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Sophie (7) und Tina beim Baumpflanzen © Dagmar Holley

Wald und Umwelt

Fast wie Urlaub!

Ein Artikel von Dagmar Holley | 11.09.2019 - 11:51

Die Bergwaldprojekte und Umweltbaustellen des Österreichischen Alpenvereins bieten Freiwilligen Gelegenheit, einen wertvollen Beitrag zur Erhaltung unserer Kulturlandschaft zu leisten. Das Besondere am Bergwaldprojekt in Obernberg in Tirol: Es richtet sich an die ganze Familie. Im oft überalterten Bergwald, der bis knapp über 1900 Meter hinaufreicht, arbeiten heuer eine Woche lang 13 Familien – 22 Kinder und 16 Erwachsene – gemeinsam unter Anleitung von Fachleuten. Das Programm umfasst das Setzen von Bäumen, Auslichten, Lärchenwiesenpflege sowie Maßnahmen gegen den Schneeschimmelbefall von Zirben. Durch die praktische Arbeit für den Naturschutz gewinnen die Teilnehmer auch Einblick in ökologische Zusammenhänge und verbringen Qualitätszeit mit ihren Nächsten.

LIEBE ZU NATUR, BERGEN UND BEWEGUNG

Die Motive, an der arbeitsreichen Ferienwoche teilzunehmen, sind unterschiedlich. Die Liebe zur Natur, zu den Bergen, zur Bewegung steht für viele im Mittelpunkt. Auch die Abwechslung zum Büroalltag und die Gemeinschaft bewerten viele positiv. Die Arbeiten sind oft körperlich anstrengend – wenn etwa Bäume in unwegsamem Gelände abgesägt und anschließend zum Wegrand geschleppt werden – trotzdem sieht man am Ende des Tages, was man miteinander geschafft hat – ein schönes Gefühl.

Die Kinder werden ins Geschehen miteingebunden, benutzen Werkzeuge und leisten ihren Beitrag – ohne Leistungsdruck, denn Arbeit im Bergwald soll in guter Erinnerung bleiben. Auch das typische Mittagessen – die Bergwaldsuppe, die auf der Arbeitsfläche über dem Feuer gekocht wird – beeindruckt die Kleinen. Die Volksschulpädagogin und ehrenamtliche Gruppenleiterin des Familienbergwaldprojekts, Magdalena Recheis, unterstreicht die Besonderheiten des Projekts: „Die Kinder verbringen bei uns eine Woche lang den ganzen Tag im Freien. Bei der Freiwilligenarbeit gemeinsam mit Erwachsenen und anderen Kindern entwickeln sie einen Bezug zur Natur, erfahren die Bergwelt ganzheitlich und stärken in den bunt gemischten Freiwilligenteams ihre sozialen Fähigkeiten.“

Die Bezirksforstinspektion Stainach begleitet die Auswahl der Flächen. Dr. Helmut Gassebner, Leiter der Behörde, lobt das Projekt: „Wir haben großen Respekt vor dem, was die Freiwilligen über die Jahre geleistet haben.“ Josef Saxer, Bürgermeister von Obernberg, sieht das ebenso: „Große Veränderungen beginnen im Kleinen. Zeit, die in den Erhalt von Natur und Landschaft investiert wird, ist sinnvoll investierte Zeit. Durch das pflegende Eingreifen entwickeln die Teilnehmer Verständnis für Zusammenhänge.“ Auf den Arbeitsflächen im Umfeld der Gemeinde werden in wechselnden Gruppen unterschiedliche Tätigkeiten durchgeführt. So werden einmal neue Bäume gepflanzt, ein anderes Mal ist es wichtig, Bäume zu entfernen. Mit viel Hintergrundinformationen erklärt das engagierte Betreuerteam die jeweiligen Aufgaben und die Benutzung der Werkzeuge.

„Man sieht am Ende des Tages, was man miteinander geschafft hat – ein schönes Gefühl!“


Dagmar Holley

NATÜRLICHE VORGÄNGE BESCHLEUNIGEN

Ein Großteil des hoch gelegenen Waldes hat Schutzwaldstatus. Dieser schützt die unterhalb gelegenen Gebiete vor Erosion, Muren und Lawinen. Da es in der Gegend kaum Probleme mit Wildverbiss gibt, wachsen die Bäume durch Naturverjüngung oft dicht nach. Um groß und stark zu werden, brauchen sie aber genug Licht, Platz und Wasser – ein Prozess, den die Natur selbst reguliert, allerdings sehr langsam. Mit Handsägen fällen die Teilnehmer die von den Förstern ausgezeichneten Stämme tapfer aus dem steilen, dichten Wald, um diesen Vorgang zu beschleunigen. Auf einem Steilhang, bei dem im Winter vor zwei Jahren viele Bäume massiv zu Schaden kamen, wurde ein Streifen mit einem Mischwald aus Lärchen und Fichten neu bepflanzt. Weiters wurden auf einer hoch gelegenen Fläche bei einem Zirbenbestand Pflanzenteile mit Schneeschimmel entfernt, an einem anderen Standort krautige Pflanzen rund um Jungbäume gesichelt.

ERHALTUNG DER KULTURLANDSCHAFT

Lärchenwiesen sind von Menschen vor Jahrhunderten geschaffene, artenreiche Kulturlandschaften. Zwischen den im Winter die Nadeln verlierenden Bäumen wächst Gras. Im halboffenen Wald weiden Kühe, im Gegensatz zu dichten Fichtenwäldern. In Tirol befindet sich der größte noch existierende Lärchenweiden- und -wiesengürtel, ein Teil der regionalen Identität. Für die meist im Nebenerwerb tätigen Bauern ist die Erhaltung nur schwer realisierbar. In Zusammenarbeit mit der Schutzgebietsbetreuung entnehmen die Bergwaldprojekt-Teilnehmer Fichten, die mit Lärchen in Konkurrenz stehen. Mit Zwicken und Handsägen können auch die Kinder gut umgehen. Auch beim Abtransport zum Wegrand unterstützen sie die Erwachsenen kräftig. „Die Erhaltung der Kulturlandschaft ist für die Region wichtig. Über die Jahre ist die Wirkung der Bergwaldprojekte deutlich sichtbar. Dass die Bauern Unterstützung erfahren, ist eine große Anerkennung, Wertschätzung und Motivation für sie“, weiß Schutzgebietsbetreuer Klaus Auffinger. 

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Fichten sind auf der traditionellen Lärchenweide unerwünschte Konkurrenzbäume - die Kinder helfen beim Abtransport. © Dagmar Holley

PRAKTISCHE ARBEIT UND BEWUSSTSEINSBILDUNG

Das Bergwaldprojekt verfolgt vier Ziele: konkrete Probleme im Bergwald durch praktische Arbeit beheben, die Öffentlichkeit durch Berichterstattung für die jeweilige Problematik sensibilisieren, zu den Partnern ein positives Verhältnis aufbauen und den Teilnehmern praktische Erfahrung sowie einen tieferen Einblick in die ökologischen Zusammenhänge ermöglichen. Trotz der Anstrengungen und Entbehrungen sind die Kinder begeistert, für sie ist das Bergwaldprojekt ein Abenteuer. Wenn sie fragen: „Dürfen wir nächstes Jahr wiederkommen?“, wissen Organisatoren und Eltern, dass sich die Arbeit doppelt gelohnt hat.