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Die Mikropflanzen wachsen in der Petrischale heran. © SweeTree

SPRUCE-SEA

Forstpflanzen aus dem Labor

Ein Artikel von Viktoria Valenta (BFW), Dr. Silvio Schüler (BFW), Christoph Hartleitner (Lieco), Christofer Rhén (Swetree) | 30.09.2021 - 10:21
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Unter regulierten Bedingungen wird im Labor an den SE-Pflanzen gearbeitet. © SweeTree

Durch den bereits spürbaren Klimawandel wird die Forstwirtschaft mit der Fichte, der bis heute wichtigsten Baumart Mitteleuropas, in die höheren Lagen der Mittel- und Hochgebirge zurückgedrängt. Obwohl der Rohstoff derzeit noch ausreichend verfügbar ist, wird seine Verfügbarkeit nach der Mitte des 21. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich deutlich zurückgehen, wenn nicht entsprechende Züchtungsmaßnahmen gesetzt werden.
Während andere Kontinente und Länder in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich in die Züchtung der jeweiligen Wirtschaftsbaumarten investiert haben, sind diese in Mitteleuropa ausgeblieben. Erst seit circa zwölf Jahren werden in Österreich Forschungsprojekte zu Verbesserung der Fichte im Hinblick auf Wuchsleistung und Klimaresistenz durchgeführt.
Diese Aktivitäten müssen fortgesetzt und die bisherigen Ergebnisse schnellstmöglich in die Praxis überführt werden, um einerseits die Wuchsleistung in den verbleibenden Regionen zu erhöhen und andererseits mit klimatisch angepassten Genotypen das Anbaugebiet auch im Klimawandel so groß wie möglich zu erhalten.

Schnellere Anpassung an den Klimawandel
Angesichts des raschen Klimawandels dauert die traditionelle Züchtung von Forstpflanzen jedoch zu lange. Um sich an die schnell wandelnden Bedingungen anzupassen, große Schadflächen zu vermeiden und den klimafitten Waldumbau voranzutreiben, ist die Versorgung mit geeigneten Baumsamen entscheidend. Das neue Pilotprojekt SpruceSEA soll dabei helfen, der Forstpraxis schneller an den Klimawandel angepasste Forstpflanzen zur Verfügung zu stellen, als das bisher durch traditionelle Züchtung möglich war. SpruceSEA steht für Spruce Somatic Embryogenesis Application Austria. Das Projekt konzentriert sich auf eine Vermehrungstechnik, bei der der Keim aus dem Samen im Labor vermehrt wird, um da­raus eine große Anzahl an wertvollen Jungpflanzen zu gewinnen.
Die Vermehrung von Pflanzen mittels somatischer Embryogenese (SE) wurde bereits 1957 entwickelt  und ist seitdem aus der Züchtung und Vermehrung von Zier- und Nutzpflanzen nicht wegzudenken. Auch für viele Baumarten ist die Methode bereits seit Langem erprobt, hat bisher aber nicht den Weg in eine breitere Anwendung gefunden.

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Die wachsenden Keime, die es zu vermehren gilt. © SweeTree

Ein neuer Weg zur klimafitten Lösung

Die Kooperation des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) mit dem österreichischen Forstpflanzenproduzenten Lieco und dem schwedischen Biotech Unternehmen Swetree Technologies deckt die wichtigsten Schritte auf dem Weg zum klimafitten Wald ab:

  • Auswahl
  • Vermehrung
  • Aufzucht
  • Überprüfung

Bei der Auswahl geeigneter Herkünfte und Klone hat das BFW auf Ergebnisse bereits bestehender Versuche aus den 1970er- und 1980er-Jahren zurückgegriffen und daraus Saatgut zur Vermehrung gewonnen. Dieses stammt von besonders wüchsigen und trockenresistenten Genotypen, die bereits in vorangegangenen Projekten gut untersucht wurden. 
Für die Vermehrung der SE-Fichtensetzlinge im kommerziellen Maßstab hat Swetree Technologies gerade eine automatisierte Pilotanlage fertiggestellt, die nun ein Jahr lang getestet wird. Hier wird aus vorausgewähltem, wertvollem Saatgut hochautomatisiert und kosteneffizient eine große Anzahl an Pflanzen erzeugt. Wenn die Pilotanlage die Anforderungen erfüllt, kann die Anlage erweitert und damit zwischen 2 und 20 Mio. Setzlinge pro Jahr produziert werden, die an Kunden wie Lieco geliefert werden können.
Dort werden die vitalen und wuchskräftigen Pflanzen in die Forstcontainer der Firma Lieco überführt und können sich so unter standardisierten Bedingungen zu gesunden Pflanzen entwickeln. Parallel zu den SE-Pflanzen werden aus demselben Saatgut normale Sämlinge gezogen, um Vergleichswerte für das neue Verfahren zu erhalten. Beide Gruppen von Pflanzen werden dann in der Baumschule auf weitere Eigenschaften wie Wuchsleistung und Trockenstressresistenz hin geprüft.

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Vitale und wuchskräftige Pflanzen für die Aufzucht im Forstcontainer © SweeTree

Langfristige Tauglichkeit testen
Natürlich sollen die Pflanzen über das Baumschulalter hinaus untersucht werden, um die langfristige Tauglichkeit des neuen Verfahrens zu gewährleisten. Dafür werden, über Österreich verteilt, Versuchsflächen angelegt, auf denen dann auch ein passendes Waldbausystem für die Praxis entwickelt werden soll.

Gefährdete genetische Ressourcen sollen rascher zurück in den Wald
Durch das SE-Verfahren können Züchtungsfortschritte – zum Beispiel höhere Trockenresistenz und bessere Wuchsleistung – schneller in die Praxis überführt werden. Bei traditionellen Samenplantagen dauert es 10 bis 15 Jahre, bis durch eine Züchtungsrunde verbessertes Saat- und Pflanzgut in den Handel kommen kann, allerdings existieren für die Fichte in Österreich überhaupt nur zwei Plantagen. Mit dem neuen Verfahren können diese Zeiträume deutlich verkürzt werden. Daher ist zu erwarten, dass es in Zukunft auch für andere Baumarten verstärkt eingesetzt wird.
Aber es geht nicht nur darum, schneller Saatgut zu erhalten. Das wertvolle, klimafitte Saatgut kann ebenso zur Verkürzung der Umtriebszeiten und dadurch zur Erhöhung der Stabilität der heimischen Wälder führen. Eine höhere Produktivität und verkürzte Umtriebszeiten führen zu einer Risikominimierung gegenüber Kalamitäten und zur Möglichkeit auf geringeren Anbauflächen eine zumindest gleichbleibende oder sogar gesteigerte Holzmenge zu produzieren.
Wenn das Projekt erfolgreich ist, könnten SE-Setzlinge in Zukunft in größerem Umfang im Wald eingesetzt werden, um unsere Wälder ertragreich und klimafit zu machen, und damit einen Nutzen für die gesamte Wertschöpfungskette und die Gesellschaft zu stiften.