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Wildstandsregulierung ist ein wesentlicher Aspekt für einen gut verjüngen, artenreichen Wald. © R. Spannlang/Forstzeitung

Forstbetrieb Göschl

Kollateralnutzen

Ein Artikel von Robert Spannlang | 11.09.2024 - 14:41

Wechselt man auf der Erhebung mit dem etwas makaber anmutenden Namen „Leichenberg“, die markant am Südrand des Admonter Ortsteils Hall aufragt, von einem der benachbarten Waldbestände in die von Rainer und Wolfgang Göschl hinein, so ist der Unterschied durch Lichtstellung und Stammzahlreduktion kaum zu übersehen: Hier hochbestockte, strukturarme Fichtendominanz, dort ein auffallend lichtdurchfluteter, aufgelockerter Dauerwald mit Buche, Tanne sowie Fichte und viel artenreiche Naturverjüngung, schöne Kronenlängen und gute H/D-Verhältnisse.

Viel Präsenz auf der Fläche
Seit bald 25 Jahren ist der humorvolle und überaus rüstig wirkende Rainer Göschl nach einer Karriere als wirtschaftlicher Leiter in einem technischen Produktionsbetrieb nun schon in Pension. Seit dieser Zeit bewirtschaftet er mit seinem Sohn Wolfgang, Bruck-Absolvent und Angestellter in der örtlichen Wildbach- und Lawinenverbauung, etwa 150 ha eigene Waldflächen an mehreren Standorten. Hier am Leichenberg liegt die mit 30 ha eine der größten Flächen. Forstliches Know-how versammelte das Vater-Sohn-Duo durch die Försterausbildung des Sohnes, durch dessen schon in früher Jugend einsetzende Zusammenarbeit mit seinem Großvater mütterlicherseits, der ebenfalls Förster war, und durch mannigfache FAST-Kurse und Fachseminare, die Rainer Göschl absolvierte.
Der beste Lerneffekt ergebe sich aber aus dem Beobachten natürlicher Vorgänge im Wald selbst, sind beide überzeugt. Und das wiederum erfordere viel Präsenz auf der Fläche, die vor allem der Vater leisten könne. Auf seinen Streifzügen durch den Wald habe er Wipfelknospen-Verbissschutzkappen („Klipserl“) eine Baumschere und eine handliche elektrische Kettensäge immer dabei, um frühzeitig Zwiesel zu beseitigen und Stammzahlen zu reduzieren. Dabei erhalten im Schnitt 250 Tannen am Hektar ein „Klipserl“. Er führe über seine Arbeitsstunden genau Buch. In drei Stunden arbeite er sich so durch einen Hektar. „Die Wertschöpfung bei einem reich naturverjüngten Hektar beträgt gegenüber meinem Arbeitseinsatz etwa das Zehnfache. Da lassen viele Bauern in ihren Wäldern viel Geld liegen“, rechnet der Steirer vor.
Die Folgen seines umsichtigen Handelns sind schon nach wenigen Jahrzehnten sichtbar: Der Tannenanteil von etwa 50% in den Altersklassen I und II ist schon jetzt signifikant höher als in vergleichbaren Beständen der Umgebung. Durch frühzeitig einsetzende und häufige Pflegeeingriffe haben auch die in der Erst- und Zweitdurchforstung entnommenen Bäume bereits so viel Zuwachs vorzuweisen, dass sie gewinnbringend verkauft werden können. Was den Göschls hier zu Hilfe kommt, ist eine hohe Bonität der Waldböden auf silikatischem, aber gut basenversorgtem Schiefer – bei Fichte etwa 11 bis 12 – und ausreichend Jahresniederschlag von bis zu 1600 mm auf Seehöhen zwischen 650 m und 1000 m. „Grob gesagt haben wir einen BHD von 20 cm im Alter 20, von 40 cm im Alter 40 und von 60 cm im Alter 60“, unterstreicht Göschl Senior.

Natürlich verkürzter Umtrieb
„Wann immer wir eine Nutzung haben – zumeist geplant, selten auch zufällig – ergibt sich bei unserer durch den relativen Lichtstand üppigen Naturverjüngung gegenüber einer Forstkultur auf Rohboden ein Zeitvorsprung von zehn bis fünfzehn Jahren. Man könnte es auch als verkürzte Umtriebszeit bezeichnen“, so Wolfgang Göschl. Dabei habe er bei Weitem nicht die Aufwendungen, die bei einer Forstkultur nötig seien – ganz abgesehen von Zäunungen zum Schutz gegenüber Rehwild. „Mein Vater ist immer auf der Fläche unterwegs. Er schafft durch seine umsichtige Pflegetätigkeit erst die Basis für meine Holznutzungen. Als ich 25 Jahre alt war, sagte ich: ,Ich jage den Wald.‘ Inzwischen muss ich sagen: ,Der Wald jagt mich‘. Denn die durch die behutsame Lichtstellung entfesselte Produktionskraft des Waldes lässt uns stets hinterherlaufen.“

