Renaturierungsgesetz: Die Verordnung (EU) 2024/1991 verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Wiederherstellung zerstörter Ökosysteme zu ergreifen. Bis 2030 sollen mindestens 20% der Land- und Meeresflächen der EU renaturiert werden, mit dem Ziel, bis 2050 alle betroffenen Ökosysteme wiederherzustellen. Diese Maßnahmen umfassen beispielsweise die Wiedervernässung von Mooren, die Aufforstung und Diversifizierung von Wäldern und die Begrünung von städtischen Gebieten.
Entschädigung versus Vertragsnaturschutz
Das Renaturierungsgesetz enthält keine spezifischen Bestimmungen zu Entschädigungsansprüchen. Das in Österreich verfassungsrechtlich gewährleistete Eigentumsgrundrecht schützt die Nutzung und Verfügungen über vermögenswerte Rechte und umfasst keine Sozialpflichtigkeit des Eigentums.
In Österreich ist Naturschutzrecht Landesrecht. Dementsprechend finden sich bundesländerbezogen nur bedingt vergleichbare Entschädigungstatbestände. Dabei erfolgt in der Regel kein Eigentumsübergang (Ankauf, Tausch, Grundablöse), sondern eine Nutzungsbeschränkung. Damit ist bei einer dauernden oder zeitweiligen Bewirtschaftungseinschränkung der vermögensrechtliche Nachteil (Ertragsausfall, Bodenwertminderung, Restbetriebsbelastungen) auszugleichen. Die Entgeltzahlungen werden im Wege des Vertragsnaturschutzes über individuelle Vertragszeiträume abgesichert.
Bewertungsansätze
Schätzungen versuchen die genäherte Bestimmung von Zahlenwerten, Größen oder Parametern durch Augenschein, Erfahrung oder statistisch-mathematische Methoden. Der Sachverständige ist in der Wahl seiner Wertermittlung grundsätzlich frei. Entscheidend ist eine nachvollziehbare und schlüssige Offenlegung seiner Bewertungsüberlegungen. Gemäß Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992 und der ÖNORM B 1802-1:2022 bieten sich nachstehende Bewertungszugänge an.
Vergleichswertverfahren:
- Kaufpreissammlung (Vergleichspreise)
- Wertrelationen (ertragsbezogen vergleichbare land-/forstwirtschaftliche Immobilientransaktionen)
- landwirtschaftliche Pachtentgelte für ertragsarme Standorte (Hutweiden, einmähdige Wiesen)
- Marktwert für CO2-Zertifikate
- Vertragsentgelte für vergleichbarer Waldstandorte (BFW-Naturwaldreservateprogramm)
- Analyse der Verkehrswertminderung über den Immobilienmarkt (technischer und merkantiler Minderwert)
- Interpretation von Referenzwerte aus standörtlich vergleichbaren Bewertungsgutachten (Vergleichswertcharakter)
- Fachliteratur
Sachwertverfahren:
- Bodenwertminderung: Veränderung des Wasserspiegel, Bonitätsverluste
- Bestandeswertminderung: Baumartenwechsel, geänderte Bestandesstrukturen, geminderte Ertragsklassen, reduzierte Deckungsbeitrage, unmittelbare Wertverluste (Hiebsunreife, Randschäden); Verzicht auf Bringungsanlagen
- Jagdwertminderung (Jagdpachtreduktion)
Ertragswertverfahren:
- Differenzbewertung der aktuell möglichen Betriebsergebnisse und von künftigen Einnahmen (Nutzungsentgelt durch Naturschutz, weiterhin zulässige Nutzungen)
- Veränderung des Betriebsrisikos (Klimawandel)
- Restbetriebsbelastung (Verlust an Holzlieferketten, Förderungen, technische Infrastruktur, Verlust der Erbhofeigenschaft)
Zusammengefasst bildet das Vergleichswertverfahren den aktuellen Immobilienmarkt, das Sachwertverfahren die Wertentwicklung in der Vergangenheit und das Ertragswertverfahren die prognostizierte künftige Wertentwicklung ab. Je deckungsgleicher die Wertermittlungsergebnisse sind, desto schlüssiger wird die Darstellung der Bewertung der vermögensrechtlichen Nachteile sein.
Vertragsentgelt
Bei einer (hoheitlich festgesetzten) Entschädigung nach dem Eisenbahnenteignungsentschädigungsgesetz EisbEG 1954 hat die Schadloshaltung über einen Einmalerlag zu erfolgen. Aus Sicht der Waldeigentümer ist diese Regelung problembehaftet, da die Festlegung des Kapitalisierungszinssatzes maßgeblich den Ablösebetrag beeinflusst.
Im Vertragsnaturschutz besteht Vertragsfreiheit. Es bietet sich daher eine jährliche Rente an. Die Indexierung sollte entsprechend der Marktentwicklung von Waldflächen über den Liegenschaftszinssatz gesucht werden und zumindest pro Dezennium evaluiert werden.
Herausforderung
Waldbewirtschaftung kennt viele Facetten – ob den aussetzenden Betrieb oder die maximierte Forstwirtschaft. Der gesellschaftliche Wandel beeinflusst die Rechtsentwicklung. Die Vorgaben des Renaturierungsgesetzes 2024 sind ohne Mitwirkung der Grundeigentümer vermutlich nicht umsetzbar. Öffentliche Interessen verlangen Sonderopfer, die auszugleichen sind. Der bisherige Betriebserfolg aus der Urproduktion wird somit auf vertraglich vereinbarte Pachtentgelte „verschoben“. Naturschutzmaßnahmen werden damit zu einer betrieblichen Option. Über die Pachtdauer hinausgreifende/-wirkende Verkehrswertminderungen sind zusätzlich zu entschädigen.
Der Waldbewerter hat hierfür die Faktenlage zu analysieren und situativ zu bewerten. Ein interdisziplinärer Austausch der Fachgutachter gilt fairen Bewertungen, schafft damit belastbare Entscheidungsgrundlagen und unterstützt die vertragsrechtliche Umsetzung.
Eine Liste weiterführender Literatur ist beim Autor erhältlich.