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Abb. 1. Drohnenaufnahme der Teilversuchsflächen R1 und R2 im BFW-Versuchsgarten (Tulln, NÖ) © T. Thalmayr

Eschentriebsterben

"Esche in Not": Es geht weiter!

Ein Artikel von Gregor M. Unger, Dr. Heino Konrad, Univ.-Prof. DDr. Thomas Geburek, Institut für Waldgenetik, BFW, Wien; Dr. Katharina Schwanda, Institut für Waldschutz, BFW, Wien; Univ.-Prof. Dr. Thomas Kirisits, Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz (IFFF), BOKU, Wien | 05.06.2020 - 10:18

Seit über 20 Jahren befindet sich das Eschen-Stengelbecherchen (Hymenoscyphus fraxineus) in Europa auf dem Vormarsch. Aus Ostasien eingeschleppt, hat sich der pilzliche Krankheitserreger, von Polen (1992) und Litauen (1996) ausgehend, nahezu über das gesamte Verbreitungsareal der Gemeinen Esche ausgebreitet und stellt ein schwerwiegendes ökologisches und ökonomisches Problem dar. Im Jahr 2005 wurde die Krankheit zum ersten Mal in Österreich beobachtet und kommt mittlerweile flächendeckend im gesamten Bundesgebiet vor. Geschädigte Bestände werden großflächig gefällt und Bestandesumwandlungen oder -überführungen sind bei hiebsunreifen Beständen oft notwendig. Auch im kommunalen Bereich werden Eschen wegen des unkalkulierbaren Sicherheitsrisikos gefällt. Neben den ökonomischen Auswirkungen sind die ökologischen im Wald noch gar nicht genau abschätzbar.

RESISTENZ WIRD VERERBT
Immer wieder sind Individuen in stark befallenen Beständen zu finden, die gegenüber der Krankheit tolerant erscheinen. Es ist bereits nachgewiesen worden, dass diese Bäume eine erhöhte, genetisch bedingte Resistenz aufweisen und diese Eigenschaft auch an ihre Nachkommen vererben. Über natürliche Selektion könnte sich daher ein Gleichgewicht von Pathogenität und Resistenz einstellen. Derartige Anpassungsvorgänge dauern aber leider viele Baumgenerationen, sodass sich auf natürliche Weise ein Gleichgewicht wahrscheinlich erst in einigen Hunderten bis Tausenden von Jahren einstellt. Die Auslese resistenter Bäume ist eine sehr erfolgversprechende Möglichkeit für Forstwirtschaft und Naturschutz, diesen natürlichen Prozess abzukürzen, um resistente Eschenpopulationen für zukünftige Aufforstungen und Renaturierungsprojekte zusammenzustellen.

Mit „Esche in Not“ wurde 2015 ein Züchtungsprogramm für die Baumart Esche gestartet. Voraussetzung dafür war eine ausführliche Erfassung der genetischen Vielfalt der Esche und ihrer Resistenz in ganz Österreich. Um die genetische Vielfalt der Esche in Österreich zu erhalten und eine Zuchtbasis von resistenten Klonen aufzubauen, wurde angestrebt, mehrere Hundert „resistente“ Mutterbäume in ganz Österreich aufzuspüren, zu erfassen, auf die Resistenz ihrer Nachkommenschaften unter einheitlichen Bedingungen zu überprüfen – und mittelfristig – in Samenplantagen zusammenzubringen. Durchgeführt wurde das Projekt am BFW (Institut für Waldgenetik) in Kooperation mit der Universität für Bodenkultur Wien (IFFF – Institut für Forstentomologie, Forstpathologie und Forstschutz).

