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In Deutschland werden Marktanpassungsfaktoren bei der Waldbewertung in Gutachterausschüssen festgelegt, in Österreich nicht. © G. Schlager

Waldbewertung

Marktanpassung in der Waldbewertung

Ein Artikel von Gerald Schlager | 06.02.2019 - 16:20

Die Fachliteratur zur klassischen Waldbewertung kennt die Begrifflichkeit der Marktanpassung nicht. Die bewertungsrechtlichen Vorgaben für den Waldbewerter sind jedoch klar. Gemäß Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992 ist das rechnerische Ergebnis einer Immobilienbewertung in Bezug auf die bestehenden Marktverhältnisse kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen. Ebenso benennt die ÖNORM B 1802 – Liegenschaftsbewertung die Notwendigkeit, das kalkulatorische Ergebnis der angewendeten Bewertungsmethode vor dem Hintergrund der Marktverhältnisse kritisch zu würdigen und allenfalls zu korrigieren. Auch der ZT-Bewertungskatalog enthält den Bewertungsgrundsatz, den errechneten Sachwert an den Waldverkehrswert anzupassen. DER MARKT MACHT DEN PREIS Gutachten vermitteln Werte. Der Immobilienmarkt entscheidet über den Kaufpreis. Im Lichte sensibler, immer noch hochvolatiler Finanzmärkte erfährt der forstliche Grundstücksverkehr oft eine Preisbildung, die von forstlichen Bewertungsgutachten abweicht. Die Analyse dieser Waldbewertungsgutachten zeigt dann, dass keine Marktanpassung vorgenommen wurde. Eine schrittweise Herleitung eines Schätzwertes, die gutachterliche Würdigung der gewählten Bewertungsvarianten und die abschließende Marktfähigkeitsanalyse der Berechnungsergebnisse (Plausibilisierung) sind auch aus Haftungsgründen geboten, um die „Haltbarkeit“ des Gutachtens zu gewährleisten.

WERTERMITTLUNGSVERFAHREN
Das gewählte Wertermittlungsverfahren hat Einfluss auf die vorzunehmende Marktanpassung. Es gilt zu berücksichtigen:
▶ Vergleichspreise sollten eigentlich das aktuelle Marktgeschehen abbilden und somit keiner weiteren Marktanpassung bedürfen. Die bewertungstechnischen Herausforderungen liegen hier im Detail. Insbesondere die „graue“ (steuerschonende) Vertragsgestaltung und zumeist nicht vergleichbare Rechte und Lasten gestalten die direkte Vergleichbarkeit auch strukturell ähnlicher forstlicher Liegenschaften schwierig.
▶ Sachwerte setzen sich aus einem aktuell dynamischen Bodenwert und einem eher statischen Bestandeswert zusammen. Da die Immobilienpreisdynamik sich vornehmlich im Bodenwert abbildet, sind werterhöhende und wertmindernde Einflüsse bewertungstechnisch zu berücksichtigen.
▶ Ertragswerte repräsentieren das aktuelle Marktgeschehen. Da in die Waldbewertung jedoch – wie ausgeführt – zusätzliche wertmitbestimmende, nicht ertragsrelevante Einflussfaktoren einfließen, ist das ertragsorientierte Berechnungsergebnis in Bezug auf den lokalen Immobilienmarkt (Lage …) zu hinterfragen.

MISCHVERFAHREN
Ein häufig von Gutachtern gewählte Marktanpassungszugang ist das Mittelwertverfahren (Mischverfahren). Hier wird aus Vergleichswert, Sachwert und Ertragswert ein (un)gewichteter Mittelwert gebildet, ohne diesen marktbezogen zu hinterfragen. Die Wissenschaft lehnt das Vermengen nicht vergleichbarer vergangenheitsbezogener, aktueller und zukunftsorientierter Wertermittlungsverfahren strikt ab, da sich dieser „Rechenansatz“ nicht schlüssig argumentieren lässt. Sach- und Ertragswert sind Zwischenergebnisse, aus denen Verkehrswerte abzuleiten sind. Eine folgende Gewichtung diese angepassten Werte würde eine nochmalige Anpassung, also eine Doppelbewertung bedingen. MARKTANPASSUNGSFAKTOREN In Deutschland werden lokale Marktanpassungsfaktoren (Differenz von errechneten Sachwerten und bereinigten Kaufpreisen) durch regionale Gutachterausschüsse festgelegt. Damit wird ein konventioneller, rechtlich abgesicherter Bewertungszugang vorgegeben. Für Österreich liegen keine derartigen Auswertungen der Kaufpreissammlungen vor. Vielmehr treffen zahlreiche Gutachter mit Verweis auf den Standardsatz: „Aufgrund meiner langjährigen Marktkenntnisse“, nicht nachvollziehbar dargestellte prozentuale Marktanpassungszu- und -abschläge. Eine inhaltliche Begründung fehlt zumeist.

