendwelchen anderen Dienstleistern abhängig, sondern bieten aufgrund unserer Erfahrung alles selbst aus einer Hand.
Nicht immer ist das nächstliegende Rettungsservice ein RK-Stützpunkt. Arbeiten Sie auch mit anderen Rettungsorganisationen zusammen?
MI: Richtig. Also ist nicht nur der Alarmierungsweg diverser, sondern auch die Hilfeleistung selbst. Wir sind zwar eine Tochtergesellschaft des Roten Kreuzes, aber wir greifen je nach Örtlichkeit auf das gesamte Pouvoir der Einsatzkräfte zurück. Der, der am nächsten dran ist, kommt zur Hilfeleistung, Punkt. Das betrifft auch Feuerwehr, Polizei oder Spezialkräfte sowie die Berg- oder die Flugrettung.
PS: Unsere Bemühungen machen nur dann Sinn, wenn die Hilfe im Ernstfall auch wirklich rasch kommt, und da spielt es keine Rolle, wer sie bringt. Professionell ist sie in jedem Fall.
Wie robust sind die Komponenten, die Sie anbieten?
PS: Sie sind schlagfest, stoßfest, wasserfest. Bei Apps gibt es ja immer wieder den Nachteil, dass man zum einen physisch an das Telephon gelangen muss, aber auch, dass bei Updates des Betriebssystems die Apps immer wieder nachziehen müssen. Das kennen wir alles nicht. Wir können sicherstellen, dass das System in den Extremfällen, in denen ich es brauche, auch funktioniert.
Sie sprechen von einem „maßgeschneiderten Angebot“. Können Sie das für ein Forstunternehmen konkretisieren?
MI: Das beginnt mit einer Evaluierung einerseits des Arbeitsareals inklusive Netzabdeckung und Zugänglichkeit des Arbeitsortes, andererseits der Art der Tätigkeit der Forstarbeiter. Auch hinsichtlich Selbstalarmierung und Inaktivitätssensorik – Stichwort „Totmannschaltung“ – gibt es mehrere Einstellungsmöglichkeiten. Es ist sehr wichtig, alle diese Daten zu erheben und zu hinterlegen, damit bei Betätigung des Alarmknopfes alle Informationen zur Verfügung stehen – ganz egal, ob das Unfallopfer persönlich ansprechbar ist oder nicht. Es stellen sich die Fragen: Ist die handelnde Person stetig alleine unterwegs oder eher in einer Gruppe unterwegs. Oft sind Waldarbeiter in Zweiergruppen weit voneinander entfernt eingesetzt. Weiters: Gibt es Vorarbeiter oder Förster, die im Notfall zuerst verständigt werden sollen. Wir können im Worst Case über GPS-Ortung zielgerichtet an den Ort kommen, wo der Alarm ausgelöst wurde.
Was genau bedeutet „Totmannschaltung“?
MI: Nach einem vordefinierten Zeitraum der Inaktivität der Person macht sich das Gerät mit einem Voralarm bemerkbar, den die betreffende Person mit einem Tastendruck abbrechen kann, wenn sie wohlauf ist. Erst wenn dies nicht geschieht, wird die eigentliche Alarmierungskette in Gang gesetzt und letztlich ein direkter Kontakt mit unserem Notrufcenter aufgebaut. Dabei wird erfragt, ob die Person Hilfe benötigt. Dabei stehen bereits alle hinterlegten Informationen zur Verfügung.
Gilt Ihr Angebot nur für Niederösterreich in vollem Umfang?
PS: Technisch gesehen funktioniert unser System bereits jetzt bundesweit. Es gibt aber die Einschränkung, dass das Notrufcenter auch eine entsprechende Anbindung an die jeweilige Rettungsleitstelle benötigt. Nicht alle Leitstellen im Bundesgebiet verwenden dieselbe Software. Wir sind jetzt gerade im Kontakt mit allen Landesorganisationen, damit so wie in Niederösterreich und Wien das volle Angebot unserer Dienstleistung sehr rasch auch überall sonst möglich ist.
Wie groß ist die Nachfrage nach einem Angebot wie dem Ihren?
PS: Sehr groß, insbesondere von Arbeitgeberseite, wohl auch, weil gut ausgebildete Arbeitskräfte ja auch in der Forstwirtschaft knapp sind. Gerade aus dem forstlichen Bereich haben wir oft gehört, dass selbst im Falle eines Unfalls die Zeit der Rekonvaleszenz so kurz wie möglich sein soll. Ich erkläre mir das damit, dass in der Forstwirtschaft sehr viel Erfahrung und Wissen um die örtlichen Waldbestände nötig sind. Umgekehrt gibt das dem Arbeitnehmer eine Bestätigung, sodass sie sagen: „Das ist ein Arbeitgeber, für den ich arbeiten will, denn der kümmert sich um meine Sicherheit.“