In den Jahren 2015 und 2017 wurden insgesamt 874 gemeldete Waldbestände mit scheinbar toleranten Einzelbäumen von Mitarbeitern des Instituts für Waldgenetik des BFW aufgesucht und nach strengen Kriterien begutachtet. Über 35.000 Eschenjungpflanzen wurden im BFW-Versuchsgarten (Tulln, NÖ) von 697 besonders vitalen und weitgehend befallsfreien Mutterbäumen angezogen und auf vier Teilflächen (Resistenztest 1 bis 4) ausgepflanzt (Abb. 1). Bei Vollreife überliegt das Eschen-Saatgut und eine Keimung setzt erst im zweiten Frühjahr nach der Ernte ein. Aus diesem Grund war es notwendig, für jedes Erntejahr zwei Teilversuchsflächen anzulegen, um jeweils gleichaltrige Pflanzen vergleichen zu können. Um mögliche Unterschiede im Infektionsdruck, Boden und Wasserversorgung auf der Fläche statistisch auszugleichen, wurden alle vorhandenen Pflanzen einer Teilfläche gleichmäßig auf drei Blöcke aufgeteilt und danach im jeweiligen Block zufällig angeordnet – eine gewaltige logistische Herausforderung. Nach einem Wuchsjahr auf der Fläche startet die Bonitur des Befalls durch den Eschentriebsterben-Erreger. Die Triebsterbensintensität wird mittels eines mehrstufigen Schemas (von 0 % „kein Triebsterben“ bis 100 % „Pflanze abgestorben“) jährlich an jeder Pflanze erfasst. Weiters werden das Austriebsverhalten und die Wuchshöhe in jedem Jahr festgehalten – beides wichtige Merkmale für die Befallstoleranz.

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Abb. 2. Relativer Anteil an aktiven Nachkommen in den einzelnen Schadklassen der Triebsterbensintensität für die Resistenztests 1 und 2 (Ernte 2015, Bonitur 2019 von 21.927 Pflanzen) © T. Thalmayr

HÄLFTE ALLER VERSUCHSPFLANZEN FREI VON SCHÄDIGUNG
Nach Abschluss der Bonituren im Herbst 2019 konnte ein beeindruckendes Ergebnis erzielt werden: Mehr als die Hälfte aller erfolgreich angewachsenen Versuchspflanzen war frei von einer Schädigung durch das Eschentriebsterben (Abb. 2). Es konnte gezeigt werden, dass sich die Resistenz gegenüber dem Triebsterbenserreger in hohe Maß von den Mutterbäumen auf die Nachkommen vererbt hat. Dieses Ergebnis war eine wichtige Bestätigung der bisherigen Arbeiten und ist ein Ansporn, die Bemühungen weiterzuführen.

Seit Oktober 2019 läuft bereits das Folgeprojekt „Esche in Not – Phase II“ mit dem bewährten Projektteam. In Phase II steht die Selektion der allerbesten Nachkommen im Vordergrund. Da damit zu rechnen ist, dass über die Jahre doch noch ein höherer Anteil der Jungpflanzen durch das Triebsterben befallen wird, ist geplant, die begonnene Bonitur der Triebsterbensintensität in den Resistenztests 1 bis 4 zunächst fortzusetzen. Weiters sollen bei der Auswahl auch die neuesten molekularen Verfahren eingesetzt (Untersuchung von Resistenzgenen) sowie Infektionsversuche mit dem Erreger des Eschentriebsterbens (durchgeführt vom IFFF der BOKU Wien) und Erregern von Wurzelfäulen durchgeführt werden. Wurzelfäulen sind Folgeschädlinge vom Eschen-Stengelbecherchen und für das gefürchtete Umfallen von Alt- und Jungbäumen verantwortlich. Letztere Untersuchungen werden vom Institut für Waldschutz des BFW durchgeführt. Jene Jungpflanzen, die allen Überprüfungen standhalten, sollen sodann vegetativ vermehrt und später für die Anlage von Samenplantagen genutzt werden.

2024 SOLLEN PFLANZEN VERFÜGBAR SEIN
Als Ergebnis von „Esche in Not – Phase II“ sollen Ende 2024 auch Pflanzen an die Praxis abgegeben werden. Ziel ist die Erstellung von vegetativ vermehrten Klongemischen, die eine erhöhte Krankheitsresistenz sowie eine möglichst hohe genetische Vielfalt aufweisen.

Die Projekte wurden von der Landwirtschaftskammer Österreich, dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, den Landesforstdirektionen aller Bundesländer, dem Forst- und Landwirtschaftsbetrieb der Stadt Wien, dem Österreichischen Forstverein sowie den Naturschutzabteilungen der Länder Salzburg und Oberösterreich finanziell unterstützt.

Für die zahlreichen Meldungen von nicht oder nur gering erkrankten Eschen in stark geschädigten Beständen sowie das laufende Interesse an den Arbeiten wird allen Waldbesitzern, Forstleuten, Naturschützern und allen am Wald interessierten Gruppen und Personen gedankt.

Um die Bemühungen zur Erhaltung der Baumart zu unterstützen, appelliert das Projektteam, außergewöhnlich gering geschädigte Eschen in stark erkrankten Beständen zu erhalten und zu fördern.