REGELMÄSSIGE MARKTBEOBACHTUNG
Seit der Wirtschaftskrise 2008 haben sich auch die forstlichen Grundstückspreise deutlich nach oben entwickelt. Nachdem sich die erntekostenfreien Holzerlöse in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert haben, fand also die „Preissteigerung“ vornehmlich im Waldboden statt. Die zur Verkehrswertermittlung erforderliche Anpassung der Waldwertrechnung an die aktuelle Lage am Liegenschaftsmarkt verlangt eine regelmäßige Marktbeobachtung:
▶ zeitliche und regionale Auswertung von Vergleichspreisen
▶ Immobilieninserate, Immobilien-Internetplattformen
▶ Zwangsversteigerungsverfahren (Schätzgutachten, Bieteranalyse, Zuschlagsergebnisse)
▶ Bezirksbauernkammern (Grundverkehrskommissionen)
▶ Tätigkeit als Immobilienmakler oder Auskünfte durch Immobilienmakler
▶ Evaluation bereits durchgeführter Bewertungen (Gutachten)
▶ Analyse der Urkundensammlung des Grundbuchs

HIERZULANDE TREFFEN GUTACHTER OFT NICHT NACHVOLLZIEHBAR DARGESTELLTE PROZENTUALE MARKTANPASSUNGSZU- UND ABSCHLÄGE.


Dr. Gerald Schlager, Gutachter und Sachverständiger

NACHVOLLZIEHBARE HERLEITUNG
Grundsätzlich hat der Gutachter die Kriterien seiner Marktanpassung nachvollziehbar und schlüssig offenzulegen. Es gilt, anlassbezogen die preismitbestimmenden Marktfaktoren zu erheFOTO ben, zu gewichten und zu einem individuellen Korrekturfaktor zusammenzuführen. Eine unbegründete Anwendung eines Pauschalsatzes unter Bezugnahme auf nicht näher dargestellte Erfahrungssätze bleibt unnachvollziehbar und ist nicht fachgerecht.

KRITERIEN FÜR DIE GEBOTENE MARKTANPASSUNG
Die marktrelevanten Parameter sind demnach objektspezifische und lagebedingte Liegenschaftseigenschaften. Damit ist der direkte Vergleich der gutachterlich errechneten Sachwerte bzw. Ertragswerte mit den für vergleichbare Liegenschaften am Markt erzielten Verkaufserlösen (Vergleichspreisen) unerlässlich. Der Sachverständige ist angehalten, diesen Marktanpassungsfaktor begründet zu entwickeln, wobei insbesondere die Marktgängigkeit des Objektes, die Höhe des Sachwertes sowie der Bodenwertanteil am Sachwert der Liegenschaft zu berücksichtigen sind.

Werterhöhend wirken:
▶ Lagequalität
▶ regionale Wirtschaftskraft
▶ forstliche „Liebhaber-Liegenschaften“, Nachfrage
▶ häufige Grundstückstransaktionen
▶ hohe regionale Bodenwerte (Dynamik der Marktentwicklung)
▶ Eigenjagdgröße (Wildbestand)
▶ gute Bestandesbonität, geringes Betriebsrisiko
▶ Arrondierung und Infrastruktur (Gebäude, Forststraßen) 
▶ Nebenbetriebe, Nebennutzungen
▶ LE 2020 Förderungsmöglichkeiten
▶ vorhandene Forsteinrichtung (Wirtschaftsplan)
▶ innerbetriebliche Refinanzierungsmöglichkeiten des Kaufpreises durch Abbau von Altholzüberhängen ▶ grundbücherliche Rechte

Wertmindernd wirken:
▶ strukturschwache Region
▶ geringer (bis fehlender) Grundstücksverkehr
▶ Größendegression (mit steigender Waldbetriebsgröße)
▶ hohes Betriebsrisiko (Forstschutz, Wildschäden u.a.)
▶ Schutzwaldanteil (in und außer Ertrag)
▶ Bewirtschaftungsbeschränkungen (Naturschutz, Wasserrecht u.a.)
▶ grundbücherliche Lasten (Dienstbarkeiten)
▶ außerbücherliche Vereinbarungen

ZUSAMMENFASSUNG
Die marktrelevante Faktoren der Marktanpassung sind objektspezifische und lagebedingte Grundstückseigenschaften, die sich aus dem tatsächlichen Liegenschaftsverkehr ergeben. Maßgeblich ist daher die direkte Nachkontrolle der gutachterlichen Waldwertrechnung mit den für vergleichbare Liegenschaften am Markt erzielten Verkaufserlösen.