Tarraco_P1090011.jpg

Eine Bergabfahrhilfe lässt den Wagen auf der Lifttrasse sanft talwärts gleiten. © R. Spannlang

Fahrbericht

Falstaff mal sportlich

Ein Artikel von Robert Spannlang | 06.08.2019 - 09:05
Tarraco_P1090015.jpg

Konzernübliche Funktionalität mit südlichem Flair bei den Armaturen Bild linke Seite: Selbstbewusst trägt der Seat den familientypischen Sechskant-Wabengrill. © R. Spannlang

Sie wollen einen Wagen, mit dem Sie überall hinauf- und wieder hinunterkommen? Mit dem Sie wirklich kommod Langstrecken zurücklegen, aber auch zur tief verschneiten Jagdhütte im Wald gelangen können? Ein Auto, mit dem ordentlich etwas transportiert und/oder gezogen werden kann, ohne dass der Verbrauch allzu hoch wird? Eines, das trotz seines riesigen Platzangebotes nicht wie ein Pottwal auf Rädern daherkommt? Und all das, ohne statusmäßig unnötig dick aufzutragen? Hier wäre eines.

Klassisch - mit inneren Werten
Außen mit südlichem Esprit geschmackvoll, aber nicht weiter auffällig gestaltet, setzt sich dieser Charakterzug des „MehrSein-als-Scheinens“ im Fahrgastraum und auch bei der Technik fort. Da gibt es zunächst komfortable Sitze, die angenehm weich sind und doch genug Seitenhalt bieten. In der von uns gefahrenen „Xcellence“-Topausstattung sind sie mit einer sehr gefälligen Kombination aus strapazierfähigem Stoff und edlem Alcantara versehen. Dazu ermöglichen die Vordersitze mit auch horizontal verstellbaren Kopf- und Lendenwirbelstützen eine ideale Sitzposition für jedermann. Einen gediegenen Eindruck macht der Innenraum insgesamt: Nobles Flair versprühen der schick gestaltete Instrumententräger, das gut in der Hand liegende Lederlenkrad, die Mittelkonsole samt Rollo-Abdeckung – alles wirkt aufgeräumt, durchdacht und stylish. Die im Xcellence-Paket enthaltene LED-Ambiente-Beleuchtung rundum macht insbesondere in Verbindung mit dem riesigen GlasSchiebe-Panoramadach das Interieur hell und freundlich. Das Glasdach ist ideal als Ausguck nach trockenen Wipfeln neben der Forststraße und mit einer elektrisch zu schließenden Abdeckung auch wirklich nahezu undurchdringlich für Sonnenstrahlung.

Verpackungskünstler
Ein wahres Raumwunder ist der Tarraco allemal. Er basiert auf derselben Bodenplatte wie die Konzernbrüder VW Tiguan Allspace und Škoda Kodiaq, ist aber einige Zentimeter länger als sie. Daher bietet der Spanier einen Stauraum von 700 l bei aufrechten und 1900 l bei umgelegten Rücksitzlehnen. Die Tatsache, dass diese in der Neigung verstellbar sind und die Beifahrerlehne klappbar und auch eine dritte Sitzreihe bestellbar ist, macht den Seat Tarraco zu einem maximal flexiblen Transporter von Personen und Gütern. Ein gelungener Beitrag zu einem modernen Raummanagement ist auch die Kofferraumabdeckung, die leicht abgebaut und in einem speziellen Fach unter dem Laderaumboden verstaut werden kann. Warum darauf wohl noch kein anderer Hersteller gekommen ist? Ebenfalls überzeugen konnte der Mechanismus, der die Rücksitzlehnen nach dem Umklappen fix arretiert und mittels einer simplen Schlaufe wieder löst. Auch das „virtuelle Pedal“ zur Betätigung der elektrischen Heckklappenöffnung kann durchaus seine Berechtigung haben.

Ab ins Gelände
Wenn man schon so einen edlen Frack von Auto einmal in die Finger bekommt, möchte man ihm anhand steiler Wiesen oder lehmiger Hohlwege im Wald gern einmal seine Grenzen aufzeigen. Doch das sind Herausforderungen, die der Seat Tarraco mit Freuden annimmt. Mit seinen stämmigen 400 Nm maximalem Drehmoment, seiner Bodenfreiheit von 22 cm und seinen 1,8 t Gewicht hat er einen guten Body-Mass-Index fürs offene Terrain. Schaltzeitpunkt des 7 Gang-Doppelkupplungsgetriebes und Gaskennlinie können über einen Fahrmodi-Schalter dem jeweiligen Untergrund angepasst werden. Dabei verzichtet der Tarraco auf einen permanenten Allradantrieb mit Torsen-Differenzial, wie er etwa bei Audi oder Range Rover verbaut ist. Seine über Haldexkupplung gesteuerte Allradtechnik spart Gewicht und Sprit, weil die Hinterachse nur in dem Maße Vortrieb liefert, wie die Vorderachse an Traktion verliert. Die elektronische Regelung des Allrads ist dabei so ausgefuchst, dass sie etwa bei schräg angefahrenen Geländekanten die Räder ohne Bodenhaftung rechtzeitig abbremst und damit kein Drehmoment verloren geht.

Tarraco_P1090034.jpg

Seat-typisch kennzeichnen markante Leucht-Signaturen aus LED-Bahnen Scheinwerfer und Rücklichter. © R. Spannlang

Keine SUV-hafte Bamstigkeit
Seinen großen Trumpf spielt der Tarraco freilich als Reiselimousine auf „Verkehrswegen erster Ordnung“ aus. Sein Vorwärtsdrang ist vielleicht nicht unbedingt das, was die Autobauer aus München als „dynamisch“ bezeichnen würden, kann aber allemal als pkw-haft „agil“ durchgehen. Zum sanften Vorwärtsgleiten passt auch, dass das Doppelkupplungsgetriebe im Normalmodus bei Betätigung des Gaspedals eine kleine Denkpause einlegt, was aber mithilfe des Sportmodus oder der Schaltpaddels am Lenkrad forscher vonstattengehen kann. Allein der Tempomat in Gestalt eines zweiten Schalthebels links vom Volant ist ein wenig gewöhnungsbedürftig in der Handhabung. Insgesamt hinterlässt der Seat Tarraco einen prächtigen Eindruck. Man ist für alle Fälle gerüstet – bei relativ geringen Kosten bei Anschaffung und Unterhalt.