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Verbesserte Auwaldynamik kann wirtschaftliche Vorteile bringen. © Franz Reiterer

Bewertung

Renaturierung an Gewässern

Ein Artikel von Franz Reiterer | Forstbüro Reiterer | 30.01.2025 - 09:31

Die Renaturierung soll künftig in einer Gesamtstrategie alle Formen der Landnutzung betreffen. Bei Fließgewässern gibt es einen offensichtlichen Handlungsbedarf. Daher werden seit geraumer Zeit Gewässerrenaturierungen umgesetzt. Das Projekt LIFE IP IRIS ist ein EU-gefördertes Projekt des BML (Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft) für Strategie sowie die nationale Koordination von Gewässerbewirtschaftung und Hochwasserrisikomanagement. IRIS steht für Integrated River Solutions Austria. Im Oktober 2024 fand in Salzburg ein Vernetzungstreffen zum Thema „Auwälder und Gewässerrenaturierung – Umgang mit Zielkonflikten in der Forstwirtschaft“ statt. Im vorliegenden Bericht wird ein Vortragsbeitrag des Verfassers über die privatrechtliche Konsensfindung zusammengefasst. 

Mehr Raum für Flüsse
Über Jahrhunderte wurden Flüsse und Bäche auf Kosten der ökologischen Vielfalt begradigt und eingeengt. Harte Verbauungen zum Hochwasserschutz führten oft zur Problemverlagerung flussabwärts. Durch die erhöhte Fließgeschwindigkeit kommt es bisweilen zur Eintiefung der Gewässersohle. Zudem haben Staustufen das Geschieberegime verändert. Die Absenkung des Grundwasserspiegels hat folglich viele negative Wirkungen für die umliegende Landnutzung. Mit der Revitalisierung von Fließgewässern werden somit vielfältige Ziele verfolgt. Zumeist geht es um die Ausweitung des öffentlichen Wassergutes. Wenn Wald betroffen ist, sind im forstrechtlichen Verfahren Fragen der Rodung, möglicher Ersatzaufforstungen sowie der Anrechenbarkeit von Waldverbesserungen zu behandeln. Privatrechtlich geht es bei dauerhafter Flächenbeanspruchung primär um die Grundablöse. Für temporäre Flächennutzung oder Nutzungseinschränkungen kommen auch andere Lösungsansätze in Frage. 

Rechtliche Grundlagen
Das Wasserrechtsgesetz WRG 1959 bildet hier die Rechtsgrundlage für Grundeinlösen. Wie bei Flächeninanspruchnahmen für Infrastruktur nimmt das WRG auf das Eisenbahnenteignungsentschädigungsgesetz EisbEG 1954 Bezug. Dabei steht der rechtliche Begriff „Enteignung“ für den nötigen Eigentumsübergang und bedeutet nicht automatisch Zwangsenteignung. Die Enteignungsentschädigung ist folglich jener Betrag, der Grundeigentümern zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile zusteht. Nach der Sonderopfertheorie darf es für betroffene Grundbesitzer zu keiner Schlechterstellung kommen. In der Regel erfolgt ein finanzieller Wertausgleich („Entschädigung“). Es kann aber auch ein naturaler Wertausgleich in Form von Ersatzgründen sein, wenngleich es keinen Rechtsanspruch auf Naturalersatz gibt. Wie bei allen Grundeinlösen hat die Bewertung objektiv konkret zu erfolgen. Subjektive Wertzumessungen wie Liebhaberaspekte haben zu unterbleiben. Unter „konkreter Bewertung“ ist die Berücksichtigung aller persönlichen (betrieblichen) Umstände zu verstehen. Ein Beispiel dazu sind Umwegentschädigungen, wenn etwa ein landwirtschaftlicher Betrieb durchschnitten wird. 
Das Liegenschaftsbewertungsgesetz LBG 1992 bildet überdies die Rechtsgrundlage zur Ermittlung des Wertes von Liegenschaften oder Liegenschaftsteilen in gerichtlichen und bundesgesetzlichen Verfahren. Demnach kommen methodisch das Sach-, Ertrags- sowie Vergleichswertverfahren in Betracht. Vorrangig ist bei Grundeinlösen nach dem Sachwert mit getrennter Bewertung von Boden und Bestand (stehendem Holz) vorzugehen. Der anteilige Bodenwert wird üblicherweise aus regionalen Vergleichswerten hergeleitet. Vor allem bei der Bewertung siedlungsnaher Wälder liefert die Ableitung des Waldbodenwertes aus landwirtschaftlichen Vergleichspreisen oft bessere Ergebnisse als vergleichende Waldverkäufe. Akzeptanzzuschläge (üblicherweise bis maximal 10%) können im Verhandlungsweg abweichend vom Gutachten vereinbart werden. Diese werden mit der Verfahrensbeschleunigung argumentiert, zumal Verfahren zur zwangsweisen Rechtseinräumung langwierig sind. 

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Ertragsminderung infolge dauerhafter Vernässung ist zu entschädigen. © Franz Reiterer

Praktische Vorgehensweise 
Wenn in einem Projektgebiet Gutachten für mehrere Liegenschaften zu erstellen sind, sollten möglichst einheitliche Bewertungsmaßstäbe zugrunde gelegt werden. Vorab sollten in einem grundsätzlichen Bewertungspapier die Grundlagen und Wertkriterien offengelegt werden. Darauf bauen Detailbewertungen je Liegenschaft auf. Somit ist eine einheitliche Bewertungslinie sichergestellt. Bei komplexen Bewertungen sollte im Vorfeld überdies eine Wirkungsanalyse durchgeführt werden. In Teilbereichen kann es auch zu wirtschaftlichen Aufwertungen kommen, etwa durch besseren Grundwasseranschluss. Gegebenenfalls sind diese zu bilanzieren. 

Vorschläge zur Konsensfindung
Das Instrument Grundtausch könnte für private Waldbesitzer die Akzeptanz begünstigen. Der aktive Erwerb von Ersatzgründen oder Tausch mit Waldflächen im öffentlichen Eigentum könnten als Optionen hilfreich sein. 
Für begleitende Waldverbesserungen könnte der Vertragswasserschutz ein Lösungsansatz sein. Dabei ist die Zielsetzung differenziert zu hinterfragen. Aus der Sicht des Verfassers stehen im Auwald Hybridpappelbestände nicht zwingend dem Ziel der Gewässerrenaturierung entgegen. Es könnten Wildrettungshügel zum Wildschutz für den Fall häufigerer Überflutungen sinnvoll sein. Diese und ähnliche Fragen zum begleitenden Waldmanagement können vertraglich geregelt werden. Bestehende Förderungen könnten auf die Renaturierung hin angepasst werden.
Örtlich kann ein zusätzlicher Abstimmungsbedarf mit Erholungsnutzung und Schutzfunktion bestehen. Das Instrument Waldfachplan (§ 10 ForstG) könnte verstärkt zur Nutzungskoordination herangezogen werden. Die Organisationsform Waldpflegeverein mit externer Projektbetreuung durch Bürodienstleister könnte im Falle einer größeren Zahl privater Waldeigentümer in einem Projektgebiet hilfreich sein. Aufgabe wäre die kontinuierliche (waldbauliche) Projektumsetzung sowie Hilfe bei Förderabwicklung und Ähnlichem. Forstliche Ziviltechniker und Ingenieurbüros sind gewerberechtlich zu Projektmanagement, Forstbetreuung und Vertretung vor Behörden (zum Beispiel zur Förderabwicklung) befugt. 

Webtipp: www.life-iris.at