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Bundesministerin Elisabeth Köstinger inmitten der Vortragenden des LIECO-Forums 2021 © Dagmar Holley

LIECO-FORUM 2021

Aufforstung ist Klimaschutz

Ein Artikel von Dagmar Holley | 15.11.2021 - 08:43

Immer heftiger sind die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren – besonders im Wald, der sowohl Betroffener, als auch Teil von Lösungsstrategien ist. Steigende Temperaturen, Trockenheit und Extremereignisse zeigen die Notwendigkeit einer Ausrichtung der Bewirtschaftung hin zu widerstandsfähigeren Wäldern auf. Der Wald könne angesichts der rasanten Klimaänderungen nicht einer Selbstheilung durch Naturverjüngung überlassen werden, war zu hören. Die Forstbranche befindet sich in einem Transformationsprozess, die Erwartungshaltung an den Wald und seine Bewirtschafter ändert sich.
In seiner Eröffnungsrede wies Con­stantin Liechtenstein, Geschäftsführer Liechtenstein-Gruppe, darauf hin, dass zur ohnehin prekären Situation der Waldbesitzer auch noch zunehmender Druck der Öffentlichkeit käme: die kontroverse und teils emotionale Debatte über die Außernutzungstellung von Waldgebieten versus eine nachhaltige Waldbewirtschaftung. Für Liechtenstein ist die standortangepasste Aufforstung die wesentliche Basis der zukünftigen, nachhaltigen Forstwirtschaft. „Als Waldbesitzer beschäftigt uns die Frage nach klimafitten Wäldern schon seit vielen Jahren und über unser Unternehmen Lieco versuchen wir, einen Beitrag zu leisten. Daher investieren wir in Forschung und Entwicklung, und zwar in die Züchtung von hochwertigen und widerstandsfähigen Bäumen. Wir sind überzeugt, dass hier Aufholbedarf besteht und die Forschung und Entwicklung hier vorangetrieben werden muss“, betonte Liechtenstein.

Doppelrolle des Waldes
Von Expertenseite gab Univ.-Prof. Dr. Hubert Hasenauer, Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), einen Einblick in die Rolle des Waldes im Klimawandel, Waldzyklen, Kohlenstoffspeicherpotenzial sowie verfügbare Daten und deren Herkünfte. 
Hasenauer betonte außerdem die Doppelrolle des Waldes im Klimawandel: Der Wald wäre einerseits Gestalter als Binder von CO2, andererseits Betroffener durch die veränderten Wachstumsbedingungen. Die Waldwirtschaft stünde vor den Optionen Adaptation (Baumartenwahl) und Mitigation (aktive Verringerung von Treibhausgasemissionen, etwa durch Aufforstungsprogramme oder Verwendung von Holz als Werkstoff). Wichtig sei zu betonen, dass Holz fossile Brenn- und Werkstoffe ersetze und somit eine nachhaltige Waldbewirtschaftung das Klima schütze.

Strategien zur Klimaanpassung
Dr. Silvio Schüler, Bundesforschungszen­trum für Wald (BFW), wies in seinem Vortrag darauf hin, dass die Natur mit der Geschwindigkeit des Klimawandels nicht mithalten könne und Unterstützung brauche. „Der Transfer von Saat- und Pflanzgut heimischer Waldbäume ist eine bisher wenig genutzte Möglichkeit, zukünftige Wälder an den Klimawandel anzupassen und deren Rolle als Kohlenstoffsenker und Rohstofflieferant zu stärken“, so Schüler. Bestände und Herkünfte, die man heute bei uns vorfindet, sind für Naturverjüngung nur teilweise geeignet. Die aktuellen Herkunftsempfehlungen gehören überdacht.
Anschließend erläuterte Schüler Hintergründe, Strategien, Projekte und Tools rund um das Thema klimaangepasstes Saatgut, etwa durch Verfahren wie unterstützte Migration (Assisted Migration) oder somatische Embryogenese und stellte das Onlinetool Seed4Forest zur Baumarten- und Saatgutwahl vor.
Zudem vertrat Schüler den erkrankten Dr. Bo Karlsson, der das schwedische Züchtungsprogramm vorstellen wollte. Dort werde seit mehreren Jahrzehnten in Zyklen gezüchtet, allerdings lange nur mit der Ausrichtung auf mehr Produktivität. Erst in den vergangenen Jahren rücke der Klimaaspekt mehr in den Mittelpunkt.

Nadelholz weiterhin gefragt
Dr. Thomas Knoke, Technische Universität München, referierte zum Thema „Potenzial von nadelholzreichen Mischbeständen im Klimawandel“. Nadelholz hat nach wie vor seine Berechtigung – das wurde auch in der späteren Podiumsdiskussion vonseiten der Holzindustrie und besonders des Holzbausektors deutlich. Es gehe darum, die richtige Baumartenmischung zu finden, um das Risiko abzupuffern und die Resilienz zu erhöhen.
Nach Knokes Berechnungen und Simulationen können sich struktur- und artenreichere Wälder nach Störungen/Schadereignissen schneller erholen. Mischbestände mit einem hohen Anteil an Nadelholz und Buche würden wirtschaftlich auf den geeigneten Standorten das Optimum darstellen (siehe auch Forstzeitungs-Artikel Alternativen zu Fichtenreinbeständen).

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Dr. Tom Crowther (ETH Zürich) beim LIECO-Forum 2021 © Dagmar Holley

Digitale Plattform
Keynote-Speaker Dr. Tom Crowther und Umweltwissenschaftlerin Clara Rowe (beide ETH Zürich) stellten ihre offene Plattform Restore vor, die wissenschaftliche Daten mit Satellitenbildern verknüpft und eine öffentlich zugängliche Datengrundlage von waldrelevanten Faktoren zur Verfügung stellt. Auch Projekte zu Naturschutz und Wiederbewaldung können dort gefunden sowie selbst hochgeladen werden. Die Ziele seien Informationsaustausch, Vernetzung sowie auch Investoren und Unterstützer anzusprechen.

Gemeinsam mutig in die Zukunft
In der abschließenden Podiumsdiskussion mahnte etwa Josef Liegl von der Forstwirtschaftlichen Vereinigung Oberpfalz, dass Waldbesitzer von der Pflanzung bis zur Holzernte Einnahmen bräuchten. Man müsse nach alternativen Einkommensquellen wie erneuerbarer Energie oder Agroforestry suchen, bis das Holz wieder etwas einbrächte, so Markus Graf von Hoyos, Forstverwaltung Horn.  
Man ist sich einig: Die Lage ist ernst, dem Wald wird als einem Problemlöser des Klimawandels viel abverlangt. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Forschung, holzverarbeitender Industrie und forstlicher Praxis ist essenziell für das Überleben der gesamten Wertschöpfungskette.

Webtipps:
www.seed4forest.com
www.restor.eco
www.lieco.at/de/lieco-forum/lieco-forum-2021/