Dauerwald im Klimawandel
Der Dauerwald sei – jedenfalls auf den Gunstlagen der Göschls – das sicherste Bewirtschaftungsmodell, geben beide Bewirtschafter zu verstehen. Er biete die größte Flexibilität bei Baumartenwahl und Zeitpunkt der Nutzung, habe klare Vorteile beim Wasserhaushalt und erweise sich als sehr resilient. Denn Lichtstand bringe nicht nur mehr Licht, sondern auch mehr Niederschlag auf den Boden. Aber: „Auch unser Wald steht unter großem Anpassungsdruck des Klimawandels. Vor 20 Jahren noch konnte ich Flächen von etwa 5 ha, die viele Jahre lang nicht durchforstet worden waren, auf einmal lichtstellen. Das Ökosystem war damals noch viel fehlerverzeihender. Das ist heute nicht mehr drin“, so der Förster. Heute würde der Wald schneller instabil werden, Käferlöcher entstünden rasch. Deshalb müsse noch umsichtiger bewirtschaftet werden. Das bedeutet, einen behutsamen Eingriff am Standort alle sechs bis acht Jahre.  

Künftige Baumarten am Standort: Kein Mysterium
„Wir werden auch in den kommenden 50 Jahren mit den Baumarten auskommen müssen, die wir hier jetzt schon haben“, betont Wolfgang Göschl, als ich ihn auf die zu erwartende zukünftige Baumartenzusammensetzung anspreche. „Ich stelle mir vor: etwa 50% Tanne, 30% Fichte, 20% Buche sowie andere Laubhölzer, aber auch Lärche, Eberesche und Birke. Aber auch jede Lärche und jede Eiche ist mir hier herzlich willkommen, aber das wird es hier bei der Verjüngungsdynamik nicht spielen“, lacht der Junior und fügt hinzu. „Höher oben sieht das freilich wieder etwas anders aus.“
An einem Standort gelangte wohl doch etwas zu viel Licht auf den Boden, berichten die beiden. „Bald bildete sich ein echter Brombeeren-Filz. Die Fichte hatte keine Chance mehr, durchzustechen, selbst die Tanne tat sich schwer“, erzählt Rainer Göschl. Als er aber nach einigen Jahren wieder vorbeikam, standen dort lauter junger Bergahorne. „Die sind durch den dicken Filz einfach durchgezischt“, lacht Wolfgang. „Die Natur findet meist einen Weg – wenn man sie lässt!“

Totholzhege nach Kalamitäten
Vor 3 Jahren habe ein Sturm etwa 2,5 ha geworfen. „Nach der Sturmholzaufarbeitung kommt die ,Totholzhege‘ – von Bäumen mit gebrochenen Schäften. Die meisten davon belasse ich im Bestand – der Specht und viele andere Totholzbewohner danken es mir“, führt Wolfgang Göschl aus. Wie? Nun, der Specht führte ihn auf die Fährte von Borkenkäfern. „Er hat mir schon so viele Käferlöcher angezeigt, wenn sein ,Tok-tok‘ im Sommer zu hören ist. Das Gleiche tun übrigens auch die Meisen, wenn sie sich unter regem Gezwitscher in einem bestimmten Teil des Waldes versammeln.“ Da man wisse, dass Buchdrucker etwa 1 dm2 heiles Kambium für eine Brut benötige, könne dies durch oberflächliches Einritzen der Totholzrinde mit der Motorsäge in geeignetem Abstand leicht und rasch verhindert werden, rät er.
Es sei auch wichtig, stehendes, starkes Totholz unterschiedlicher Baumarten im Bestand zu haben. „Zwei Drittel aller Organismen des Waldes benötigen das Totholz als Lebensraum in der einen oder anderen Form“, bestätigt der gelernte Förster.

„Bäume dem Prozessor ins Maul legen“
In einem anderen Bestandesteil machen wir abermals Halt. „Hier sind schon drei Nutzungen erfolgt, wie man am Alter der Stöcke ablesen kann. Die Kronenlängen des verbleibenden Bestandes passen hier gerade noch – ein Drittel Baumlänge bei Fichte, eine halbe Baumlänge bei der Tanne. Wären sie kürzer, wäre der Bestand nicht wirklich stabil. Massen- und Höhenakkumulation bedeutet Risiko“, hält Wolfgang Göschl fest. Gefragt nach dem Bringungsverfahren, meint er: „Das Sortimentsverfahren geht sich finanziell einfach nicht aus. Es sei denn, wir müssen wegen der Steilheit des Geländes mit dem Seilkran arbeiten, arbeite ich am liebsten mit einem Prozessor, dem ich die Bäume mit dem Wipfel voran an die Forststraße schlägere. Der Wipfel und die meisten Grünäste bleiben dann zur Bodenverbesserung im Bestand, der Baum selbst wird nach dem Asten vorsichtig ausgefädelt. Das ist günstig und schonend zugleich“, sagt der Steirer. Sein 19-jähriger Sohn arbeite schon fleißig im Wald mit – für den Vater ein Grund mehr, einmal einen schönen, stabilen Wald übergeben zu wollen.