Land&Forst Betriebe - Exkursion

Schauplatz Waldweide

Ein Artikel von Dagmar Holley | 06.10.2021 - 15:46

Die diesjährige Fachexkursion der Land&Forst Betriebe am 16. September im steirischen Krieglach beschäftigte sich mit althergebrachten Rechten, die nichts an Aktualität verloren haben. 
Das komplexe Einforstungsrecht nimmt eine Sonderstellung in unserem Rechtssystem ein. Einforstungsrechte sind Nutzungsansprüche auf Holz, andere Forstprodukte sowie Weideausübung auf fremden Wald- und Weideflächen. Historisch gehen sie auf eine unvollständig umgesetzte Flächenrückgabe an die Bauern im Zuge der Aufhebung der Grundherrschaft und Grundentlastung nach 1848 zurück. Meist sind alte Urkunden aus dieser Zeit die Grundlage. Wendet sich ein Berechtigter an die zuständige Agrarbezirksbehörde, sucht diese nach verfügbaren Weideflächen auf fremdem Grund, was auch immer wieder Konflikte nach sich zieht.
„Mir ist bewusst, dass ein Waldweide-Recht ebenso ein Eigentum ist wie Eigentum bei einem Grundstück“, schickt Martin Schwarzauger, Waldbesitzer, vo­raus. Rund 350 ha Wald bewirtschaftet er im Nebenerwerb. Ein Teil dieser Fläche ist von Waldweide-Rechten betroffen, die teilweise als extensive Waldweide, teilweise als Reinweide umgesetzt wurden. Für die Exkursion geben er und sein Bruder Franz Schwarzauger als Betroffene Einblick ins Thema.

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Der erste Halt der gut besuchten und gut organisierten Exkursion war eine extensive Waldweide. © Dagmar Holley

Strukturreiche Waldweide
Die erste Station der gut organisierten Exkursion ist eine extensive Waldweide – ein aufgelockerter Altbestand, der für Schwarzauger als Verpflichteten seine bevorzugte Form darstellt. Vorteile seien die guten Keimbedingungen, die Naturverjüngung für Nadelbäume funktioniere gut, durch die Rinder gebe es keine Vergrasung und damit kaum Konkurrenzvegetation. Als Nachteile sieht er die Pro­bleme bei der Naturverjüngung von Laubbäumen, die die Entmischung sowie den Sommerverbiss fördern. Einen höheren Rotfäuleanteil durch Trittschäden, der ebenfalls oft als Nachteil genannt wird, kann er nicht bestätigen.
„Die Auswirkungen auf den Wald sind abhängig von der Intensität der Beweidung. Allerdings ist nicht nur ausschlaggebend, was im Bescheid steht, sondern vor allem die tatsächliche Anzahl der Tiere. Früher, in den 1990er-Jahren, haben wir uns schon manchmal über Schäden und Verwüstung geärgert. Inzwischen werden immer weniger Tiere aufgetrieben“, erzählt Schwarzauger.
Dr. Georg Gratzer vom Institut für Waldökologie an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) betrachtet die Fläche aus ökologischer Sicht. Er verweist auf den Strukturreichtum dieser Waldform. Viele verschiedene Standortbedingungen auf kleinstem Raum fördern die Biodiversität. Gratzer erwähnt hier Pflanzen, Insekten und Vögel, besonders auch Heidelbeeren und Auerwild, die als Indikatorarten gelten. 

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Dass Bauern für Reinweiden EU-Förderungen erhalten, stößt bei Waldbesitzern und Ökologen auf wenig Verständnis. © Dagmar Holley

EU-Förderung nur für Reinweide
Der nächste Stopp ist in der Nähe einer Reinweide. Die Berechtigten – die Halter des Weideviehs – bevorzugen diese Form. Neben der größeren Futterleistung pro Fläche und wenig Arbeitsaufwand beim Zusammentreiben der Tiere vor allem wegen der EU-Förderungen, die für Reinweideflächen ausgeschüttet werden. Die Behörde ist aufgrund der geltenden Bestimmungen ebenfalls angehalten, wenn möglich, Flächen mit eindeutiger Zuordenbarkeit zu forcieren. 
Martin Schwarzauger hingegen hat wenig Freude mit der Weide, für die sein Wald weichen musste: „Da blutet mir das Herz.“ Die Lage ergab sich aus den Besitzstrukturen: Nur hier grenzt sein Grundstück an jene von zwei weiteren Verpflichteten. Es lässt sich erahnen, dass die Verfahren mit mehreren Berechtigten und mehreren Verpflichteten kompliziert sind und lange dauern. Dennoch endet der Großteil der Verfahren mit einer Einigung. Schwarzauger ist einer der wenigen, der den Bescheid beeinsprucht hat und sich von der Behörde in einigen Punkten „auf den Schlips getreten“ fühlt. Martin Strobl, technischer Leiter der zuständigen Agrarbezirksbehörde Steiermark, will das nicht so auf sich sitzen lassen und verweist auf die Gesetzeslage sowie deren Hintergründe. Es menschelt auf der Kuhweide. Ökologisch gesehen, fehlen auf der Fläche, die durch einen Zaun vom angrenzenden Wald getrennt ist, die strukturreichen Übergänge. Auch ohne Analyse vermutet Gratzer hier eine geringere Biodiversität. Da dieses Thema zunehmend an Bedeutung gewinnt, stellt sich auch in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Förderung in ihrer gegenwärtigen Form zielgerichtet ist.

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Bei intensiv bewirtschafteter Waldweide werden negative Spuren schnell sichtbar. © Dagmar Holley

Durch den Wald zum Wasser
Zwischen beiden Extremen liegt die intensive Waldweide, die zuletzt besichtigt wird. Franz Schwarzauger, Martin Schwarzaugers Bruder, hat die Fläche inklusive Waldweide von seinem Vater übernommen. Neben dem Wald befindet sich eine Reinweide. Um zur Wasserstelle zu gelangen, muss das Vieh aber 800 m durch den Wald zurücklegen. Immerhin hat österreichisches Nutzvieh neben Futter auch Recht auf Wasser und Schutz durch den Wald. 
Die Spuren im Wald sind deutlich sichtbar. Es kommt zudem kaum zur Naturverjüngung. Der Ökologe weist ebenfalls auf die Betritte an den Wurzelanläufen und die verletzte Krautschicht hin.

Schulterschluss gegen Dritte
In der abschließenden Podiumsdiskussion sehen die Vertreter es als Gewinn, die Standpunkte der anderen kennengelernt zu haben. Ökologe Gratzer erinnert, dass es oft kein „Gut“ und „Böse“ gebe, kein Schwarz und Weiß, und Biodiversität „nicht immer schön aussieht“.
Dr. Nikolaus Lienbacher von der Landwirtschaftskammer Salzburg fordert einen fairen Interessenausgleich und mahnt zum Schulterschluss „gegen Dritte, die unsere Nutzungsrechte einschneiden wollen“.